KreislaufwirtschaftDie ETH will unsere Fäkalien in Energie verwandeln
Die Eawag, das Wasserforschungsinstitut der ETH, sagt: «Abwasser ist kein Abfall, sondern eine wertvolle Ressource.» Sie will aus Urin Dünger gewinnen und Fäkalien zu Pellets oder Biogas umwandeln.
Darum gehts
Im Kampf gegen die durchfallbedingte Kindersterblichkeit haben Bill Gates und seine Ingenieure erforscht, wie aus Abwasser Energie gewonnen werden kann.
Auch die Schweizer Eawag, das Wasserforschungsinstitut der ETH, forscht seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet. Nun will sie ihre Erkenntnisse aus Ländern wie Senegal und Uganda auf die Schweiz übertragen.
Das Ziel: Aus Urin soll Dünger gewonnen werden, Fäkalien können als Pellets, Biogas oder Tierfutter wiederverwendet werden.
Bis zur breiten Anwendung wird es noch dauern. «Unsere Aufgabe als Forscher ist es», sagt Michael Vogel von der Eawag, «der Industrie aufzuzeigen, dass Lösungen machbar sind und dass dafür auch ein Markt besteht.»
Bill Gates stellt sich mit einem Glas voll brauner Masse auf eine Bühne: «Das sind menschliche Fäkalien», lässt er das chinesische Publikum wissen. Es ist nicht das erste Mal, dass der Multimilliardär öffentlich über Kot spricht.
Die Netflix-Doku-Serie «Der Mensch Bill Gates» widmet sich in der ersten Folge dem Kampf des Microsoft-Gründers gegen die Kindersterblichkeit. Seine Ausgangslage: Zwölf Prozent aller Kinder würden sterben, bevor sie fünf Jahre alt sind. Drei Millionen davon an Durchfall. Weltweit haben rund drei Milliarden Menschen keinen Anschluss an eine Kanalisation.
Elektrizität und Wasser aus Kläranlage
Gates machte es sich zur Aufgabe, das Sterben zu stoppen. Gemeinsam mit Ingenieuren entwickelte er eine Anlage, die Abwasser in Strom, Asche und Wasser umwandelt. Dazu wird das Abwasser in einem industriellen Verfahren verdampft. Die Anlage funktioniert ohne Strom- und Wasserzufuhr: Sie wird mit dem Dampf betrieben, der bei der Verbrennung der entwässerten Fäkalien entsteht.
Das Wasser, das beim Verdampfen entstehe, sei sauber und trinkbar, sagen die Entwickler in der Netflix-Serie. Am Ende der Folge schenkt sich Bill Gates ein Glas ein, trinkt und sagt: «Schmeckt wie Wasser.» Inzwischen soll die Anlage ein Drittel des Klärschlamms der Millionenstadt Dakar im Senegal in Energie und Trinkwasser umwandeln.
Auch Schweiz forscht an Abwasser-Nutzung
Nicht nur Bill Gates glaubt an die Kraft des Abwassers: Auch in der Schweiz wird daran geforscht, wie Abwasser wiederverwendet werden kann. «Abwasser ist kein Abfall, sondern eine wertvolle Ressource», schreibt die Eawag, das Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs. Seit bald 30 Jahren erforschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie Abwasser Teil einer Kreislaufwirtschaft werden kann. Das heisst, einer Wirtschaft, die zum Ziel hat, den Verbrauch von Ressourcen auf ein Minimum zu reduzieren und die Materialien so lange und so effizient wie möglich in einem geschlossenen Kreislauf zu nutzen.
Eine Forschungsgruppe der Eawag hat zum Beispiel in den afrikanischen Ländern Uganda und Senegal untersucht, wie aus Fäkalien feste Brennstoffe hergestellt werden können. Die durch Entwässerung gewonnenen Brennstoffe können vor allem von der Industrie genutzt werden: Dort ist der Bedarf hoch und die Gefahr der Übertragung von Krankheitserregern gering.
«Sanitär- und Nährstoffwende»
Im Gegensatz zu vielen einkommensschwachen Ländern sind in der Schweiz 97 Prozent der Haushalte an eine Kläranlage angeschlossen. Trotzdem will die Eawag Erkenntnisse aus Ländern wie Senegal oder Uganda auch in der Schweiz anwenden. Weshalb? Die Eawag spricht von einer Sanitär- und Nährstoffwende.
Heute wird das Abwasser aus Toiletten, Duschen und Spülmaschinen aus den Haushalten in eine zentrale Kläranlage geleitet. Dort wird es gereinigt und aufbereitet. Die Grundidee der Eawag ist es, das häusliche Abwasser noch im Haus in drei Kategorien zu unterteilen: Urin, Schwarz- und Grauwasser. Schwarzwasser ist Wasser, das Fäkalien enthält. Grauwasser ist leicht verschmutztes Wasser, das zum Beispiel beim Duschen anfällt. «Die Technologien dafür werden in der Schweiz erst seit kurzem erforscht», sagt Michael Vogel von der Eawag.
Pellets und Biogas aus Fäkalien
Carina Doll von der Eawag ergänzt in einer Mitteilung: «Abwasser enthält viele wertvolle Ressourcen. Im Urin findet man beispielsweise grosse Mengen an Stickstoff und Phosphor, die als Pflanzendünger wiederverwertet werden können.» Aus Grauwasser könne wieder Wasser für Pflanzen, Toiletten oder auch Duschen gewonnen werden. Und die Fäkalien aus dem Schwarzwasser können – wie bei Bill Gates – zu Pellets verarbeitet und verbrannt werden. So wird aus Abwasser Energie.
Neben Pellets kann aus dem Abwasser auch Biogas, Kompost oder Tierfutter gewonnen werden. Das Potenzial für die Energiegewinnung mit Biogas ist dabei vorhanden, aber begrenzt: «Auf Quartierebene lässt sich so aus dem Abwasser Energie gewinnen», sagt Michael Vogel von der Eawag, «die zwar bei weitem nicht den Energiebedarf der Haushalte deckt, aber vielleicht einen Beitrag zum Kochen oder Heizen leisten kann.»
Das Tierfutter aus Fäkalien wird zum Beispiel für die Zucht von Soldatenfliegen verwendet. Deren Larven werden gefüttert, getrocknet und anschliessend zu Mehl, Fett und Dünger verarbeitet. Das Insektenmehl kann gemäss Wissenschaftlern den Bedarf an Fisch- und Sojamehl senken und so der Überfischung der Meere und dem ausufernden Sojaanbau entgegenwirken.
«Machbare Lösungen aufzeigen»
Wird das Schweizer Abwasser bald Teil der Kreislaufwirtschaft? Bevor Abwasser als Ressource genutzt werden kann, müssen laut Eawag noch technische und rechtliche Hürden überwunden werden. So darf Klärschlamm aus Abwasserreinigungsanlagen heute beispielsweise nur in Kehrichtverbrennungsanlagen und Zementwerken verbrannt werden. «Unsere Aufgabe als Forscher ist es», sagt Michael Vogel, «der Industrie aufzuzeigen, dass Lösungen machbar sind und dass dafür auch ein Markt besteht.»
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