OvertourismBerner Oberländer Touristenmagnet will strenge Regeln einführen
Lauterbrunnens Infrastruktur platzt wegen der Touristenmassen aus allen Nähten. Am Mittwochabend wurde an einer Bezirksversammlung über das Thema debattiert.
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Schluss der Versammlung
Overtourism beschäftigt die Bevölkerung in den Ferienregionen sehr, im Moment stehen Lösungsansätze im Bereich Digitalisierung, Besucherbegrenzung und Parkregulierung im Vordergrund.
Abschliessend meldet sich ein Bewohner mit einer Bitte an den Gemeinderat: «Die letzte Stunde habe ich mich so gefühlt, als wäre das hier die Betriebsversammlung eines Freizeitparks. Bitte vergessen Sie nicht: Wir leben hier, wir erleben das alles jeden Tag. Wir können nicht einfach weggehen.» Er spüre eine allgemeine Ratlosigkeit im Dorf. Der Saal klatscht.
20 Minuten verlässt die Bezirksversammlung. Vielen Dank fürs Mitlesen!
Fernwärme, Ausbau der Ortsdurchfahrt
Nun werden lokale Bauprojekte wie die Ausweitung der Fernwärme und der Ausbau der Ortsdurchfahrt präsentiert und diskutiert.
Machbare Lösungen für Camper gesucht
Als Lösungsidee schlägt Näpfli vor, weitere Camper-Stellplätze etwas weiter ausserhalb der Innenstadt aufzubauen. Das benötige zwar noch weitere Infrastruktur, Sanitäranlagen, aber würde das Zentrum entlasten. Eine Bewohnerin merkt an, dass das nur weitere Camper anziehen. Ob nicht eine Barriere installiert werden könne, die die Besucherzahlen beschränkt.
Der Gemeindepräsident antwortet, dass dies bereits seit Jahren diskutiert werde. Eine Schranke oder Barriere auf der Kantonsstrasse zu installieren sei schlichtweg nicht machbar. «Wir müssen nach machbaren Lösungen suchen», sagt er.
Problem auch in Grindelwald
Der Gemeindepräsident verweist auf einen Grindelwalder, der die Situation dort als ähnlich beschreibt. Es gestalte sich schwierig, zu kontrollieren, ob fortgeschickte Camper wirklich das Areal verlassen. «Das Problem ist der Mensch», sagt er.
Überall wird gecampt
Seit der Corona-Pandemie gebe es zudem deutlich mehr Camper auf der Suche nach Standplätzen. Sie halten sich, laut Näpflin, oft nicht an die Parkregulierungen. Er zeigt ein Bild, auf dem ein Camper seine Liege auf einem Fussgängerweg neben einem Aufsteller aufgestellt hat und seinen Schlafplatz sichtlich geniesst.
Der Saal lacht
Gemeindepräsident Näpflin übernimmt wieder. Die Situation auf der schmalen alten Stechelbergstrasse, am Staubbach und am Friedhof, sei besonders schwierig. Es sei überfüllt und Gäste würden auf Grasflächen Fotos schiessen oder den Verkehr behindern.
Er schlägt vor: «Dort müssen wir ein Fahrverbot einführen», sagt er. Daraufhin bricht im Saal Gelächter aus. Es gebe zwar bereits Schilder, welche jedoch tagtäglich von Gästen ignoriert werden würden. Er schlägt vor, eine Schranke oder Ähnliches aufzustellen.
Fotos auf Social Media
Gemeinderat Thomas Durrer zeigt eine Grafik, die zeigt, dass vor allem Gäste aus Europa und Amerika und aus der Schweiz selbst kommen. Schöne Bilder, die von Besuchenden oder Influencerinnen und Influencern auf Social Media gepostet werden, verstärken die Werbung.
«So wie in Venedig»
Auf den Tagesgast könne Lauterbrunnen zwar nicht verzichten, aber sie wollen in längere Aufenthalte und Ganzjahrestourismus investieren. Als weitere Ideen präsentiert er höhere Parkplatzpreise oder das Einführen von Gebühren für Tagesbesuche, «so wie in Venedig», sagt er. Er betont, dass hierfür jedoch die Gesetzesgrundlage in der Schweiz noch fehle.
«Hier ist es voll, fahr doch dort hin»
Er beschreibt das Ziel, digitale Methoden besser zu nutzen, um die Gäste effizienter zu lenken. Durch Anzeigen auf Google könnte den Touristinnen und Touristen signalisiert werden, wenn eine Destination überlaufen ist.
«Wenn es hier voll ist, geh doch dorthin, da gibt es auch attraktive Angebote», sagt er. In dem Bereich gebe es noch Verbesserungspotenzial.
Einzigartig wie die ägyptischen Pyramiden
«Wir sind zu 100 Prozent vom Tourismus abhängig», sagt der Gemeinderat Marc Ungerer. Er spricht vom Lauterbrunnental als einzigartige Region, so wie die ägyptischen Pyramiden, und als Marke. «Die Einzigartigkeit des Lauterbrunnental zieht die Touristen, selbst ohne dass wir Werbung machen, an», sagt er.
Übervolle Parkplätze
Näpflin präsentiert Bilder mit überlaufenen Trottoirs und Strassen. «Das bringt uns an den Anschlag», sagt er. Die Infrastruktur sei für solche Zahlen nicht ausgelegt.
Er beschreibt das Beispiel, das am Pfingstsonntag 2023 die Parkplätze bei der Kirche vier mal so voll belegt waren wie sonst.
Kuriose Situationen
«Nach der Pandemie kamen sehr viele Touristen ins Tal, und diesen Sommer noch mehr», beginnt Näpflin die Versammlung. «Einige Touristen, die wohl nicht so gut Autofahren können», sagt er in Anspielung auf die kuriosen Situationen, die immer wieder in Touristengebieten beobachtet werden.
In Kürze beginnt die Versammlung
In Kürze beginnt die Bezirksversammlung in Lauterbrunnen. Der Saal ist rappelvoll, junge und alte Bewohnerinnen und Bewohner unterhalten sich lautstark. Der Gemeindepräsident Karl Näpflin und fünf weitere Ratsmitglieder sitzen den Anwesenden gegenüber.
Overtourism: Lauterbrunnen schlägt Alarm
Lauterbrunnen ächzt momentan unter der Belastung durch den Tourismus. Die Infrastruktur ist laut Gemeinderat überlastet, Übernachtungsmöglichkeiten sind regelmässig ausgebucht. Und für die Bevölkerung ist der Wohnraum kaum mehr bezahlbar, weil viele Wohnungen verkauft und zu Zweitwohnungen gemacht oder auf Airbnb vermietet werden.
Lauterbrunner erzählten gegenüber 20 Minuten, wie sie den Tourismus erleben. Die Popularität von Lauterbrunnen in der Welt habe negative, aber auch positive Seiten. Dass man kaum etwas zum Wohnen findet, sei aber ein grosses Problem.
20 Minuten nimmt an der heutigen Bezirksversammlung um 20 Uhr teil und tickert live.