«Satanic Panic»Kanton greift bei psychiatrischer Klinik durch wegen Verschwörungstheorien
Der Kanton Thurgau ergreift aufsichtsrechtliche Massnahmen gegen die Klinik Clienia Littenheid AG. Grund dafür sind Aussagen eines Arztes in einer SRF-Dok.
Das sind die wichtigsten Aussagen aus der SRF-Dok.
SRFDarum gehts
Wie eine SRF-Doku vor rund einem Jahr zeigte, glaubte unter anderem der Oberarzt einer Klinik an eine satanistische Verschwörungstheorie.
Der Mann wurde darauf freigestellt.
Der Kanton Thurgau ergreift nun aufsichtsrechtliche Massnahmen.
Nach einer SRF-Dok über die sogenannte «Satanic Panic»-Verschwörungserzählung kam es zu personellen Konsequenzen. Unter anderem in der Klinik Littenheid. Nun präsentiert der Kanton Thurgau die Resultate seiner Untersuchungen.
Das Departement für Finanzen und Soziales des Kantons Thurgau hatte im Frühjahr 2022 eine Administrativuntersuchung gegen die Privatklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Clienia Littenheid AG eingeleitet. «Die Experten kommen zum Schluss, dass die Verschwörungserzählung ‹rituelle Gewalt/Mind Control› in den Traumatherapie-Stationen der Klinik im untersuchten Zeitraum ein Thema war», heisst es in einer Mitteilung des Kantons vom Freitag. Andere Abteilungen seien nicht betroffen.
Nach den Berichten wurde eine externe Untersuchung in Auftrag gegeben. Dieser zeigt auf, dass vor allem einer der Ärzte ein besonderes Interesse am Thema rituelle Gewalt bis hin zu einer Faszination für satanistische, rituelle Gewalt und Mind Control entwickelt und die Kultur der beiden Traumastationen beeinflusst hat. «Er hat beispielsweise Weiterbildungen zu dem Thema organisiert, über die auch seine vorgesetzte Stelle informiert war. An einer dieser Weiterbildungen hat ein beachtlicher Teil der Belegschaft der Traumatherapie-Stationen teilgenommen und sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt.» Die Verschwörungserzählung sei daher nicht nur in die Therapie eines einzelnen Arztes, sondern in weite Teile der Behandlungen in den Traumastationen eingeflossen.
Zu wenig Sorgfalt bei Aufarbeitung
Zum Ausmass des Glaubens an die Verschwörungstheorie liegen gemäss Untersuchungsbericht unterschiedliche Aussagen vor. Die externen Verfasserinnen und Verfasser des Untersuchungsberichts kommen zum Schluss, dass rituelle Gewalt bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten im untersuchten Zeitraum nicht nur ein Thema war, sondern die Klinik nach Bekanntwerden der Vorwürfe bei deren Aufarbeitung nicht sorgfältig vorging.
Der Untersuchungsbericht enthält laut Kanton neun Empfehlungen zur Klärung und Aufarbeitung. Dazu gehört unter anderem die Prüfung durch die Klinik, ob die Verschwörungserzählung «rituelle Gewalt/Mind Control» Eingang in die Patientenakten gefunden hätte, und gegebenenfalls eine unabhängige Überprüfung der Diagnosen und Therapien aller betroffenen Patienendossiers. Weiters sei die Einrichtung einer unabhängigen Meldestelle für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber sowie die Einrichtung einer Ombudsstelle für Beschwerden von Patientinnen und Patienten zu prüfen.
Strafanzeigen, Bewilligungsentzug, Bussen
Das Departement für Finanzen und Soziales hat aufgrund des Inhalts des Berichts gegen die Klinik aufsichtsrechtliche Massnahmen eingeleitet, die sich an den Empfehlungen des Berichts orientieren. Zudem werden die Berufsausübungsbewilligung eines Arztes entzogen, ein disziplinarischer Verweis und diverse Bussen ausgesprochen. Ausserdem wurden verschiedene Strafanzeigen eingereicht. Sämtliche aufsichtsrechtlichen Massnahmen sind noch nicht rechtskräftig.
Freistellungen per sofort
Die Klink hat am späteren Freitagnachmittag in einer Pressekonferenz Stellung genommen. In einer Medienmitteilung im Nachgang schreibt die Clienia-Gruppe, dass man sich von der ärztlichen Direktorin getrennt habe. «Wir bedauern sehr, dass der Untersuchungsbericht die mediale Berichterstattung in weiten Teilen bestätigt. Leider mussten wir im Verlaufe der Untersuchung feststellen, dass eine kleine Gruppe an Personen auf den beiden Traumastationen an Verschwörungserzählungen glaubten», heisst es im Communiqué. «Eine solche Haltung hat bei uns in der Klinik absolut keinen Platz.» Das gelte auch für Fortbildungen, die in irgendeiner Art und Weise ein solches Gedankengut beinhalten oder auch nur streifen würden.
«Wir haben Fehler gemacht und das tut uns in aller Form leid.» Die aufgedeckten Mängel sollen nun gemäss der im Bericht vorgeschlagenen Empfehlungen behoben werden. Die Untersuchungen haben auch personelle Konsequenzen: «Nachdem wir am Freitag darüber informiert wurden, dass gegen die Chefärztin und ärztliche Direktorin ein Strafverfahren eingeleitet wurde, haben wir uns umgehend von ihr getrennt und sie per sofort freigestellt.»
«Satanic Panic»
Hast du oder hat jemand, den du kennst, ein Trauma erlitten?
Hier findest du Hilfe:
Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858
Angehörige.ch, Beratung und Anlaufstellen
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
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