Erneuerungswahlen 2023: Nach grüner Wahl-Welle sind Junge ernüchtert – Politologe nennt Gründe 

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Erneuerungswahlen 2023Nach grüner Wahl-Welle sind Junge ernüchtert – Politologe nennt Gründe

Corona, der Krieg, die Energiekrise: Viele Themen, die die Menschen beschäftigen, sind politisch. Ob das Einfluss auf die Erneuerungswahlen 2023 hat, muss sich laut Politologe Michael Hermann aber noch zeigen. 

Michael Hermann ist Geschäftsführer von Sotomo und schätzt als Politologe regelmässig Wahlen, Abstimmungen und weitere politische Themen ein.
Laut Hermann wurden viele Menschen in den letzten drei Jahren von Krisen politisiert. Im Bild eine Demo gegen die Corona-Massnahmen in Bern am 9. September 2021. 
Auch Gegner der Gegner der Corona-Massnahmen gingen auf die Strasse. 
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Michael Hermann ist Geschäftsführer von Sotomo und schätzt als Politologe regelmässig Wahlen, Abstimmungen und weitere politische Themen ein.

Sotomo

Darum gehts

Am 22. Oktober 2023 ist für die National- und Ständeräte und ihre Parteien der Tag der Wahrheit: Die Schweiz wählt ein neues Parlament und bestimmt so, wer die Geschicke des Landes die nächsten vier Jahre lenken soll. Am Samstag, exakt ein Jahr vor den Wahlen, haben vier Parteien an den Delegiertenversammlungen ein heisses Wahlkampfjahr lanciert. Michael Hermann kennt die Schweizer Politlandschaft wie kaum ein anderer – für 20 Minuten analysiert er die Ausgangslage.

Kurzer Blick zurück: Was ist an den Wahlen vor drei Jahren passiert?
Die Wahl 2019 war historisch. Selten hat es so grosse Verschiebungen gegeben und erstmals seit Jahrzehnten hat das klassische SVP-Thema Migration nicht mehr gezogen. Die Grünen haben mehr als sechs Prozent Wähleranteile dazugewonnen, auch die GLP konnte mehr als drei Prozent gutmachen. Alle anderen Parteien haben verloren, allen voran die SVP mit minus 3,8 Prozent.

Eine Grüne Welle und ein Linksrutsch also. Wird das nächstes Jahr wieder ausgeglichen?
Das Klima ist nach wie vor ein grosses Thema. Es hat aber einen anderen Charakter: Angesichts der drohenden Energiekrise ist es vom globalen, altruistischen zum Sicherheits- und Versorgungsthema geworden. 2019 waren Umwelt und Klima das Zugpferd von Grünen und GLP. Mittlerweile beschäftigen sich alle Parteien damit, einfach jeweils in etwas anderer Färbung.

«Viele zeitgeistige Themen sind politisch. Die Frage ist, ob sich das auch an den Urnen zeigen wird.» 

Wurde die Schweiz in den letzten drei Jahren stark politisiert?
Ich glaube schon, vor allem die Jungen. Erst kam #metoo, dann das Klima, später Corona und die Frage nach Freiheitsrechten. Aber auch der Krieg und die Diskussion um Sanktionen und die durch den Krieg verursachte Energiekrise: Viele zeitgeistige Themen sind politisch. Die Frage ist, ob sich das auch an den Urnen zeigen wird. In gewissen Fragen sind die Jungen auch bereits wieder ernüchtert, eine gewisse Ratlosigkeit macht sich breit. Gerade im Bereich Klimaaktivismus war vor drei Jahren noch viel mehr Euphorie zu spüren, aber auch die Bewegungen rund um die Corona-Skeptiker haben stark an Fahrt verloren. Menschen sind schnell politisiert, aber fast genauso schnell vergeht ihnen die Lust an der Politik auch wieder.

Zumindest ein Teil der jungen Menschen beginnt aber auch, sich zu engagieren, die Jungparteien wachsen. Welche Rolle spielen sie bei Erneuerungswahlen?
Sie sind nicht zu unterschätzen. Für die Parteien in der Schweiz ist es im Vergleich zu anderen Ländern schwierig, mit klaren Rezepten und Antworten auf Herausforderungen zu punkten, weil die Exekutive, also der Bundesrat, über den Parteien steht. Um sich zu profilieren, ist es deshalb häufig nötig, schnell zu reagieren und die Menschen emotional abzuholen. Darin sind die Jungparteien stark, sie haben ein Gespür für neuartige Entwicklungen, sind unverstellt und können in diesen Themen dann jeweils Vollgas geben.

Es wird der erste Wahlkampf, bei dem die Parteien verpflichtet sind, die Finanzierung offenzulegen. Was erhoffen Sie sich davon?
Die Transparenzvorschriften sind leider nicht sehr griffig. Parlamentarier werden sicher Möglichkeiten suchen, diese zu umgehen, und solche auch finden. Doch selbst wenn die Finanzierung thematisiert wird: Oft rechnen die Wählenden schon damit, dass etwa der Bauernverband oder gewisse Branchen Geld in die Hand nehmen, um ihnen genehme Kandidaten ins Parlament zu bringen. Wirklich für Aufruhr sorgen könnte das Transparenzgesetz wohl nur, wenn Spenden aus einem zweifelhaften Umfeld aufgedeckt würden.

Wer lobbyiert für wen?

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