Krankenkassen-Prämien: So erklärt Alain Berset die höheren Prämien

Livetickeraktualisiert am Dienstag, 26. September, 2023

Krankenkassen«Ich bin nicht verantwortlich» – Berset wehrt sich gegen Prämien-Vorwürfe

Gesundheitsminister Alain Berset muss den nächsten Prämienhammer verkünden. Wie stark und wieso die Prämien steigen, erklärt Berset in der Pressekonferenz.

Alain Berset begründet den Prämienansteig für 2024.

20min/Matthias Spicher

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Dienstag, 26.09.2023

Zusammenfassung

Die Krankenkassenprämien steigen im Schnitt um 8,7 Prozent im nächsten Jahr – wobei es Regional bedeutende Unterschiede gibt.

An einer Medienkonferenz begründete der abtretende Gesundheitsminister Alain Berset den Prämienhammer. Er nannte die alternde Bevölkerung und das allgemeine Kostenwachstum als Hauptgründe.

Für die Prämienhöhe sei aber nicht er verantwortlich, meinte er mehrfach. «Ich schicke die Leute nicht ins Spital», sagte er beispielsweise. Die Prämien folgten den Kosten des Gesundheitswesens und die Prämien würden diese Kosten abbilden. Seine Aufgabe sei es, mit seinen Mitteln das Kostenwachstum zu dämpfen.

Berset kritisierte auch die Mediziner: «Auch die Ärzte müssen ihren Teil leisten, sie zeigten sich in der Vergangenheit stur bei Sparmassnahmen».

Man solle sich aber auch als Privatperson fragen, ob ein Arztbesuch wirklich notwendig sei oder nicht, nahm Berset die Bevölkerung in die Verantwortung. «Und wenn ein Arztbesuch notwendig ist, dann muss es ja vielleicht nicht direkt der teure Spezialist sein, sondern erst einmal der Hausarzt», sagte er weiter. Er betonte aber mehrfach, dass er niemanden eine Gesundheitsleistung vorenthalten wolle.

Medienkonferenz beendet

Die Medienkonferenz ist beendet.

Einheitskasse

Ein Journalist will wissen, was Berset von der Idee einer Einheitskasse halte.

Der Bundesrat sei bisher immer klar gegen eine Einheitskasse gewesen: Berset sei aber erstaunt, welche Kreise neben der SP diese Idee in jüngster Zeit unterstützen. Einen Blick in die Zukunft wage er darum nicht.

Welche Verantwortung tragen Sie Herr Berset?

Ein Journalist will wissen, wo Bersets persönliche Verantwortung liege. Grosse Fehler sieht der abtretende Gesundheitsminister aber nicht bei sich. Er habe viel unternommen, um die Prävention von Krankheiten zu verbessern. Das elektronische Patientendossier sei nach einer pandemiebedingten Pause jetzt auf dem Weg ins Parlament, sagte er beispielsweise.

Für die hohen Prämien sei nicht er verantwortlich, entgegnet er sichtlich genervt bei einer Nachfrage des Journalisten. Er sitze hier jedes Jahr, verkünde die Prämien, die ihm die Versicherer meldeten, und arbeite kontinuierlich daran, den Kostenanstieg zu dämpfen.

Tipp für den Nachfolger?

«Ich habe die letzten elf Jahre alles getan, was mir in den Sinn gekommen ist», sagt Berset auf die Frage, ob er einen Tipp für seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger habe, um das Kostenwachstum einzudämmen. Das Schweizer Gesundheitssystem sei hochkomplex, das mache einfache Lösungen schwierig.

Frage nach der Zukunft des Systems

«Welche Massnahmen braucht es für die Zukunft?», will eine Journalistin wissen. «Ich habe versucht, als Diener dabei zu sein, damit sich das System am besten entwickelt», leitet Berset ein. Danach verweist er wieder auf zahlreiche Sparprojekte und Massnahmenpakete der letzten Jahre, wovon einige aber abwechselnd an den diversen Akteuren gescheitert seien.

Eine Revolution brauche es nicht, sondern ein kontinuierliches Weiterentwickeln und Verbessern des Systems. Er sieht aber ein, dass es Probleme gibt, die langsam «zu gross» werden und meint damit vor allem die Prämienlast.

Frage nach dem Mittelstand

«Wie erklären Sie den Prämienanstieg dem Mittelstand, der nicht von Prämienverbilligung profitiert?», will ein Journalist wissen.

Berset verweist auf die Kostendämpfungspakete, welche er in den letzten Jahren schnürte und ins Parlament brachte. Er erklärt auch, warum er sich immer gegen Streichungen beim Leistungskatalog gewehrt habe. Das wäre zwar «eine sehr einfache Massnahme», würde aber zu einer Zweiklassenmedizin führen. Er erklärt damit indirekt auch Ideen der FDP nach einer «Krankenkasse light» eine klare Abfuhr.

Fragerunde eröffnet

Die Fragerunde für die anwesenden Journalistinnen und Journalisten ist eröffnet.

System wird «rege genutzt»

BAG-Direktorin Anne Lévy erklärt den Kostenanstieg vor allem mit dem zunehmenden Alter der Bevölkerung. Die Ausweitung des Angebots sei eine zusätzliche Erklärung. In Gebieten, wo es mehr Spezialisten gebe, hätten diese auch mehr zu tun.

Das Schweizer Gesundheitssystem sei gut, es gebe keine langen Wartezeiten. Wer einen Arzttermin brauche, der bekomme auch einen. Das System werde aber auch «rege genutzt».

Das System sei insgesamt aber komplex, «den einen Kostentreiber gibt es nicht».

Berset kritisert Ärzte

«Das Gesundheitssystem ist uns allen sehr wichtig, aber es ist ein schwer steuerbares System», sagt Berset. «Jeder Akteur, inklusive dem Parlament, muss nun seine Verantwortung wahrnehmen», sagt der SP-Bundesrat weiter.

Berset kritisiert aber auch die Mediziner: «Auch die Ärzte müssen ihren Teil leisten, sie zeigten sich in der Vergangenheit stur bei Sparmassnahmen.» Und zu guter Letzt müsse man sich auch als Privatperson bis zu einem gewissen Punkt fragen, ob ein Arztbesuch wirklich notwendig sei oder nicht – und wenn er notwendig sei, dann müsse es ja vielleicht nicht direkt der teure Spezialist sein, sondern vielleicht tue es auch erst einmal der Hausarzt.

Um die Reserven steht es nicht gut

Auch um die Reserven der Versicherer steht es nicht mehr so gut wie auch schon, sagt Alain Berset. Anfang 2022 hatten die Anstalten 12,1 Milliarden Franken Reserven, während des Jahres gingen diese um fast vier Milliarden Franken auf 8,5 Milliarden zurück. Das sei auch auf Verluste an den Aktienmärkten zurückzuführen. 1,8 Milliarden Franken verloren die Versicherungsunternehmen dort.

Somit steht weniger Geld zur Verfügung, um mit dem Abbau von Reserven den Prämienanstieg zu dämpfen.

«Ich schicke die Leute nicht ins Spital»

In diversen Bereichen des Gesundheitswesens sei es zu Kostensteigerungen gekommen, erklärt Berset. Den grössten Anstieg verzeichnen die Spitäler, um 8,5 Prozent sind dort die Kosten angestiegen. Berset meint aber, es sei nicht er, der die Leute ins Spital schicke.

Kostendämpfung bleibe zentral

Er sei sich bewusst, dass derzeit auch Strom, Lebensmittel und vieles mehr teurer werde, sagt Berset. Die beste Möglichkeit, den Prämienanstieg zu begrenzen, sei, bei den Kosten anzusetzen. «Wir sind dem nicht einfach ausgeliefert», sagt der Gesundheitsminister, der seit elf Jahren im Amt ist.

Prämienhammer von 8,7 Prozent

Die mittlere Prämie wird im Jahr 2024 359.50 Franken pro Monat betragen, was einem Anstieg um 28.70 Franken oder 8,7 Prozent im Vergleich zu 2023 entspricht.

Jetzt geht es los

Bundespräsident Alain Berset (SP) hat den Konferenzssaal des Medienzentrums betreten. Flankiert wird er von Anne Lévy, Direktorin des Bundesamts für Gesundheit (BAG), Thomas Christen, stellvertretender Direktor des BAG und Philipp Muri, Leiter Abteilung Versicherungsaufsicht beim BAG.

Das ist zu erwarten

Die Sorgen um die Krankenkassenprämien gehören zu den grössten Sorgen der Schweizerinnen und Schweizer – das bestätigen Umfragen in regelmässigen Abständen. Dieses Jahr sind die Ängste wohl besonders berechtigt. 

Fachleute befürchten einen regelrechten Prämienhammer, den Gesundheitsminister Alain Berset (SP) am Dienstag um 14 Uhr im Medienzentrum des Bundeshauses wird verkünden müssen. 

Schon im August machte 20 Minuten exklusiv publik, dass die Gesundheitskosten alleine im ersten Halbjahr 2023 um 7,85 Prozent gestiegen sind. Daraus könnte ein Prämienanstieg von bis zu neun Prozent folgen, sagte Santésuisse-Präsidentin Verena Nold. Das Bundesamt für Gesundheit BAG von Alain Berset (SP) versuche noch, die Erhöhung zu dämpfen. Ob dies gelungen ist, zeigt sich heute Nachmittag. 

Besonders die Berner und die Urner müssen mit einem starken Prämienanstieg rechnen, auf einen happigen Prämienschub vorbereiten müssen sich aber auch Neuenburger, Aargauer, Schaffhauser, Thurgauer, Basler und Walliser. Über neun Prozent beträgt der Anstieg der Gesundheitskosten in diesen Kantonen.

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