Künstliche IntelligenzBei KI steht die Schweiz auf der Bremse – Kritiker machen Druck
Die EU soll noch dieses Jahr ein Gesetz zur Steuerung und Überwachung von KI-Produkten verabschieden – die Schweiz steht auf der Bremse. Nun gerät der Bund unter Druck.
Künstliche Intelligenz: darum gehts
Die Europäische Union will bis Ende Jahr eine Regulation für künstliche Intelligenz festlegen.
In der Schweiz lässt sich der Bund hingegen noch Zeit.
Die fehlende KI-Strategie in der Schweiz führt seitens Wissenschaft, Forschung und Politik zu Kritik.
Künstliche Intelligenz wird bereits heute verbreitet eingesetzt: Etwa bei der Gesichtserkennung in deinem Smartphone, beim Scannen deines Lebenslaufes, mit dem du dich bei deinem Traumjob beworben hast oder bei nervigen Kundendienst-Chatbots.
Während die EU mit dem «AI Act» bis Ende Jahr eine KI-Regulierung festlegen will, wartet die Schweiz derweil noch ab. Das sorgt für Kritik.
Fehlende Strategie signalisiere falsche Unwichtigkeit
«Mit dem steigenden Einfluss von KI-Systemen auf alle Aspekte unseres Alltags ist es immens wichtig, dass wir uns als Gesellschaft Gedanken darüber machen, wie wir mit dieser Technologie umgehen wollen», sagt Thilo Stadelmann, Leiter des Centre for Artificial Intelligence an der ZHAW.
Vor diesem Hintergrund sei die fehlende KI-Strategie der Schweiz vor allem deshalb fatal, da sie das Signal sende, das Thema sei nicht wichtig, so Stadelmann. «Nichts könnte ferner liegen. Nichts beeinflusst unsere Gesellschaft momentan in einem solchen Tempo so tiefgehend.»
Auswirkungen der KI sollen reguliert werden
Angela Müller, Leiterin des Forschungs-NGOs «Algorithm Watch Schweiz», betont, dass sich die KI heute nicht in einem völlig rechtsfreien Raum bewege. «Es tun sich jedoch Lücken auf – das ist problematisch», so Müller. Sie kritisiert, dass der Schweiz eine klare Strategie fehlt, wohin es mit der KI gehen solle.
Bereits heute wird KI etwa eingesetzt, um Lebensläufe zu scannen, Mausklicks am Arbeitsplatz zu tracken oder Verbrechen vorherzusagen. Müller fordert eine Regulierung der Auswirkungen von KI. So soll verhindert werden, dass sich Ungerechtigkeiten verschärfen oder Machtgefälle ausgenutzt werden.
Bundesamt für Kommunikation wehrt sich
Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) teilt die Einschätzung nicht, dass der Bund in Sachen KI hinterherhinkt. «Das Thema hat für ihn hohe Priorität und verschiedene Bundesstellen beschäftigen sich seit Jahren intensiv mit den Entwicklungen, Chancen und Risiken im Bereich der KI», so ein Sprecher. Die Schweiz zähle in der KI-Forschung weltweit zu den Top-Standorten – Ziel sei es, hier den Anschluss zu halten. Zudem habe der Bund bereits Massnahmen getroffen, um einen verantwortungsvollen und ethischen Umgang mit KI sicherzustellen und die Grundrechte zu garantieren. Und: Das neue Datenschutzgesetz, das am 1. September in Kraft tritt, decke bereits kritische Bereiche ab, in denen KI zur Anwendung kommt.
Schweiz kennt ihre KI-Interessen gar nicht
Auch das Programm «Science und Tech» des Thinktanks «foraus» kritisiert die fehlende KI-Strategie und warnt davor, dass der europäische «AI-Act» auch Schweizer Unternehmen betreffen wird. «Die Schweiz wird sich der EU wohl unterordnen, aber ihre Interessen grösstenteils nicht im EU-Parlament vertreten können», sagt Alina Begley, Co-Autorin des KI-Briefings von «foraus».
Auch wenn die Schweiz sich gegenüber dem EU-Parlament äussern könnte, würde das nicht viel bringen. Denn: «Die Schweiz kennt ihre eigenen Interessen in Sachen künstlicher Intelligenz gar nicht, weil es hierzu noch keine Strategie gibt», so Begley.
Regulierungen oder Innovation – politische Meinungen spalten sich
SVP-Nationalrat und IT-Unternehmer Franz Grüter stört sich weniger an den fehlenden Regulierungen. «In der EU dreht sich alles nur darum – aber niemand stellt die Frage, wie wir bei der KI-Thematik zuvorderst dabeibleiben. Viel wichtiger erscheint mir also, mehr in die Innovation zu investieren und diese zu fördern», sagt er.
Er befürchte, dass die Schweiz sowie die EU sonst in Abhängigkeit der Grossmächte gerieten. «Ich wünsche mir, dass wir für die KI etwas Ähnliches wie das Crypto Valley im Kanton Zug ins Leben rufen», sagt der SVP-Nationalrat. Also ein Cluster an Firmen, die im Bereich der KI tätig sind, dazu forschen und Produkte entwickeln.
Anders sieht das die Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter. «Es ist nicht neu, dass die Schweiz zuerst zuschaut, was die EU macht, und dann erst nachzieht – ich würde mir aber wünschen, dass wir als Innovations- und Bildungshub hier auch mal vorausgehen könnten.»
Sie finde es sehr wichtig, dass der Einsatz von KI reguliert werde. «Im Sinne des Vorsorgeprinzips sollten wir hier von Anfang an dabei sein und mitbestimmen, wo wir mit der KI hinwollen», so Schlatter.
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