Klimaschutz - Ist das Nein der Jungen zum CO2-Gesetz ein Nein zur linken Umweltpolitik?

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KlimaschutzIst das Nein der Jungen zum CO₂-Gesetz ein Nein zur linken Umweltpolitik?

Eine Mehrheit der unter 34-Jährigen lehnte das CO₂-Gesetz ab. Ist das ein «Volksaufstand» der Jungen, ein Protest gegen die «grüne Welle»? SP und Klimastreik halten dagegen.

Ist das Nein zum CO2-Gesetz ein «Volksaufstand» gegen «das Diktat der Eliten», wie die Weltwoche schreibt?
Die Nachbefragung von 20 Minuten und Tamedia zeigte, dass eine Mehrheit der unter 34-Jährigen das CO2-Gesetz ablehnte.
«Die ‹grüne Welle› ist verebbt, das ist klar», sagt SP-Fraktionschef Roger Nordmann. Das Resultat sei aber keine grundsätzliche Ablehnung der Umweltpolitik der Linken.
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Ist das Nein zum CO2-Gesetz ein «Volksaufstand» gegen «das Diktat der Eliten», wie die Weltwoche schreibt?

20min/Marco Zangger

Darum gehts

  • Während 54 Prozent der über 65-Jährigen für das CO2-Gesetz stimmten, hielten vor allem Junge dagegen.

  • Für die «Weltwoche» ist das Resultat ein Signal, dass sich die Schweizer Stimmbevölkerung «gegen das Diktat der Eliten» aufgelehnt hat.

  • SP-Fraktionschef Roger Nordmann und Cyrill Hermann vom Klimastreik widersprechen scharf.

Mit 51,6 Prozent Nein-Stimmen ist das revidierte CO2-Gesetz am letzten Sonntag an der Urne abgestürzt. Die Nachwahlbefragungen von 20 Minuten und Tamedia mit 16’249 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zeigen: Keine Altersgruppe sagte deutlicher Nein zum Gesetz als die 18- bis 34-Jährigen. Während 58 Prozent der unter 34-Jährigen Nein stimmten, war die Zustimmung zum CO2-Gesetz bei den Ältesten am grössten: 54 Prozent der über 65-Jährigen legten ein Ja in die Urne.

In der Nachbefragung begründeten nur 2 Prozent ihr Nein damit, dass ihnen das Gesetz zu wenig weit gehe. Das Argument gewisser Klimastreik-Exponenten und -Exponentinnen war also nur bei einer extrem kleinen Minderheit ausschlaggebend. Laut der Befragung war vielmehr die Furcht vor höheren Kosten das Hauptargument gegen das CO2-Gesetz – auch bei den Jungen.

Die «Weltwoche» (Bezahlartikel) bezeichnet das Resultat deshalb als «Zäsur in der internationalen Klimapolitik», als «Volksaufstand», in dem sich die Schweizer Stimmbevölkerung «gegen das Diktat der Eliten» aufgelehnt hat. «Die Schweizer gehen in den Klimastreik, nur anders als von den Mächtigen angedacht. Sie wollen weniger statt mehr staatliche Massnahmen gegen den Klimawandel.»

Klimapolitik der kleinen Schritte

Ist das Nein zum CO2-Gesetz ein Nein zur Umweltpolitik der Linken und des Klimastreiks? «Nein, aber die ‹grüne Welle› ist verebbt, das ist klar», sagt SP-Fraktionschef Roger Nordmann. «Die abgelehnte Vorlage hat gezeigt, dass die Politik der grossen Töne, des ständigen Überbietens mit noch ehrgeizigeren Klimazielen ausgedient hat.» Es sei deutlich geworden, dass die Idee einer über das Portemonnaie geregelten Klimapolitik in grösserem Ausmass nicht akzeptiert werde – auch von den Jungen nicht. Von einem «Volksaufstand» gegen die «linke Umweltpolitik» zu sprechen, gehe jetzt aber eindeutig zu weit, so Nordmann. «Was es jetzt brauche, ist eine Klimapolitik der kleinen Schritte. Eine Klimapolitik, die auch soziale Fragen besser berücksichtigt.»

Es gebe verschiedene Theorien, wieso eine Mehrheit der unter 34-Jährigen gegen das Gesetz gestimmt hat, sagt der SP-Nationalrat. «Es könnte sein, dass viele Junge auf dem Land durch die Pestizidinitiativen mobilisiert wurden und auch beim CO2-Gesetz ein Nein in die Urne legten.» Zudem könne man bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen nicht von einer homogenen Masse ausgehen: «Ein Teil der Jugend steht etwa voll hinter dem Klimastreik, ein anderer Teil interessiert sich gar nicht dafür.»

«Klimakrise nicht auf dem Buckel der Jungen austragen»

Auf Anfrage betont der Klimastreik, dass das Abstimmungsresultat nicht bedeute, dass Klimaschutz keinen Rückhalt mehr in der Bevölkerung geniesse. Zwei Studien der Universität St. Gallen und easyvote hätten gerade kürzlich das Gegenteil bewiesen. Auch das Referendumskomitee habe nicht mit einem Nein zu Klimaschutz geworben, sondern damit, dass die Kosten ungerecht verteilt werden. Dass viele Junge Nein zum CO2-Gesetz sagten, widerspreche der linken Klimapolitik also nicht, sagt Cyrill Hermann vom Klimastreik. «Die Frage ist vielmehr: Wieso soll die Bevölkerung die Folgen der Klimakrise berappen, während der Finanzplatz und Millionen- und Milliardenkonzerne explizit von CO2-Abgaben ausgenommen werden?»

Gerade für junge Menschen, die unter der Pandemie auch erhebliche finanzielle Einbussen hinnehmen mussten, sei nicht schlüssig, wieso sie für Benzin und Flugreisen zur Kasse gebeten werden aber grosse Konzerne nicht für ihre Emissionen. Das CO2-Gesetz habe die Verantwortung der Klimakrise zu Unrecht der ärmeren Bevölkerung übertragen, sagt Hermann. «Das Abstimmungsresultat widerspiegelt also nicht einen ‹Volksaufstand› gegen die sogenannte linke Umweltpolitik, sondern eine Ansage an das Polit-Establishment, die Folgen der Klimakrise nicht auf dem Buckel der Jungen auszutragen.»

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