900 bis 1500 FrankenSwiss wegen «Dumpinglöhnen» bei Air Baltic unter Druck
Seit dem Sommer 2022 lagert die Swiss Flüge an die lettische Air Baltic aus. Dort sind die Löhne wesentlich tiefer. Diese Löhne sind mutmasslich nicht gesetzeskonform.
Darum gehts
Seit Monaten lagert die Swiss Flüge an die lettische Airline Air Baltic aus.
Laut Einschätzung des Bundes müsste die Air Baltic den Angestellten Schweizer Löhne zahlen – doch diese verdienen massiv weniger als Schweizer Arbeitskräfte.
Das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich dementiert, in dieser Sache untätig gewesen zu sein.
Zwischen 900 und 1500 Franken: Das sind die Löhne, die das Kabinenpersonal der lettischen Billigairline Air Baltic verdient, die seit Sommer 2022 für die Swiss Flüge durchführt, um den Flugplan zu stabilisieren. Zum Vergleich: Bei der Swiss sind es im Minimum 3400, also bis zu fast viermal soviel. Auch bei den Piloten sind die Unterschiede von 1600 zu 6000 Franken bei neuen Piloten beträchtlich.
«Wir werden durch billige Arbeitskräfte ersetzt», wird Sandrine Nikolic von der Gewerkschaft des Kabinenpersonals Kapers im «SonntagsBlick» zitiert. Der Vertrag mit den Letten müsse revidiert werden. Die Swiss setze Flugzeuge und Besatzungen ein, welche die eigenen Kosten und Preise deutlich unterbieten würden, so Nikolic. Und das sei illegal, wird moniert. Eine Sprecherin der Airline widerspricht: Die Swiss halte sich an die geltenden gesetzlichen Bestimmungen. «Selbstverständlich würden wir lieber alle Flüge selber durchführen», sagt sie. Allerdings mangle es an Triebwerksteilen. So wurde die als Übergangslösung geplante Auslagerung immer wieder verlängert, zuletzt bis Sommer 2024.
Air Baltic müsste Schweizer Löhne zahlen
Die Swiss mietet die Flugzeuge und ihre Besatzungen im sogenannten Wet Lease, mietet also die Maschinen samt den dazugehörigen Crews an. Laut dem «SonntagsBlick» stellte sich zunächst die Frage, ob die Auslagerung der Flüge unter sogenannt grenzüberschreitenden Personalverleih fällt. Dieser ist in der Schweiz verboten.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) stellte als Aufsichtsbehörde im März dieses Jahres fest, dass das Wet Lease kein grenzüberschreitender Personalverleih sei, weil seitens Swiss kein Weisungsrechts über die von Air Baltic eingesetzten Arbeitnehmenden ausgeübt werde. In einer rechtlichen Einschätzung kam das Seco allerdings zum Schluss, dass es sich um eine Entsendung handle. Und dafür gelten Lohnschutzmassnahmen. Sprich: Es müssten Schweizer Löhne bezahlt werden.
Schwere Vorwürfe an die Adresse des AWA
Zuständig für den Gesetzesvollzug ist das Zürcher Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA), das eine Verfügung erlassen müsste. Air Baltic lässt auf Anfrage von 20 Minuten jedoch verlauten, es habe auf offiziellem Wege nichts von den Schweizer Behörden gehört. Man bezahle mehr als den lettischen Durchschnittslohn für eine vergleichbare Position.
«Der Kanton Zürich müsste für Schweizer Löhne sorgen oder das Wet Lease sogar verbieten», sagt Daniel Lampart, Chefökonom des SGB, gegenüber dem «SonntagsBlick». Dabei sei man in der Sache über verschiedene Kanäle vorstellig geworden. Für ihn ist es «schleierhaft», was es hier noch abzuklären gebe: «Zürich weigert sich, Gesetze durchzusetzen», sagt er.
«Amt für Wirtschaft und Arbeit ist nicht untätig»
Das Amt für Wirtschaft und Arbeit wehrt sich gegen den Vorwurf, untätig gewesen zu sein. «Das AWA hat die Abklärungen aufgenommen und die notwendigen Informationen bei Air Baltic eingefordert. Zudem ist das AWA nicht für die Einhaltung der orts- und branchenüblichen Löhne zuständig. Zuständig ist die Tripartite-Kommission. Darin haben Kanton, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen Einsitz», heisst es in einer Medienmitteilung.
Nach einem runden Tisch mit der Swiss hätten sich die Teilnehmenden darauf geeinigt, dass der Sachverhalt der Entsendung nochmals detaillierter geprüft werden müsse. «Das Seco als Aufsichtsbehörde hielt in der Folge an seiner Einschätzung fest, dass es sich beim besagten Wet-Lease-Vertrag um eine Entsendung handelt und hat am 30. Oktober 2023 das AWA mit dem Vollzug beauftragt.» Und nun – nach dem «finalen Entscheid des Seco» – werde das AWA den Entscheid entsprechend vollziehen.
* Update 08.12.2023: Der Artikel wurde aktualisiert und überarbeitet. Es wurde insbesondere ergänzt, dass die Air Baltic, die für die Lohnzahlungen verantwortlich ist, nach eigenen Angaben bisher auf offiziellem Wege noch nicht von den Schweizer Behörden kontaktiert worden ist.