Razzien in DeutschlandIst die «Letzte Generation» wirklich eine kriminelle Vereinigung?
In vielen deutschen Bundesländern ging die Polizei in einem Grosseinsatz gegen Klimakleber vor. Der Tatvorwurf lautet auf Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.
Darum gehts
Mit einer grossangelegten Razzia sind in Deutschland Polizei und Staatsanwaltschaft gegen die Klimaschutzgruppe «Letzte Generation» vorgegangen.
Die Gruppe macht regelmässig mit Sitzblockaden und Aktionen in Museen auf die fatalen Folgen der Erderhitzung aufmerksam.
Die deutsch Justiz lässt prüfen, ob es sich bei der «Letzten Generation» um eine sogenannte kriminelle Vereinigung handelt.
Der Konflikt um die «Letzte Generation» verschärft sich zusehends: Die deutsche Justiz wirft der Klimaschutzgruppe die Bildung einer kriminellen Vereinigung vor und liess am Mittwochmorgen bundesweit Wohnungen von Aktivistinnen und Aktivisten durchsuchen. Die Gruppe zeigte sich von der Razzia «hart getroffen», auch in der Politik stiessen die Durchsuchungen auf ein geteiltes Echo. Vor allem steht die Frage im Raum: Ist die «Letzte Generation» tatsächlich eine «kriminelle Vereinigung»?
Wann handelt es sich bei einer Organisation um eine sogenannte kriminelle Vereinigung?
Um eine kriminelle Vereinigung darzustellen, müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein: Im Artikel 129 des deutschen Strafgesetzbuchs heisst es, dass eine kriminelle Vereinigung unter anderem auf längere Dauer angelegt sein, festgelegte Rollen für die Mitglieder haben und ein Zusammenschluss von mehr als zwei Personen sein muss, die ein übergeordnetes gemeinsames Interesse verfolgen.
Inwiefern erfüllt die «Letzte Generation» diese Bedingungen?
Bei der «Letzten Generation» wäre ein gemeinsames Interesse etwa der Klimaschutz, erklärt die Hamburger Rechtswissenschaftlerin Judith Papenfuß gegenüber «MDR Aktuell». Doch die Organisation muss zudem «darauf ausgerichtet sein, Straftaten zu begehen», meint die Rechtswissenschaftlerin.
Da es gegen die Klimaaktivisten in der Vergangenheit Verurteilungen wegen Nötigung im Strassenverkehr, Sachbeschädigung oder Störung öffentlicher Betriebe gab, «ist das ebenfalls gegeben», so Papenfuß.
Hat die Generalstaatsanwaltschaft München also richtig gehandelt?
Zusammen mit ihrem Professor Milan Kuhli kommt Papenfuß zu dem Urteil, dass die «Letzte Generation» – noch – keine kriminelle Vereinigung im Sinne des deutschen Strafrechts ist: «Vielmehr geht es meiner Ansicht nach darum, sich zu fragen, was soll die Norm denn eigentlich schützen? Sie soll vor allem die öffentliche Ordnung und den inneren Frieden schützen.»
Die öffentliche Ordnung oder der innere Frieden wären nach Einschätzung von Papenfuß dann in Gefahr, wenn grundlegende Rechtsgüter wie Leib, Leben oder die sexuelle Selbstbestimmung immer gefährdet wären. Zwar ärgere sich die Bevölkerung, wenn es Strassenblockaden gibt, «das ist aber alles noch so weit weg von einer Bedrohung des inneren Friedens in der Gesellschaft, die ein Ausmass annimmt, dass die Bejahung des §129 StGB aus meiner Sicht irgendwie zu rechtfertigen wäre», zitiert MDR die Expertin.
Wie gingen die Ermittler bei der Razzia vor?
Laut der Sprecherin der «Letzten Generation», Carla Hinrichs, seien die Beamten bei der Durchsuchung ihrer Wohnung brutal vorgegangen. 25 Ermittler und Ermittlerinnen brachen laut Hinrichs ihre Tür auf und stürmten «mit gezogener Waffe» in ihr Zimmer, in welchem sie noch im Bett gelegen habe. Hinrichs zählt zu den drei Hauptbeschuldigten der Generalstaatsanwaltschaft München.
Aimée van Baalen, Sprecherin der «Letzten Generation», sagt gegenüber dem Nachrichtenmagazin «Stern», dass «die Durchsuchungen uns Angst machen». Die Ereignisse hätten jedoch keine direkten Auswirkungen auf die geplanten Protestmärsche in mehreren deutschen Grossstädten. Man müsse «jetzt erst recht» in den zivilen Widerstand gehen, so die Sprecherin.
Was wirft die Justiz den Klimaschützern konkret vor?
Die Generalstaatsanwaltschaft legt den Aktivistinnen und Aktivisten konkret zur Last, eine Spendenkampagne zur Finanzierung «weiterer Straftaten» für die «Letzte Generation» organisiert und diese über deren Homepage beworben zu haben. Dadurch hätten sie mindestens 1,4 Millionen Euro eingesammelt. Zwei Beschuldigte sollen zudem im April 2022 versucht haben, die Ölpipeline zwischen Triest und Ingolstadt zu sabotieren.
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