Karaoke-Boom: Die Schweiz singt wieder

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Karaoke-Boom«Unerwünscht sind nur Leute, die zu gut singen können»

Ob zu Hause mit Freunden oder in der Bar mit Fremden – plötzlich trauen sich alle ans Mikrofon, Karaoke boomt. Fans und Barbetreiber sind sich einig: Peinlich ist das längst nicht mehr.

Immer mehr Menschen singen Karaoke – in Bars und zu Hause. Der Grund: «Es ist so unserious und lustig – einfach feel good für alle», findet Elin (20).
Neue Karaoke-Bars gehen auf und die, die es schon länger gibt, sind regelmässig so gut besucht, dass die Betreiber nicht alle Gäste reinlassen können.
Auch beim Schweizer Onlinehändler Galaxus stiegen die Verkäufe von Karaoke-Sets für zu Hause um 24 Prozent.
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Immer mehr Menschen singen Karaoke – in Bars und zu Hause. Der Grund: «Es ist so unserious und lustig – einfach feel good für alle», findet Elin (20).

20min/jos

Darum gehts

  • Karaoke erlebt einen Boom – sowohl in Bars als auch zu Hause.

  • Der Onlinehändler Galaxus verzeichnet einen Anstieg der Karaoke-Set-Verkäufe um 24 Prozent.

  • Betreiber von Karaokebars berichten von ausgebuchten Abenden und wachsender Nachfrage.

Karaoke boomt – nicht nur im Ausgang. Der Partytrend hält Einzug in die eigenen vier Wände. Verkaufszahlen von Galaxus zeigen: Karaoke-Sets mit Mikrofon, Lautsprecher und Bildschirm lagen nicht nur unter vielen Weihnachtsbäumen, sondern bleiben auch danach gefragt.

Im Januar und Februar dieses Jahres verzeichnete der Schweizer Onlinehändler einen Anstieg der Verkäufe um 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders beliebt ist der Partytrend bei 25- bis 44-Jährigen und bei Frauen.

Wie sauber die Töne getroffen werden, wie gut das Publikum einbezogen wird oder ob der Gesang überhaupt zu hören ist – all das, was eine professionelle Performance ausmacht – scheint beim Karaoke kaum eine Rolle zu spielen. Das wirft die Frage auf: Warum lieben so viele Karaoke – trotz potenzieller Blamage?

«Zu Hause geht immer, in der Bar braucht es etwas Alkohol»

20-Minuten-Leser Sebastian (24), sagt: «In Bars brauche ich zwar etwas Alkohol für den Mut, aber zu Hause mit Freunden singe und performe ich auch gerne ohne.» Kürzlich hat seine Familie von Freunden ein Karaoke-Set geschenkt bekommen.

Auch Elin (20) freut sich über den Karaoke-Boom in der Schweiz. Vor allem in den Karaokebars herrsche eine so gute Stimmung, dass sich alle trauten mitzusingen, und man den Liedern, die es schon gibt, seinen eigenen Twist geben könne. Kurz: «Es ist einfach so unserious und so lustig», sagt sie, als 20 Minuten sich an einem Freitagabend selber ein Bild macht vom Ansturm auf die Karaoke-Bars.

Nathalie (22) und Samira (22) aus Winterthur gefällt beim Karaoke vor allem die gelassene Stimmung – weniger die Leute, die sehr gut singen können.

Nathalie (22) und Samira (22) aus Winterthur gefällt beim Karaoke vor allem die gelassene Stimmung – weniger die Leute, die sehr gut singen können.

20min/jos

Das einzig Unerwünschte: «Leute, die zu gut singen können – dann fühlen sich alle anderen beschissen und wollen nicht mehr singen», sagt Nathalie (22). Ihre Freundin Samira (22) relativiert: «Klar fühlen sich die, die nicht so gut singen, dann etwas als Opfer, aber das Coole ist gerade, dass es niemanden juckt, wie man singt.» Am Ende dürfe jeder singen, müsse aber nicht.

Wer hat Karaoke erfunden?

Von Oldies bis Swifties: Betreiber von Karaokebars erzählen

Neben Technikhändlern profitieren auch Karaoke-Barbetreiber wie Tony Delfino vom Boom: «Als ich vor 20 Jahren anfing, Karaoke-Nächte anzubieten, glaubte mir niemand, dass so etwas in Bern funktionieren würde», sagt der Inhaber der Berner Karaokebar Il Delfino. Und heute? «Die Anfragen für private Karaoke-Partys reichen bereits bis in den August hinein und selbst zu den normalen Öffnungszeiten ist die Bar so voll, dass ich leider oft nicht alle reinlassen kann.» Da Karaoke immer beliebter werde, böten mittlerweile auch viele andere Bars gelegentlich Karaoke.

Tony Delfino feiert dieses Jahr das 20. Jubiläum seiner Karaokebar, nur wenige Gehminuten vom Bundeshaus entfernt. Auch er bemerkt einen Boom von Karaoke in der Schweiz.

Tony Delfino feiert dieses Jahr das 20. Jubiläum seiner Karaokebar, nur wenige Gehminuten vom Bundeshaus entfernt. Auch er bemerkt einen Boom von Karaoke in der Schweiz.

pivat

Am meisten gesungen würden Lieder aus den 80er- und 90er-Jahren sowie Mundarthits wie 079 von Lo & Leduc – auch Taylor Swift, wenn die Swifties dabei seien. Dabei sind aber längst nicht nur alte oder junge Menschen. «Alter ist relativ, nur der Wodka ist absolut – vor allem beim Karaoke», sagt Delfino und fügt hinzu: «Singen befreit die Seele aller und macht gemeinsames Feiern noch besonderer.» Nur drei Gehminuten vom Bundeshaus entfernt seien bei Delfino auch immer wieder Politikerinnen und Politiker zu sehen.

Auch an der Zürcher Langstrasse hat kürzlich eine neue Karaoke-Lounge geöffnet – und die «läuft mega», wie Bleon Isufi, Mitverantwortlicher der Lounge im Raum 84, gegenüber 20 Minuten sagt. Jeden Freitag und Samstag gibt es freien Eintritt. Über einen QR-Code könnten die Gäste dann ihre Wunschlieder auswählen, die anschliessend von einem «leidenschaftlichen Karaoke-Host» abgespielt würden.

Auch die Karaoke-Lounge von Raum 84 setzt seit kurzem auf den Party-Trend: Jeden Freitag- und Samstagabend gibt es hier freien Eintritt.

Auch die Karaoke-Lounge von Raum 84 setzt seit kurzem auf den Party-Trend: Jeden Freitag- und Samstagabend gibt es hier freien Eintritt.

Privat

Dass die Karaoke-Lounge so einschlagen würde, habe sein Team zunächst nicht erwartet, sagt Isufi: «Aber es macht Sinn, dass Karaoke so gut ankommt – es ist lustig, niemand muss sich schämen und man hat einfach eine gute Zeit, mit Freunden und oft auch mit neuen Bekanntschaften.»

Karaoke-Box: Weder zu Hause noch vor Fremden

Als Vocal Coach bemerkte auch Helena De Maertelaere die steigende Nachfrage nach Karaoke-Angeboten: «Einige meiner Kundinnen und Kunden kamen gezielt zu mir, um besser im Karaoke zu werden.» So entstand die Idee einer Karaokehütte, die sie vor vier Monaten gemeinsam mit ihrem Partner Eliad Lienhardt verwirklichte. Die Hütten sind ideal für acht bis zwölf Personen mietbar, lassen sich einfach auf- und abbauen und sind perfekt für Karaoke ausgestattet.

Ein ähnliches Konzept: Karaoke-Boxen – schalldichte Räume, die für private Karaoke-Veranstaltungen genutzt werden können. Ein Beispiel hierfür ist die Yume-Karaoke Box in Adliswil, die seit 2023 geöffnet ist.

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