Ausländerfeindlichkeit in der Schweiz: Juden und Muslime besonders betroffen

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Bundesamt für StatistikDie Schweiz wird wieder ausländerfeindlicher

Seit 2020 haben sich fremdenfeindliche Haltungen gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen in der Schweiz verstärkt, wie eine Erhebung des Bundesamts für Statistik zeigt.

Die Schweiz wird ausländerfeindlicher. Vor allem Muslime, ...
... aber auch Juden sind vermehrt mit Ausländerfeindlichkeit konfrontiert.
Körperliche Angriffe sind ebenfalls keine Seltenheit mehr. Im Bild: Der Ort des Messerangriffs auf einen Juden in Zürich.
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Die Schweiz wird ausländerfeindlicher. Vor allem Muslime, ...

Privat 20min/News-Scout

Darum gehts

  • Seit 2020 nimmt die Ausländerfeindlichkeit in der Schweiz zu, seit 2022 die Feindseligkeit gegenüber Juden und Muslimen.

  • Das Bundesamt für Statistik zeigt eine signifikante Verschiebung hin zu feindseligen Haltungen.

  • Internationale und nationale Ereignisse könnten diesen Trend beeinflussen.

  • Betroffene Gruppen fordern mehr Aufklärungsarbeit, um Vorurteile abzubauen.

In der Schweiz lebten 2024 etwa neun Millionen Menschen – etwa ein Viertel von ihnen sind Ausländer. Darüber hinaus gibt es unzählige Schweizer mit Migrationshintergrund. All das führt dazu, dass im alltäglichen Leben immer wieder unterschiedliche kulturelle Hintergründe aufeinanderprallen.

Wie die Bevölkerung in der Schweiz diese Ausgangslage wahrnimmt, analysiert das Bundesamt für Statistik (BFS) seit mehreren Jahren in der Studie «Zusammenleben in der Schweiz 2024». Die Ergebnisse wurden am Dienstag veröffentlicht. Der Trend, der sich dort abzeichnet, ist eindeutig: Es gibt eine leichte, aber signifikante Verschiebung hin zu mehr fremdenfeindlichen und feindseligen Haltungen gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen, vor allem Juden und Muslimen.

Zunahme seit 2020 messbar

Bei der Ausländerfeindlichkeit – also einer negativen Haltung gegenüber jeglichen ausländischen Personen – ist der Trend laut BFS schon seit der Corona-Pandemie 2020 zu beobachten.

Bei der Feindseligkeit gegenüber Personengruppen, hier unterschieden in Muslimen, Juden und schwarzen Personen, sieht man die Zunahme erst seit 2022:

BfS

Allerdings ist sie immer noch nicht auf dem Stand von 2016, als noch eine deutlich stärke Ablehnung gemessen wurde.

BfS

Die Befragten wurden unter anderem gefragt, ob sie der Aussage, dass Juden, Muslime und schwarze Personen «Menschen mit Stärken und Schwächen wie alle anderen» sind, zustimmen oder diese ablehnen. Bei allen drei Gruppen sieht man einen Rückgang an Zustimmung.

Was die Gründe für diesen Trend sind, darüber möchte man beim BFS nur mutmassen: «Es ist möglich, dass die beobachteten Trends mit den internationalen geopolitischen und den gesellschaftlichen Entwicklungen in der Schweiz zwischen 2022 und 2024 zusammenhängen», heisst es auf Anfrage.

Juden und Muslime spüren Ablehnung vermehrt

Ist dieser Negativ-Trend für die betroffenen Gruppen spürbar? 20 Minuten fragte hierzu sowohl bei der Föderation islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS) sowie beim Schweizerisch Israelitischen Gemeindebund (SIG) nach:

Laut Önder Günes von der FIDS ist eine Zunahme antimuslimischer Ressentiments wahrnehmbar. «Eine Studie hat diesen Effekt kürzlich wissenschaftlich untersucht. Demnach hat jeder dritte Muslim in der Schweiz bereits Diskriminierungserfahrungen gemacht.»

«Jeder dritte Muslim in der Schweiz hat Diskriminierungserfahren gemacht»

Önder Günes

Das gesellschaftliche Klima sei zunehmend von ausländerfeindlichen Sprechweisen geprägt, insbesondere gegenüber Menschen aus dem Nahen Osten. Günes ist überzeugt: «Diese Rhetorik findet nicht nur in politischen Debatten statt, sondern schlägt sich auch in der medialen Berichterstattung nieder, die oft triviale Stereotype verstärkt und weiter verfestigt.» Generell sei zu beobachten, dass antimuslimischer Rassismus in Wellen verlaufe und eng mit gesellschaftlichen Diskursen verknüpft sei.

Um diesem Trend entgegenzuwirken, fordert Günes unter anderem mehr Aufklärungsarbeit auf politischer Ebene, aber auch eine differenzierte und verantwortungsvolle Medienberichterstattung.

Önder Güneş, Pressesprecher der FIDS, wünscht sich mehr Prävention.

Önder Güneş, Pressesprecher der FIDS, wünscht sich mehr Prävention.

Privat

Jonathan Kreutner vom SIG nimmt eine Zunahme an Feindlichkeit gegenüber Juden in der Schweiz wahr. Allerdings sieht er einen anderen Auslöser als Günes: «Seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 gab es eine massive Zunahme antisemitischer Vorfälle in der Schweiz.» Dies zeige, dass auch Ereignisse im In- und Ausland einen Einfluss hätten. Allerdings sei auch im Zeitraum von 2018 bis 2022 eine «leichte, aber stetige Zunahme von Fällen» beobachtbar gewesen.

«Der extreme Höhepunkt war aber der Messerangriff im März 2024 in Zürich, der fast zum Tod des Opfers führte. Und auch 2025 geht es leider so weiter», fügt Kreutner hinzu. Neben körperlichen Angriffen seien Jüdinnen und Juden auch antisemitischen Beschimpfungen in der Öffentlichkeit ausgesetzt. Genau wie Günes ist er davon überzeugt, dass mehr Präventionsarbeit Abhilfe schaffen kann: «Vorurteile entstehen oft durch Unwissen.»

Genauso wie Jonathan Kreutner vom Schweizerisch Israelitischen Gemeindebund.

Genauso wie Jonathan Kreutner vom Schweizerisch Israelitischen Gemeindebund.

Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund SIG

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Rassismus betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Beratungsnetz für Rassismusopfer

GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

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