
Männern fällt es häufig schwerer, offen über ihre Probleme zu sprechen.
Getty Images/Westend61Gesundheit«Kein Raum für Schwäche» – darum gehen Männer so selten zum Arzt
Männer leben im Durchschnitt fünf Jahre weniger als Frauen. Dennoch suchen sie seltener einen Arzt auf. Ein Schweizer Start-up möchte das ändern.
Ob aus Scham oder wegen langer Wartezeiten – Männer gehen seltener zum Arzt. Hier kommt Everyman Health ins Spiel: Die Plattform verbindet Patienten mit medizinischen und pharmazeutischen Experten und Expertinnen und ermöglicht so den Online-Zugang zu Behandlungen, die im Schweizer Gesundheitssystem verankert sind.
Zum Start steht die erektile Dysfunktion im Zentrum. CEO Jon Eisler erklärt, warum überhaupt Bedarf besteht.
Über den Experten
Herr Eisler, was könnten Gründe dafür sein, dass Männer seltener zum Arzt oder zur Ärztin gehen?
Scham, indiskrete Prozesse und ein hoher Zeitaufwand. Nehmen wir das Beispiel Erektionsstörungen. Ein Thema, das hoch stigmatisiert ist. Bis man zu einer Lösung des Problems kommt, ist es ein langer und unangenehmer Weg. Zuerst muss man am Telefon das sehr persönliche Problem erklären, dann wird beim Hausarzt, wo der Arbeitskollege eventuell gerade ebenfalls anwesend ist, gewartet. Anschliessend findet das Arztgespräch statt und mit einem Rezept geht es zur Apotheke, wo es zu einem weiteren unangenehmen Gespräch kommt.
Und hier wollen Sie mit Ihrem Start-up ansetzen?
Mit Everyman reduzieren wir diese Hürden, der Arzt ist einen Klick entfernt und der Besuch diskret und kein riesiges Projekt. So helfen wir Männern, häufiger und einfacher medizinischen Rat aufzusuchen.

Ein Arztbesuch ist mit viel zeitlichem Aufwand verbunden.
Ono KosukiMänner verkörpern oft noch das Bild der starken, unbesiegbaren Person. Spielt das auch eine Rolle?
Das Bild von einem gesunden Mann ist tief in unserer Gesellschaft verankert. Der Druck ist hoch und wird auch durch Filme, wo Männer als sexuell sehr aktiv auftreten, weiter erhöht. Es gibt keinen Raum für Schwäche und die Folge ist, dass Probleme in sich hineingefressen werden. Langfristig gesehen ist das der falsche Ansatz.
Wie häufig gehst du zum Arzt?
Laut UZH nehmen Männer im Vergleich zu Frauen mit 29 Prozent geringerer Wahrscheinlichkeit eine Psychotherapie in Anspruch.
Korrekt. Einer der Gründe, warum ich mich mit dem Thema beschäftige, ist auch, weil ich mit einem Psychiater als Vater und einer Psychologin als Mutter aufgewachsen bin. Trotz dieses liberalen Umfelds habe ich, als ich mit 18 Erektionsstörungen hatte, lieber im Internet illegal Pillen bestellt, anstatt mich an meine Eltern zu wenden. Dieses Gefühl von Scham und Hilflosigkeit, obwohl die Antwort so nahe lag, war bei mir im Kopf stark verankert – und genau hier setzen wir mit Everyman an. Alle haben Probleme, es ist völlig normal und wir müssen lernen, damit umgehen zu können. Frauen können das viel besser – sie sprechen auch im Freundeskreis über ihre Sorgen.

Auch bei mentalen Problemen nehmen Männer eine Psychotherapie weniger in Anspruch als Frauen.
Pexels/Shvets ProductionDas hängt vermutlich damit zusammen, dass Frauen bereits als Teenie regelmässig zum Arzt gehen. Bei Männern werden Routineuntersuchungen erst ab 35 empfohlen.
Ja, aufgrund der Periode ist es üblich, sich früher checken zu lassen. Bei Männern ist das nicht der Fall. Ich habe zum Beispiel mit 33 das erste Mal einen Bluttest gemacht. Männer sind es sich einfach nicht gewohnt.
Wie schafft man es, offener darüber zu reden?
Wir versuchen, mit gutem Beispiel voranzugehen. Die Reaktionen, wenn man offen darüber spricht, sind sehr positiv. Oft ist der Gesprächspartner beeindruckt und meistens gibt es eine Gegenreaktion. Viele öffnen sich und sagen, dass sie unter ähnlichen Symptomen leiden oder gelitten haben. Stösst man solche Unterhaltungen an, merkt man, wie weit verbreitet gesundheitliche Probleme sind. Schweigt man darüber, kann man das Ausmass nicht einschätzen.

Wer sich öffnet, merkt häufig, dass man nicht allein mit seinen Problemen ist.
Pexels/William FortunatoSprichst du offen über deine gesundheitlichen Probleme? Wie leicht fällt es dir, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen?