Kühne + NagelLogistik-Riese kehrt Nazi-Vergangenheit unter den Teppich
Obwohl Verstrickungen von Kühne + Nagel mit dem Nazi-Regime schon vor etwa 10 Jahren bekannt wurden, weigert sich Klaus-Michael Kühne, Forschungsergebnisse dazu zu veröffentlichen.
Darum gehts
Der Logistikriese Kühne + Nagel spielte im Zweiten Weltkrieg eine Schlüsselrolle beim Raub jüdischen Eigentums.
Mehrheitsaktionär Klaus-Michael Kühne weigert sich, die NS-Vergangenheit des Unternehmens vollständig aufarbeiten zu lassen.
Eine von ihm in Auftrag gegebene Studie zur Firmengeschichte blieb bis heute unveröffentlicht.
Mit einem geschätzten Vermögen von 36 Milliarden Franken ist Klaus-Michael Kühne der reichste Einwohner der Schweiz. Unter dem heute 87-Jährigen wurde das Familienunternehmen Kühne + Nagel zu einem international führenden Logistiker. Der Hauptsitz befindet sich in Schindellegi SZ.
Ein belastendes Kapitel in der Firmengeschichte betrifft die Zeit des Nationalsozialismus. Kühne + Nagel spielte eine Schlüsselrolle bei der sogenannten «M-Aktion», dem Raub von Möbeln aus Wohnungen deportierter Juden in Westeuropa. Etwa 70'000 Wohnungen in den Niederlanden, Luxemburg, Frankreich und Belgien räumte das Unternehmen aus und hatte quasi ein Monopol auf den Abtransport der Güter, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt.
Jüdischen Miteigentümer rausgeworfen
Kühnes Vater und Onkel, Alfred und Werner Kühne, traten am 1. Mai 1933 in die NSDAP ein. Die beiden übernahmen das Unternehmen nach dem Rauswurf des jüdischen Miteigentümers Adolf Maass und profitierten finanziell stark von Aufträgen des NS-Regimes. Maass und seine Frau wurden später im KZ Auschwitz ermordet.
Doch obwohl diese Verstrickungen bereits vor etwa zehn Jahren bekannt wurden, weigert sich Klaus-Michael Kühne, die Firmengeschichte während der Nazizeit vollständig aufzuarbeiten oder Forschungsergebnisse zu veröffentlichen. Eine Studie, die er selbst in Auftrag gegeben hatte, wurde unterdrückt.
Studie in Auftrag gegeben
Eine Festschrift aus dem Jahr 2015, die zum 125-jährigen Bestehen des Unternehmens erschienen war, behandelte einige der Beziehungen von Kühne + Nagel zum Nazi-Regime. Der Rauswurf von Maass wird darin jedoch beschönigend als freundschaftlicher Akt beschrieben. Die in extrem kleiner Auflage gedruckte Schrift bekamen zudem nur sehr wenige zu Gesicht. Einer der wenigen: Olaf Scholz, der damalige Bürgermeister von Hamburg.

Klaus-Michael Kühne lehnt die Veröffentlichung einer Studie, die er selbst in Auftrag gegeben hat, ab.
imago/Oliver RuhnkeAnfang 2014 beauftragte Klaus-Michael Kühne das «Handelsblatt Research Institute» mit einer Studie zur gesamten Unternehmensgeschichte, gewährte den Forschern Zugang zum Firmenarchiv und versprach wissenschaftliche Unabhängigkeit. Als die Studie jedoch 2015 vorlag, lehnte Kühne die Veröffentlichung ab. Eine wichtige Rolle dabei spielt ein Kapitel über die Rollen seines Vaters und Onkels im Dritten Reich. In einer Telefonkonferenz sagte er, sein Vater sei «kein Nazi» gewesen.
Forscher wollen Kapitel nicht abändern
Als die Forscher sich weigerten, das Kapitel zu ändern, wurde die Veröffentlichung der Studie endgültig gestoppt. Bis heute ist die 180-seitige Studie unveröffentlicht und der Öffentlichkeit nicht zugänglich.
Interessierst du dich für die Nazi-Zeit?
In einem Interview sagte Klaus-Michael Kühne, es sei «merkwürdig», dass man nach 70 Jahren auf diese Geschichte zurückkomme, und äusserte die Meinung, dass «irgendwann mal Gras über die Dinge wachsen» müsse. Zudem behauptete er, viele Firmenarchive seien durch Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg zerstört worden, sodass es keine zusätzlichen Informationen zu den ohnehin schon verfügbaren gäbe. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass Teile der Geschäftsunterlagen aus der Kriegszeit noch existieren, darunter zehn Laufmeter an Akten, die nur mit Genehmigung der Geschäftsleitung eingesehen werden können.
Auch Kunstgegenstände abtransportiert
Weitere Recherchen ergaben, dass Kühne + Nagel nicht nur Möbel, sondern auch Raubkunst aus den Wohnungen deportierter Juden transportierte. Dabei handelte es sich um Werke von berühmten Künstlern wie Picasso, Matisse und Cézanne, die auf dem Weg von Paris nach Deutschland verschwanden. Auch hier verdiente das Unternehmen ordentlich mit.
Die Geschäfte mit dem Naziregime machten Alfred und Werner Kühne zu wohlhabenden Männern. Ihre Verdienste in der NS-Zeit bildeten die Grundlage für den späteren Aufstieg des Unternehmens zu einem der führenden Logistikkonzerne weltweit.
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Jüdische Fürsorge, info@vsjf.ch
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
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