«Kein Verständnis»Queere demonstrieren für Gaza – obwohl sie dort verfolgt würden
In den sozialen Medien kursieren Bilder von «Free Palestine»-Demonstrationen, an denen sich Teilnehmer als queer zu erkennen geben. Dabei wird die LGBT-Community in den palästinensischen Gebieten offen diskriminiert.
Darum gehts
Auf Pro-Palästina-Kundgebungen in verschiedenen Ländern sind immer wieder Regenbogenflaggen und «Queers for Palestine»-Schilder zu sehen.
Das irritiert viele: Im Gazastreifen sind gleichgeschlechtliche Beziehungen verboten, es kommt immer wieder zu homo- und transfeindlichen Angriffen.
Solidarität gegenüber dem palästinensischen Volk heisse aber nicht Solidarität mit der Autonomiebehörde, geschweige denn Hamas, sagt die Sprecherin von Amnesty International.
In den letzten Wochen fanden an vielen Orten der Welt Pro-Palästina-Kundgebungen statt. Seither kursieren im Internet immer wieder Videos und Fotos von regenbogenfarbenen Palästinaflaggen und Schildern mit Aufschriften wie «Queers for Palestine».
Was daran viele irritiert: In palästinensischen Gebieten selbst müssten LGBT-Personen vielerorts um ihr Leben fürchten. Der deutsche CDU-Politiker Armin Laschet sagte kürzlich zur «Neuen Osnabrücker Zeitung»: «Dass bei einer pro-palästinensischen Demonstration ‹Queers for Palestine› mitlaufen, dafür fehlt mir jedes Verständnis.»
«Es sind viele LGBTQI-Leute nach Israel geflüchtet»
Man möge sich nicht vorstellen, was mit einem Menschen aus der LGBT-Szene, der sich nur eine Stunde im Herrschaftsgebiet der Hamas aufhalten würde, passieren würde. «Sie werden es nicht überleben, mit einer Regenbogenfahne durch Gaza zu laufen», so Laschet. Man könne die Besatzungspolitik Israels kritisieren, aber es sei das einzige Land in der Region, wo Diversität und Demokratie gelebt werden.
Auch Seyran Ates, Gründerin der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin, findet Solidaritätserklärungen wie «Queers for Palestine» total unverständlich. «Es sind ja viele LGBTQI-Leute aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen nach Israel geflüchtet, weil sie dort sicherer leben konnten, und manche wurden von ihren muslimischen Familien zurückgelockt und getötet», sagt sie im Interview mit der NZZ. Die Hamas kenne nur zwei Geschlechter, das werde von diesen Demonstranten anscheinend ausgeblendet.
Gleichgeschlechtliche Beziehungen sind in Gaza verboten
Nathalie Wenger, Sprecherin von Amnesty International, bestätigt, dass LGBT-Personen in vielen Ländern der Region in einer sehr schwierigen Situation sind. «Die Kritik an den Behörden ist berechtigt», sagt sie.
Im Gazastreifen seien gleichgeschlechtliche Beziehungen nach wie vor verboten, es komme immer wieder zu homo- und transfeindlichen Drohungen und Angriffen auf LGBT-Personen. «Die Behörden unternehmen nichts, um diese zu verhindern oder die Verantwortlichen zu verfolgen.»
«Solidarität mit dem Volk heisst nicht Solidarität mit der Autonomiebehörde»
Das zeige auch ein Beispiel aus dem letzten Jahr: «Am 9. Juli 2022 sahen die palästinensischen Sicherheitskräfte tatenlos zu, wie eine aufgebrachte Menschenmenge auf Kinder und Jugendliche losging, die an einer vom Ashtar-Theater in Ramallah organisierten Parade mit Regenbogenflaggen teilnahmen.»
Wenger betont aber auch: «Die Solidarität gegenüber dem palästinensischen Volk heisst nicht Solidarität mit der Autonomiebehörde, geschweige denn mit Hamas oder anderen militanten Gruppen und deren Taten.»
Der Schweizerische Schwulenverband Pink Cross und die Lesbenorganisation Schweiz wollten auf Anfrage von 20 Minuten keine Stellung zum Thema nehmen.
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