Wirtschaft: Sind Klimaziele out?

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KlimazieleSeit Trump: «Nachhaltige Wirtschaft ist nicht mehr en vogue»

Globale Unsicherheiten verschieben den Fokus der Anleger und Unternehmen weg von Klimazielen und Co. Noch hält die Schweiz allerdings dagegen.

Weg mit Klimazielen und Pariser Abkommen: Nicht nur in der Politik wenden sich viele von ehemaligen Zielen wieder ab. Auch in der Wirtschaft ist das der Fall.
Eine grosse Rolle spielt dabei aber auch die Politik. Unter dem US-Präsidenten Donald Trump wird an den Umweltschutzregulationen gerüttelt.
In der Schweiz allerdings ist der Trend zu mehr Klimaschutz noch im Gange. So verkündete zuletzt Christopher Rohrer, Leiter Direktion Nachhaltigkeit bei der Migros, dass die Detailhändlerin sich anspruchsvolle Ziele setzt.
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Weg mit Klimazielen und Pariser Abkommen: Nicht nur in der Politik wenden sich viele von ehemaligen Zielen wieder ab. Auch in der Wirtschaft ist das der Fall.

IMAGO/NurPhoto

Nachhaltige Wirtschaft: Darum gehts

  • Globale Unsicherheiten lenken den Fokus von Klimazielen ab, besonders seit Trumps Einfluss.

  • In der Schweiz hält der Trend zu mehr Nachhaltigkeit aktuell noch an.

  • Rüstungsunternehmen profitieren derweil von geopolitischen Spannungen, während nachhaltige Initiativen leiden.

Fridays for future, neue Klimaschutzgesetze und ambitionierte Klimaziele bei den Unternehmen: Diese Zeiten scheinen spätestens seit Donald Trumps Wiederwahl vorbei. Gleichzeitig sägt die EU-Kommission am vor wenigen Jahren noch gross beworbenen «Green Deal». Es sieht nach einer Zeitenwende in Wirtschaft und Politik aus.

Doch was passiert hinter den Kulissen und Gesinnungsbekundungen wirklich und wie ökonomisch nachhaltig sind diese Strategiewechsel der Unternehmen? Gian Marco Werro, Aktienanalyst bei der Zürcher Kantonalbank, untersucht mit seinem Team die Nachhaltigkeitsbestrebungen von Schweizer börsenkotierten Unternehmen und verfasst dazu jährlich einen Bericht. Im Gespräch bestätigt Werro den aktuellen Rückwärtstrend. Mittel- und langfristig sieht er aber Hoffnung.

Rüstungsindustrie statt Öko-Unternehmen

Die Abkehr von Klimazielen und -regulationen wird von einigen Unternehmen öffentlichkeitswirksam bekannt gegeben, von vielen aber auch deutlich leiser als es noch bei der Aufnahme der Fall war. «Nachhaltigkeit in der Wirtschaft ist aktuell nicht mehr en Vogue wie auch schon», beschreibt Werro den Wechsel.

Rüstungsunternehmen erleben in der aktuellen geopolitischen Unsicherheit einen Boom.

Rüstungsunternehmen erleben in der aktuellen geopolitischen Unsicherheit einen Boom.

Carsten Rehder/dpa

Der Schwerpunkt der Debatte habe sich verschoben. Stattdessen bestimmen geopolitische und ökonomische Unsicherheiten das Gespräch. Eine Folge: Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall haben ihren Aktienwert in den letzten vier Jahren locker verzehnfacht. «Unternehmen die auf nachhaltige Angebote als Differenzierungsmerkmal gesetzt haben, werden unter der neuen Trump-Regierung in den USA voraussichtlich in den nächsten vier Jahren deutlich weniger Wettbewerbsvorteile durch diese Investitionen erzielen.», so Werro.

Langfristig bleibt der Trend bestehen

Auch wenn Verzögerungen bei der Umsetzung wie etwa beim Europäischen Green Deal in diesem Bereich kurzfristig etwas Druck von den Unternehmen nehmen könnte, zeige der langfristige Trend aber immer noch in Richtung steigender Bedeutung von ESG. «Besonders hier in der Schweiz und in Europa haben wir uns mit offiziellen Zielen Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben. Auch gesellschaftlich haben wir grösstenteils anerkannt, dass in diesem Bereich dringend weitere Fortschritte notwendig sind.»

Das ist ESG

Das Kürzel ESG steht im Fachjargon für Environmental, Social, and Governance, was auf Deutsch so viel wie Umwelt, Soziales und Unternehmensführung bedeutet. Die ESG-Kriterien decken dabei ein breites Feld ab. Dazu gehören neben Umwelt- und Klimavorsätzen auch die Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten sowie ethische Unternehmensführung ab. Unternehmen sollen sich bei ihrem Handeln gemäss der UN möglichst an diesen Kriterien orientieren.

«Wer jetzt nicht auf ESG setzt, riskiert langfristig Umsatzeinbussen, hohe Ausgaben für eine spätere Anpassung und die Sicherheit seiner Lieferkette», so Werro. Aussichten, die auch bei Investoren einen Nerv treffen könnten. Denn trotz des aktuell teilweise abgeflauten Investoreninteresses bleibe der Trend durch den sozialen und medialen Druck bestehen.

«Investoren, die mit nachhaltigen Anlagefonds investieren, bevorzugen Unternehmen, die entweder den Nachhaltigkeitstrend als Geschäftschance nutzen möchten, bereits sehr niedrige Emissionen aufweisen oder durch ihre Bemühungen zur Emissionsreduktion deutlich umweltfreundlicher werden.»

Fortschritte trotz Trump und Co.

Dass Schweizer Unternehmen trotz den jüngsten Gegenwinden weiterhin an ihrer Nachhaltigkeit und Emissionsreduktionen arbeiten, zeigen auch die Ergebnisse des ESG-Kompasses, den Werro mitverfasst hat.  Bei Schweizer börsennotierten Unternehmen haben 2024 im Vergleich zum Vorjahr 13 Prozent mehr Unternehmen Netto-Null-Ziele festgelegt. Auch der Anteil der Unternehmen, die in diesem Bereich bereits gute Fortschritte erzielt haben, ist leicht gestiegen.

Bei den gemessenen CO₂-Emissionen konnten viele Schweizer Unternehmen mit grossem CO₂-Fussabdruck zudem zwischen 2019 und 2023 eine bedeutende Reduktion vorweisen. Dies teilweise auch, weil der Schweizer Staat die Nachhaltigkeits-Anforderungen an die Unternehmen erhöht. Für Werro ein Zeichen, dass der Trend zu mehr Nachhaltigkeit trotz des Widerstands bestehen bleibt.

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