Tinder & Co.Frauengruppen bewerten Dating-Profile – machen sie sich strafbar?
Drogenkonsum, Aussehen, Lust auf Sex: All das bewerten Frauengruppen online an Dating-Profilen von Männern. Die Organisatorinnen sprechen von «Safe Spaces» – doch sie machen sich womöglich strafbar.
Darum gehts:
Um herauszufinden, ob sie die gleichen Typen daten, haben Frauen weltweit Facebook-Gruppen namens «Are we dating the same guy?» erstellt.
Darin tauschen sie sich über ihre Datingpartner aus und warnen vor potenziellen Casanovas.
Die Gruppen seien ein Safe Space für Frauen, so ein Gruppen-Admin.
Das Teilen von sensiblen Daten sei heikel, sagt eine Anwältin.
Wer auf Datingplattformen unterwegs ist, kennt es: Die Frage, ob die Person, mit der man schreibt und ein Date möchte, auch die ist, für die er oder sie sich ausgibt. Darum tauschen sich weltweit Tausende von Frauen auf Facebook über Männer aus, mit denen sie ausgehen oder schreiben.
Und auch auf die Schweiz ist der Trend übergeschwappt: Etwa «Are we dating the same guy – Switzerland Edition» gibt es seit Anfang Jahr und hat bereits 2000 Mitglieder. Die Zürich Edition wurde Ende März erstellt und hat mehr als 700 Mitglieder.
Die Gruppen bezeichnen sich als Ort des Zusammenhalts und der Stärkung der Frauen. In den Gruppenbeschreibungen steht, dass der Ort helfen solle, um Frauen vor Lügnern, Betrügern und gar häuslicher Gewalt zu bewahren. «In meiner Stadt helfen solche Gruppen, dass Frauen sich sicherer fühlen», schreibt zum Beispiel eine Userin unter ein Video auf Tiktok.
In den Gruppen ist das Vorgehen in der Regel wie folgt: Gruppenmitglieder posten einen Screenshot eines Profils von einer Dating-App und fragen in die Runde, ob jemand die Person kennt. Andere Mitglieder teilen in den Kommentaren ihre Erfahrungen. In anderen Fällen posten die Frauen direkt ihre Erlebnisse mit bestimmten Männern und warnen die anderen Gruppenmitglieder vor ihnen.
Name, Alter, Wohnort: Alles wird geteilt
Allerdings werden die Gruppen auch stark kritisiert. Denn es werden auch persönliche Details über Männer preisgegeben: Arbeitgeber, Telefonnummern, Gesundheitsinformationen, Wohnorte und mehr. Das geht bis in intimste Details, wie eine Recherche von 20 Minuten zeigt. Rechtlich ist dies heikel, wie eine Expertin im Interview sagt (siehe unten).
In einer Schweizer Gruppe wird etwa ein muskulöser Mann diskutiert. Eine Userin schreibt zu dem Beitrag «Achtung vor diesem Typen. Er will nicht ‹eines Tages ein Kind›, er hat schon eins.» Darauf schreibt eine andere Userin: «Er sagte mir, er hatte eine Vasektomie.» Eine Dritte kommentiert: «Ich hatte einen Videocall mit ihm. Darauf sah er pummeliger aus.»
Hat eine Person, die du gedatet hast, ohne dein Wissen auch andere Personen gedatet?
Jemand anderes schreibt zu einem Screenshot: «Manuel* von Tinder, lustiger Typ, aber nimmt Drogen, vor allem offen für One-Night-Stands». Eine andere Frau warnt vor einem Mann: «Respektiert die Grenzen von Frauen nicht. Er denkt, wenn er dir einen Cocktail bezahlt, schuldest du ihm einen Kuss – und wenn er dich zum Abendessen einlädt, schuldest du ihm deinen Körper.»
Aber viele Frauen nutzen die Gruppe, wofür sie vorgesehen ist, um andere Frauen vor Männern zu warnen: «Seid vorsichtig mit diesem Typ. Er drohte, wenn er nicht bekommt, was er will … Ich sah meine Freundin leiden und konnte ihr nicht helfen», schreibt eine anonyme Userin unter ein Bild von einem Mann.
«Er lässt dich glauben, du seist die Einzige»
Eine andere Person postet drei Bilder von einem jungen Typen und schreibt: «Das ist R.* aus S.* Er lässt dich glauben, du seist die Einzige, während er mehrere Frauen datet.» Auf Richtigkeit überprüfen lassen sich die Warnungen und Kommentare der meist anonymen Gruppenmitglieder nicht.
Durch eine kurze Recherche findet 20 Minuten die Kontaktdaten eines Mannes, der von einer anonymen Userin als «Lügner» betitelt wurde. Er sei aus allen Wolken gefallen, als er dies erfahren habe, so der Mann gegenüber 20 Minuten. Ausserdem liest du hier das Gespräch mit einer Betreiberin einer solchen Gruppe in der Schweiz. Sie erzählt, was die Idee hinter der Gruppe ist und warum er ein Safe Space für Frauen sein kann.
*Namen der Redaktion bekannt
«Verleumdung und üble Nachrede sind denkbar»

Olivia Baumann ist Rechtsanwältin.
privatFrau Baumann, verstösst man gegen das Gesetz, wenn man in solchen Gruppen dabei ist?
Nein, als passives Mitglied macht man sich grundsätzlich nicht strafbar. Wer sich aber aktiv beteiligt, Bilder postet und kommentiert, kann gegen das Gesetz verstossen.
Inwiefern?
Auf zivilrechtlicher Ebene verletzt man die Persönlichkeitsrechte von Männern, wenn man Beiträge über sie postet und deren Bilder ohne Einwilligung verwendet. Auch datenschutzrechtliche Bestimmungen können durch die Posts in den Gruppen verletzt werden, da Personendaten und besonders schützenswerte Daten wie beispielsweise Gesundheitsinformationen geteilt werden. Hat eine Person nicht eingewilligt, diese zu veröffentlichen, verstösst man gegen das Datenschutzgesetz.
In strafrechtlicher Hinsicht können die Posts gegen verschiedene Straftatbestände verstossen. Denkbar sind hier Ehrverletzungsdelikte wie Verleumdung oder üble Nachrede oder die Verletzung des Geheim- und Privatbereichs. Auch die unbefugte Beschaffung personenbezogener Daten und je nachdem sogar Nötigung kommen in Betracht.
Wie können sich die Männer wehren?
Einerseits können sie sich bei Facebook melden. Das funktioniert heute recht gut und auch schnell. Vorausgesetzt, sie erfahren überhaupt, dass über sie geschrieben wurde. Eine weitere Option ist es, die Publikation der Polizei zu melden und Anzeige zu erstatten. Dies lohnt sich vor allem, wenn rufschädigende Inhalte veröffentlicht werden. Im Falle einer Verurteilung werden meist Geldstrafen verhängt. Ob und wie schnell über ein strafrechtliches Vorgehen Inhalte gelöscht werden können, ist jedoch unterschiedlich und hängt von der Zusammenarbeit der Behörden und entsprechenden Anbietern sozialer Medien ab.
Was können die Auswirkungen von solchen Beiträgen sein?
Der Ruf einer Person kann dadurch massiv geschädigt werden. Zudem kann es auch passieren, dass Personen aus dem eigenen Umfeld ungewollt Informationen erhalten, was zu unangenehmen Situationen führen kann. Auch der psychische Druck ist nicht zu unterschätzen, wenn so etwas passiert. Und es braucht Zeit und Nerven, die Beiträge und deren Schäden wieder zu beseitigen.
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Polizei nach Kanton
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche
Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein
Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Beratungsstellen für gewaltausübende Personen
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