Kanton BernNach Whatsapp-Nachricht war Carlos seinen Job los
Carlos fragte im Gruppenchat nach Ersatz für seine Schicht – am nächsten Morgen wurde ihm im selben Chat gekündigt. Arbeitsrechtler und Personalexperte kritisieren das Vorgehen.

Wegen harmloser Whatsapp-Nachricht: Barkeeper fliegt aus dem Job – per Gruppenchat.
Getty ImagesDarum gehts
Ein Barkeeper aus dem Kanton Bern wird per Whatsapp-Gruppenchat gekündigt.
Er hatte zuvor im Chat gefragt, ob jemand seine Schicht übernehmen könne.
Zwei Kollegen des Gekündigten traten aus Solidarität ebenfalls zurück.
Der Arbeitgeber erklärt, die Kündigung sei rechtlich korrekt erfolgt.
Ein Arbeitsrechtler sieht die Kündigung im Gruppenchat kritisch und spricht von einer möglichen Persönlichkeitsverletzung.
Carlos* arbeitet seit eineinhalb Jahren an der Bar eines Clubs im Kanton Bern. Vergangene Woche fragte er seine Arbeitskollegen im Whatsapp-Gruppenchat seines Teams, ob jemand seine Schicht übernehmen könne – am nächsten Morgen wurde ihm gekündigt.
«Lieber Carlos, ich möchte mich bei dir für deinen Einsatz bedanken. Ich wünsche dir alles Gute auf dem weiteren Weg», schreibt der Arbeitgeber. Ausgerechnet in denselben Chat, wo alle anderen Mitarbeiter mitlesen können.
«Habe es gar nicht realisiert»
«Ich konnte aus persönlichen Gründen an dem Tag nicht arbeiten», sagt der 36-Jährige zu 20 Minuten. «Das war aber sonst kein Problem, wir haben so etwas einfach in den Gruppenchat geschrieben.» Schlussendlich sei immer jemand eingesprungen. Auch dieses Mal habe er erfolgreich Ersatz gefunden. Doch vom Arbeitgeber kam darauf die Antwort: «Ich möchte das hier im Chat nicht mehr lesen.»

Carlos erhielt am Tag darauf die Kündigung per Whatsapp.
PrivatAm nächsten Morgen entdeckte Carlos, dass ihm im Gruppenchat gekündigt worden war. «Ich war mega enttäuscht. Anfangs habe ich gar nicht realisiert, dass mir gekündet wurde», erzählt er.
Arbeitskollegen kündigen aus Solidarität
Besonders störe ihn, dass der Arbeitgeber ihm im Chat gekündigt hat: «Das ist unfair. Er hätte es mir persönlich sagen können.» Nun steht der Familienvater ohne Job da. «Jeder Mensch braucht Geld. Aber es ist schwierig, etwas zu finden, das man gern macht.»

Eine andere Arbeitskollegin kündigte aus Solidarität.
PrivatZwei seiner Arbeitskollegen kündigten kurz darauf freiwillig. «Wurde ihm nur gekündigt, weil er eine komplett plausible Frage gestellt hat? Das ist alles andere als fair», schrieb eine der Kollegen. Carlos schätze diese Unterstützung sehr: «Es ist selten, dass sich Mitarbeitende so füreinander einsetzen.» Auch aus seinem Umfeld habe er viel Rückhalt erhalten.
«Interne Angelegenheit»
Auf Anfrage von 20 Minuten nimmt der Arbeitgeber Stellung. Weshalb Carlos gekündigt wurde, gibt er nicht bekannt – es handle sich um eine «interne Angelegenheit». Der betroffene Mitarbeiter sei jedoch bereits verwarnt worden.
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Er erklärt, «rechtlich alles sauber gemacht» zu haben und verweist auf sein Recht, einen Mitarbeiter zu entlassen. Es habe sich nicht um eine fristlose Kündigung gehandelt.
«Fragen darf man»
Der Arbeitsrechler Nicolas Facincani schätzt die Situation auf Anfrage ein. «Die Nachfrage im Gruppenchat erachte ich als unproblematisch», sagt Facincani zu 20 Minuten. Es sei «natürlich» so, dass die Mitarbeiter nicht einfach die Schichten selbst abtauschen könnten, schliesslich sei dies fixiert. «Aber fragen darf man», so Facincani.

Nicolas Facincani ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei Voillat Facincani Sutter + Partner und spezialisiert auf Arbeitsrecht.
Kanzlei Voillat Facincani Sutter + PartnerCarlos gibt an, er sei wegen der Nachricht im Gruppenchat entlassen worden. Facincani beurteilt das kritisch: «Die Kündigung aufgrund der Nachfrage im Gruppenchat erachte ich als problematisch. Meines Erachtens hat der Mitarbeiter nichts falsch gemacht.» Für den Arbeitgeber bestehe nun das Risiko, dass die Kündigung in einem Gerichtsfall als missbräuchlich erachtet werden könnte und dem Arbeitnehmer eine Entschädigung zugesprochen werde.
Kündigung im Gruppenchat ist «problematisch»
Ebenfalls kritisiert er die Form der Kündigung. «Die Kündigung, welche im Gruppenchat ausgesprochen und somit gleich allen kommuniziert wird, empfinde ich als problematisch und könnte persönlichkeitsverletzend sein», so Facincani. Da ein Arbeitgeber bei der Kündigung korrekt vorgehen müsse, könne auch die Art und Weise, wie die Kündigung ausgesprochen worden sei, diese missbräuchlich machen.
Sein Fazit: «Der Chef darf kündigen, doch das Motiv und die verpönte Art und Weise der Kündigung machen diese wohl missbräuchlich und berechtigen zu einer Entschädigung. Natürlich sind immer die Umstände des Einzelfalls massgebend.»
«Das geht gar nicht»
Personalexperte Matthias Mölleney vermutet, dass mehr hinter der Kündigung steckt: «Ich glaube grundsätzlich, dass die Kündigung nicht ausschliesslich wegen der Nachfrage erfolgt ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass das der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat», sagt er zu 20 Minuten. «Jemand, der sonst gut arbeitet, muss wegen so etwas sicher nicht mit einer Kündigung rechnen.»

Matthias Mölleney, ehemaliger Personalchef von Swissair und anderen Unternehmen, ist heute Inhaber einer Unternehmensberatung.
privatEs sei jedoch heikel, so eine Angelegenheit in einem Whatsapp-Chat zu besprechen. «Das geht gar nicht», so Mölleney. «Ich finde, das verstösst auch gegen Gesetze betreffend Vertraulichkeit und Datenschutz.» Es sei klar, dass man Gespräche nicht immer in Person durchführen könne. Aber spätestens bei einer Kündigung sollte ein persönliches Gespräch stattfinden.
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