IT-Firma schlägt Alarm«In Sachen KI laufen wir Gefahr, abgehängt zu werden»
Ausgerechnet das Innovationsland Schweiz hat es verschlafen, den gewinnbringenden Umgang mit künstlicher Intelligenz zu lernen. Dies schadet langfristig unserem Lebensstandard, warnt Digitalisierungsriese Cisco.
KI: Darum gehts
Die Schweiz verliert bei der gewinnbringenden Nutzung von KI an Boden, warnt IT-Firma Cisco.
Schweizer Unternehmen sind gemäss einer Studie bei der KI-Strategie führend, bei Infrastruktur schwach.
Nur 35 Prozent der Firmen fühlen sich gut auf KI vorbereitet, weit hinter anderen Ländern.
Ein Cisco-Experte sieht dringenden Handlungsbedarf, um den Lebensstandard zu sichern.
Die Schweiz ist in Sachen Innovation etwa das, was Real Madrid in der Champions League ist: Rekordsieger und Liga-Krösus. Mehr noch: Während die Königlichen «nur» sechs der letzten elf Austragungen gewonnen haben, wurde die Schweiz dieses Jahr von der UNO zum 14. Mal in Folge zum innovativsten Land der Welt gewählt. Diesen Herbst kriseln nun offenbar aber beide: Während Real Madrid um das europäische Überwintern zittert, muss auch die Schweiz für einmal vom hohen Treppchen absteigen.
Und dies weniger überraschend als zunächst gedacht: Bereits die UNO-Studie im September zeigte auf, dass die Schweizer Wirtschaft in der innovativen Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien an Boden verloren hat (weltweit Rang 36). Die Hardware- und Software-Firma Cisco nennt mit einer eigenen Studie das Kind nun beim Namen: Die Schweizer Unternehmen hinken in der sogenannten «KI Readiness» im internationalen Vergleich deutlich hinterher.
Cisco «AI Readiness Index»
Es fehlt an Infrastruktur für KI
Die Ergebnisse zeigen schonungslos auf: Während Schweizer Unternehmen bei KI-Strategie und -Talenten europaweit führend sind, hapert es beispielsweise bei der Infrastruktur. Nur 35 Prozent gaben an, gut auf KI-Anforderungen vorbereitet zu sein – weit hinter den USA (56 Prozent). Nur gerade acht Prozent sehen sich vollständig vorbereitet. Im europäischen Vergleich liegt man in dieser Kategorie zusammen mit Italien nur gerade auf Rang vier, hinter England, Deutschland und Spanien.
«Von neun Märkten ist die Schweiz nur gerade Mittelmass», erklärt Garif Yalak. Er hat als Mitglied der Geschäftsleitung die Studie lanciert und verantwortet bei Cisco eine Initiative zur digitalen Entwicklung der Schweiz. Zudem fehlt es offenbar an einer starken KI-Kultur: Nur 26 Prozent der Firmen bewerten sich hier gut, verglichen mit 41 Prozent in Deutschland oder 47 Prozent in den USA. Am schlimmsten steht es allerdings um die Datennutzung bzw. Datenauswertung. Dabei ist die Schweiz europaweit nur auf Rang sechs von neun.

Garif Yalak: Director Country Digital Acceleration Switzerland bei Cisco.
Cisco«Das ist ein Wake-up-Call»
Für den Spezialisten gibt es hierfür einen einfachen Grund: «Mit öffentlichkeitswirksamen Pilotprojekten werden zwar jede Menge Daten gesammelt und das Potenzial der Digitalisierung aufgezeigt, nur können wir diese noch nicht in der breiten Praxis umsetzen.» So laufe die Schweiz Gefahr, in Sachen KI abgehängt zu werden. Yalak stellt klar: «Für mich ist das ein Wake-up-Call.»
Gleichzeitig nennt er ein einschlägiges Beispiel: «Das Gesundheitswesen.» Die Schweiz sammle zwar Patientendaten aller Art, aber nur schon über Kantonsgrenzen hinweg könne man diese nicht sinnvoll verwenden – da hinke man anderen Ländern deutlich hinterher.
Nutzt du KI bei der Arbeit?
Alfred Escher der künstlichen Intelligenz
Die Verantwortung nur bei der Politik zu verorten, sei dennoch fehl am Platz, findet Yalak. Er nimmt die Unternehmen genauso in die Pflicht: «Infrastruktur ist immer die Basis für alles, da braucht es jetzt einen Schritt nach vorne.» Dafür sei Visionärskraft aus dem Unternehmertum gefragt.
Er zieht einen historischen Vergleich: «Anfang 19. Jahrhundert war Europa führend, was die Bahninfrastruktur anbelangt, doch die Schweiz war noch gar nirgends.» Wenige Jahre später sei dann die Basis dafür, dass die Schweiz heute weltweit führend in Sachen Eisenbahn ist, gelegt gewesen. Yalak: «Möglich machten es wenige Visionäre um den Industriellen Alfred Escher, das müsste nun auch in Sachen künstliche Intelligenz passieren.»
Optimismus oder tieferer Lebensstandard?
Noch ist der Zug also nicht ganz abgefahren. So haben 99,5 Prozent der Unternehmen angegeben, dass die Dringlichkeit, KI einzuführen, rapide zugenommen habe. 48 Prozent gaben an, mittlerweile zehn bis 30 Prozent ihres IT-Budgets in KI-Projekte zu investieren. 34 Prozent der befragten Firmen sehen sich inzwischen bereit, das Potenzial von KI gut oder sehr gut auszuschöpfen. 2023 waren es noch 24 Prozent.
Es gibt also durchaus Grund für etwas Optimismus. Immerhin. Denn die Konsequenzen weiteren Verschlafens wären schwerwiegend: «Verlieren wir weiter an Boden, schadet das unserem Wirtschaftsstandort enorm», so Yalak. Etwas konkreter: «Firmen würden abwandern, Stellen gingen verloren und der allgemeine Lebensstandard sänke.» Und der Status vom Krösus ginge bald verloren. Bis jetzt ist es nur eine schwache Saison.
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