Wirte zu Zertifikatsausweitung«Kein Rappen Härtefallgeld – aber jetzt soll ich noch Impfpolizei spielen?»
Seit Montag gilt die verschärfte Zertifikatspflicht in Schweizer Restaurants. Vor allem auf dem Land befürchten Wirtinnen und Wirte, dass ihnen die Einnahmen wegbrechen.
Darum gehts
Seit Montag gelten für Restaurants schärfere Auflagen.
Nur noch Personen mit einem gültigen Zertifikat dürfen drinnen Platz nehmen.
Wie hat sich dies bisher auf den Betrieb ausgewirkt?
Offenbar sind die Auswirkungen in ländlichen Gebieten grösser als in der Stadt.
Ins Restaurant darf nur noch, wer ein gültiges Zertifikat vorweisen kann. Diese Regelung müssen Restaurant-Betreibende im ganzen Land seit Montag umsetzen. Viele fürchteten sich vor leeren Speisesälen und abgesagten Banketten. Wurden die Ängste Realität? 20 Minuten hat bei verschiedenen Gastrounternehmen im Kanton Bern nachgefragt. Dabei zeigt sich, dass offenbar grosse Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten bestehen.
«Die Zertifikatsausweitung mag auf dem Papier funktionieren, aber hier oben nicht», sagt Wirtin Daniela Liebi, vom Restaurant Rothorn in Schwanden. Die Berner Oberländerin sorgte für Schlagzeilen, weil sie im Januar aus Verzweiflung den Shut-Down durchbrach. Vor einigen Tagen habe sie eine Gruppe Senioren auf der Terrasse gehabt, als es plötzlich zu regnen anfing: «Sie wollten dann verständlicherweise hinein, hatten jedoch keine Zertifikate bei sich». Solche Situationen seien Alltag für sie – man müsse sich dann jeweils «arrangieren». Sie könne es sich unmöglich leisten, auf Einnahmen zu verzichten: «Bis zum heutigen Tag habe ich keinen Rappen von den Härtefallgeldern vom Staat gesehen.» Dies, obwohl sie immer wieder Formular ausfülle und abschicke, bei den Behörden nachhake, ja sogar schon Regierungsräte in ihrer Verzweiflung angeschrieben habe: «Meine Mutter leiht mir mittlerweile Geld, damit ich zum Coiffeur gehen kann.» Liebi, die nach eigenen Angaben an Long-Covid leidet, fühlt sich vom Staat im Stich gelassen: «Und gleichzeitig soll ich nun Impfpolizei spielen.»
Die Suche nach Informationen
Die Inhaberin eines Restaurants im Emmental möchte anonym bleiben, formuliert es gegenüber 20 Minuten so: «Seit Montag sind hier alle verunsichert und machen, wie sie grad können oder wollen.» Während einige mit voller Absicht und aus Überzeugung auch Personen ohne Zertfikate ins Restaurant liessen, versuchten andere, die Bestimmungen umzusetzen: «Aber viele scheitern, so wie ich. Die nötigen Infos sind nirgends kompakt zu finden.» Ausserdem habe der Bund keine Handhabung gegeben: «Ich weiss noch nicht einmal, was ich für ein Programm downloaden muss, und wie das alles funktioniert», so die Oberländerin. Seit Montag zeichne sich zudem bereits ab, wie viel Geld die Restaurants wegen der neuen Zertifikatspflicht verlieren würden: «Drei Bankette haben diese Woche bereits abgesagt. Auch verzeichnen wir weniger Gäste. Ich habe Angst, dass das für meinen Betrieb der Anfang vom Ende ist.»
In der Stadt bleiben die Wogen unten
Etwas weniger dramatisch klingt die Situation in Betrieben auf städtischen Boden. Aber auch Michel Gygax, Mitbesitzer von KG Gastrokultur und Co-Inhaber mehrerer Restaurants in Bern, spricht von Umsatzeinbussen: «Diese sind hier in der Stadt sicherlich weniger hoch als auf dem Land». Jedoch seien viele Betriebe finanziell am Anschlag, darum sei es wichtig, dass der Bundesrat eine entsprechende Hilfe aufgleise. «Besonders weil die neue Zertifikatspflicht bis mindestens Januar 2022 gelten wird. Es wird eine harte Zeit für viele von uns.» Positiv wertet Gygax hingegen, wie reibungslos der Wechsel am Montag verlief: «Das Zertifikat ist eigentlich ganz einfach zu kontrollieren, es gab kaum Verzögerungen. Ich hatte die Handhabung komplizierter erwartet.»
Der Verband Gastro Stadt Bern sieht die Zertifikatsausweitung ebenfalls positiv. Sprecher Tobias Burkhalter meint sogar: «Die Gästefrequenzen nahmen nicht ab, das Buchungsverhalten wird besser.» Besonders Betriebe auf Stadtboden würden «deutlich mehr» Gäste verzeichne. Der Verband habe nur wenige negative Rückmeldungen erhalten. «Die wenigen Rückmeldungen werte ich aber als gutes Zeichen. Wenn es dramatisch würde, hätte ich viele Feedbacks.» Er glaubt, dass für Gäste die neue Regelung einfacher sei, weil nun für alle die gleichen Regeln gelten würden. Die ausgeweiteten Massnahmen würden zwar einen Mehraufwand für die Betriebe bedeuten, aber: «Letztendlich ist der Aufwand meines Erachtens kleiner und die Freiheiten grösser.» Dies wegen dem Wegfall der Registrationspflicht, Masken und den Trennscheiben.
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