China - Jagd auf Journalisten, die über das Unwetter berichten wollen

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ChinaJagd auf Journalisten, die über das Unwetter berichten wollen

Chinas kommunistische Partei hat die heimischen Medien genau angewiesen, wie über das verheerende Unwetter von letzter Woche zu berichten ist. Ausländische Journalisten aber kriegen es mit einem wütenden Mob zu tun.

Heftige Überschwemmungen haben letzte Woche das Leben in der zentralchinesischen Provinz Henan lahmgelegt.
 In der Provinzhauptstadt Zhengzhou sind 200 Liter Regen pro Quadratmeter niedergegangen.
Chinesische Medien sind angewiesen, über die Opfer und Schäden des  Hochwassers lediglich «massgebende» Informationen zu veröffentlichen.
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Heftige Überschwemmungen haben letzte Woche das Leben in der zentralchinesischen Provinz Henan lahmgelegt.

REUTERS

Es ist nur schwer vorstellbar: Wer von den extremen Unwettern der letzten Woche berichten will, lebt in China gefährlich. So hat die kommunistische Jugendpartei der Provinz Henan dazu aufgerufen, jeden Schritt des BBC-Journalisten Robin Brant zu verfolgen: «Wir sind jetzt 400 Personen in der Gruppe», heisst es auf dem chinesischen Facebook-Pendant Weibo. «Wir suchen diesen Mann. Wer ihn zuerst findet, schlägt ihn runter. Wir werden Helden sein, sogar verhaftet werden. Aber alle wollen den ‹first kill›.»

Mathias Boelinger von der «Deutschen Welle» berichtet, auch ihm seien Leute gefolgt, weil sie ihn für den Briten gehalten hätten. Am Wochenende sah sich Boelinger von einer wütenden Menschenmenge umzingelt, als er aus Zhengzhou, der Hauptstadt dieser zentralchinesischen Provinz, von dem schweren Unwetter berichten wollte: «Das hier ist China, haut ab aus China!», schallte es ihm entgegen.

«Bestrebt, Ausländer fertig zu machen»

Er sei gestossen und angeschrien worden, Chinas Ansehen zu beschmutzen. «Das Umfeld für Medien in China derzeit ist unheimlich», twitterte er. «Nationalistische Kreise und die staatlichen Medien fahren gerade eine gehässige Kampagne gegen die BBC.»

«Zunehmende Wut und Misstrauen gegenüber ausländischen Journalisten in China», tweetet die Al-Jazeera-Journalistin Katrina Yu. «Als wir in Zhengzhou vor der U-Bahn-Station filmten, nahmen uns die Passanten mit ihren Handys auf und riefen die Polizei.» Dazu gibt sie einen Aufruf im chinesischen Facebook-Pendant Weibo: «Gebt ausländischen Medien keine Interviews, lasst euch nicht ausnutzen!».

Dabei gäbe es aus der Provinzhauptstadt viel zu berichten. Hier war es letzte Woche zu den seit Jahrzehnten heftigsten Regenfällen gekommen. In der überfluteten U-Bahn sowie in einem vollgelaufenen Strassentunnel starben Dutzende Menschen, die Aufräumarbeiten in der Neun-Millionen-Metropole laufen auf Hochtouren.

Viele hätten «sogar» über die Schäden und Schwierigkeiten nach dem Unwetter sprechen wollen, schreibt Alice Su von der «Los Angeles Times». Doch dann sei auch hier eine Meute aufgetaucht, die «wirklich wütend und bestrebt war, Ausländer fertig zu machen.»

Anweisung für Unwetterberichterstattung

Stephen McDonell von der BBC berichtet von einer «klar orchestrierten Kampagne» gegen ausländische Journalisten, wobei es zu Drohungen auch gegen Familienmitglieder komme. McDonell wundert sich: «Man muss sich fragen, wieso die Organe der Kommunistischen Partei dies tun, zumal die (Hochwasser-)Berichterstattung, die ich gesehen habe, doch Sympathien für die Menschen aus Henan weckt.»

Dass ausländische Journalisten selbst von der Berichterstattung einer Naturkatastrophe abgehalten werden sollen, passt jedoch zu dem Klima des wachsenden chinesischen Nationalismus unter Präsident Xi Jinping.

Dazu kommt, dass chinesische Medien von Peking angewiesen sind, über die Opfer und Schäden des Hochwassers lediglich «massgebende» Informationen zu veröffentlichen. Die Berichte sollten laut «The Guardian» «nicht in einer übertrieben sorgenvollen Tonalität gehalten oder dramatisiert sein, noch sollen Verbindungen zu früheren Ereignissen gezogen werden.»

Taifun In-Fa bringt neue Unwetter

Die Zahl der Toten bei den schweren Überschwemmungen in Zentralchina ist mittlerweile auf 69 gestiegen, davon starben sechs Personen in dem gefluteten Tunnel in der Stadt Zhengzhou.

Dabei scheint das Schlimmste noch nicht ausgestanden: Es drohen neue Unwetter durch Taifun In-Fa, der am Sonntag mit stürmischen Winden und heftigen Regenfällen bei der Stadt Zhoushan südlich von Shanghai an der ostchinesischen Küste auf Land traf. Die schwer betroffene Provinz Zhejiang hatte am Samstag bereits die höchste Alarmstufe ausgerufen.

An der Küste wird von fünf bis sieben Meter hohen Wellen berichtet. Die Hafenmetropole Shanghai und andere Flughäfen sagten alle Flüge ab. Auch alle Hochgeschwindigkeitszüge nach Shanghai wurden bis Montagmittag gestrichen. Disneyland und andere Vergnügungsparks wurden geschlossen.

Der sechste Taifun des Jahres soll schwere Niederschläge nach Shanghai und in die dicht bevölkerten Provinzen Zhejiang, Jiangsu und Anhui bringen.

(gux/DPA)

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