«Team Jorge»Manipulieren Cyber-Söldner auch Schweizer Wahlen?
Eine verdeckte Recherche über die illegale Beeinflussung von Wahlen schreckt auf. Experten sind sich einig: Auch in der Schweiz ist die Demokratie in Gefahr.
Darum gehts
Eine Gruppierung in Israel soll mehrere politische Abstimmungen beeinflusst haben.
Dies unter anderem mit Hilfe von Bots und Trollen in den sozialen Medien.
Auch in der Schweiz wäre eine solche Einflussnahme in die Demokratie möglich, sagen mehrere Experten.
Jedoch sei die Schweizer Demokratie weitaus weniger anfällig, als die Systeme anderer Nationen.
Ein Team ehemaliger Mossad-Agenten soll in Dutzenden Fällen Abstimmungen beeinflusst, Minister diskreditiert und Wahlen verhindert haben, indem sie Profile gehackt, Fake News verbreitet und ganze Armeen von Bots und Trollen losgelassen haben. In der Schweiz läuft der Abstimmungskampf für die Parlamentswahlen im Herbst gerade an. Es drängt sich die Frage auf: Wäre eine solche Einflussnahme auch hier möglich, wie das in der Recherche behauptet wird? Eine Einordnung.
«Jeder mit Geld kann die Menschen beeinflussen»
Enigma verkauft in der Schweiz digitale politische Werbekampagnen. Martin Künzi, Chief Experience Officer bei Enigma stellt klar: «Was in der Recherche aufgedeckt wurde, ist höchst illegal und hat nichts mit unseren Praktiken zu tun.» Er sagt aber auch: «Selbstverständlich kann man Menschen online beeinflussen. Das ist mit dem Internet und Social Media viel effizienter geworden.» Heute könne eine einzelne Person mit dem nötigen Geld Zehntausende Menschen gezielt mit den Informationen und Emotionen bedienen, die mit grosser Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass die Menschen danach die gewünschte Entscheidung treffen. «Und ja, diese Entwicklung ist gefährlich», sagt Künzi. Ein Zweiparteiensystem wie in den USA sei aber viel anfälliger als die Schweizer Demokratie.
– Martin Künzi, Chief Experience Officer Enigma
«Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat»
Noch klarer drückt es Martin Steiger aus, Sprecher der Digitalen Gesellschaft Schweiz: «Wir sehen eine erhebliche Gefahr für die Demokratie in der Schweiz. Die Digitalisierung vereinfacht es, Meinungen zu beeinflussen und gleichzeitig spielt sich unsere Demokratie immer mehr im digitalen Raum ab.» Gezeigt habe sich das in der Pandemie und bei den Zürcher Wahlen: «Esoteriker, Impfgegner, Putin-Trolle und Reichsbürger haben ein gemeinsames Feindbild gefunden: Demokratie und Rechtsstaat.» Dass eine Partei wie Aufrecht Schweiz, die «unter anderem von einem bekannten Reichsbürger und Verschwörungserzähler gegründet wurde» in Zürich 2,15 Prozent der Stimmen holen könne, sei bedenklich.
– Martin Steiger, Digitale Gesellschaft Schweiz
«Der Anreiz bei Volksabstimmungen ist gross»
SVP-Nationalrat und IT-Unternehmer Franz Grüter ist nicht überrascht von den Enthüllungen. Auch die Schweiz sei nicht gefeit: «Bei Abstimmungen geht es oft um viel Geld, man denke etwa an die Kampfjet-Beschaffung. Da geht es um Milliarden. Wenn dann 7000 Stimmen Differenz den Ausschlag geben, ist der Anreiz für Manipulationen gross.»
– SVP-Nationalrat Franz Grüter
«Die Schweizer Demokratie ist resilient»
Weniger drastisch sieht das SP-Nationalrätin Min Li Marti: «Es gibt ernstzunehmende Gefahren. Doch in der Schweiz gibt es kaum politische Machtkonzentration und wir haben eine lange demokratische Tradition. Wir sind föderalistisch organisiert, der Bundesrat ist eine Kollegialbehörde. Das macht Einflussnahme und Manipulation schwieriger.» Diese schliesst auch Marti aber nicht aus: «Bei Volksabstimmungen sind die Entscheide ja oft sehr knapp. Da können ein paar Tausend Stimmen den Unterschiede machen, es gibt also durchaus Anreize.»
– Min Li Marti, SP-Nationalrätin
«Gezielte Desinformation kann eine Gefahr sein»
Auch der Bundesrat hat sich schon mit dem Thema auseinandergesetzt. «Von gezielten Desinformationskampagnen kann eine Gefahr für die Meinungsbildung im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen ausgehen», schrieb er 2018. Sowohl private und staatliche Akteure könnten Urheber der Desinformation sein. Beim Nachrichtendienst des Bundes heisst es: «Die Schweiz ist als Staat in Europa und als Teil der westlichen Wertegemeinschaft Ziel von gegen westliche Gesellschaften gerichtete Beeinflussungsaktivitäten.»
– Bundesrat und Nachrichtendienst
Fazit
Grossangelegte Desinformationskampagnen mit illegalen Mitteln sind in der Schweiz noch nicht bekannt. Doch der rasante Aufstieg von Social Media birgt Gefahren für Demokratie und freie Meinungsäusserung. Die Befragten sind sich einig: Es gilt, wachsam zu bleiben.
Glaubst du, dass eine solche Einflussnahme in der Schweiz möglich ist?
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