Steigende Fallzahlen – Masken, Booster, 3G im Job – so wollen Experten die 5. Welle stoppen

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Steigende FallzahlenMasken, Booster, 3G im Job – so wollen Experten die 5. Welle stoppen

Die Fallzahlen steigen rasant an, Experten und Expertinnen fürchten eine weitere heftige Welle, die auch die Spitäler unter Druck bringt. Sie fordern schärfere Massnahmen. Den Ball flach halten will hingegen BAG-Vize Andreas Faller.

Booster-Impfungen sind laut Experten und Expertinnen ein wichtiges Instrument, um die fünfte Corona-Welle zu brechen.
Beim Impfdorf im Zürcher Hauptbahnhof war das Interesse an Booster-Impfungen gross.
Bisher empfehlen das BAG und die Eidgenössische Kommission für Impffragen die Booster-Impfung erst für Risikopersonen und über 65-Jährige.
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Booster-Impfungen sind laut Experten und Expertinnen ein wichtiges Instrument, um die fünfte Corona-Welle zu brechen.

20min/Marco Zangger

Darum gehts

  • Der 7-Tage-Schnitt der Corona-Fallzahlen ist innert Wochenfrist um 60 Prozent gestiegen. Die grosse Frage ist, wie sich das in den Spitälern auswirken wird.

  • Ehemalige Taskforce-Mitglieder und Epidemiologen sind besorgt: Sie befürchten, dass die fünfte Welle die Schweiz noch einmal heftig treffen und auch die Spitäler an den Anschlag bringen wird.

  • Andreas Faller, ehemaliger Vizedirektor des Bundesamts für Gesundheit, sieht hingegen keinen Grund für Panik.

«Wir befinden uns in einer echten Notfallsituation. Wir müssen jetzt etwas unternehmen.» Das sagte der deutsche Virologe Christian Drosten am Dienstag in einem Interview beim NDR. Der Virologe und SPD-Politiker Karl Lauterbach stimmte ihm auf Twitter zu und forderte «die drastische Einführung von 2G bundesweit mit sehr strengen Kontrollen, Maskenpflicht in allen Schulen, 3G am Arbeitsplatz und Booster-Impfungen».

In Deutschland erreichen die Fallzahlen derzeit Rekordwerte, Experten befürchten, dass die Hospitalisierungen folgen werden. Geht die Entwicklung ungebremst so weiter, fürchtet Drosten weitere 100’000 Todesfälle – «konservativ geschätzt».

Auch in der Schweiz sind Experten und Expertinnen besorgt: «In zwei bis drei Wochen wird die Situation in der Schweiz ähnlich aussehen. Damit kämen die Spitäler tatsächlich erneut an die Belastungsgrenze», sagt etwa Manfred Kopf, Professor für Molekulare Biomedizin an der ETH Zürich und ehemaliges Taskforce-Mitglied.

Striktere Massnahmen auch für die Schweiz gefordert

Der Neurowissenschaftler Dominique de Quervain schliesst sich den Forderungen an: «Insbesondere die Maskenpflicht an Schulen, 3G am Arbeitsplatz und 2G in der Freizeit fordere ich auch für die Schweiz.» Die Maskenpflicht an Schulen schütze nicht nur erwiesenermassen die Kinder, sondern vermindere auch das Risiko, dass das Virus weiter in die Familien getragen wird. «3G am Arbeitsplatz reduziert das Ansteckungsrisiko bei der Arbeit und mit 2G für die Freizeit haben Ungeimpfte weniger Gelegenheit, das Virus zu bekommen und weiterzugeben.»

Aus der Politik kommt die Forderung nach Booster-Impfungen für alle: «Wenn keine klaren wissenschaftlichen Belege vorhanden sind, die davon abraten, dann müssten sie eher früher als später für die breite Bevölkerung zugelassen werden», sagt Mitte-Nationalrat Lorenz Hess. «Die dritte Impfung nur gestaffelt für die Bevölkerung zuzulassen, erachte ich nicht als sinnvoll.» Sobald die nationale Impfwoche vorbei sei, müsse man die Booster-Impfung ernsthaft ins Auge fassen, so Hess. Dies werde aufgrund der aktuellen Zahlen ganz sicher ein Thema sein.

«Haben noch zwei Wochen Zeit, sonst drohen Verschärfungen»

Auch GLP-Nationalrat Martin Bäumle plädiert für die breite Zulassung der Booster-Impfungen: «Dass man noch nicht boostern darf, finde ich falsch. Jede Person, die möchte, sollte Zugang zur Booster-Impfung kriegen.» Priorität sollen dabei aber die über 65-Jährigen behalten, so Bäumle.

«Man hat diese Situation kommen sehen, aber seit zwei Wochen explodieren die Fallzahlen», so Bäumle. Die Schweiz habe wieder zu lange beobachtet und jetzt drohe die nächste Welle. Aber: Die Schweiz sei klein und schnell. «Wenn sie jetzt rasch nachimpfen, können wir noch aufholen.» Trotzdem bleibe die Lage kritisch: «Wir haben noch ein bis zwei Wochen Zeit, um diese Welle abzuschwächen, sonst drohen wieder Verschärfungen.»

«Fallzahlen führen nicht mehr zu gleich vielen Spitaleinweisungen»

Andreas Faller, ehemaliger BAG-Vize, sieht hingegen keinen Grund für Panik: «Ausschlaggebend sind in dieser Phase der Pandemie die Hospitalisierungen, das hat der Bundesrat auch richtigerweise so
kommuniziert. Und die sind konstant oder sogar leicht rückläufig.» Faller macht einen Vergleich: «Im April 2021 hatten wir um die 2000 Fälle pro Tag und 80 Hospitalisationen. Jetzt sind es über 4000 Fälle pro Tag, aber nur rund 50 Hospitalisationen. Diese Zahlen zeigen, dass steigende Fallzahlen nicht mehr in gleichem Mass zu steigenden Hospitalisationen führen.»

Solange schwere Verläufe und Todesfälle nicht deutlich und bei weitem nicht proportional ansteigen, sind steigende Fallzahlen laut Faller per se nichts Schlechtes: «Virologen, Epidemiologen und Immunologen könnten sich darüber eigentlich sogar freuen. Denn mit jedem Infizierten, der keinen schweren Verlauf hat, steigt die Immunität in der Bevölkerung.» Um auch jene Personen zu ermitteln, die ohne es zu bemerken immunisiert worden sind, schlägt Faller vor, bei allen nicht
Geimpften oder nicht Genesenen einmalig einen Antikörper-Test durchzuführen.

Beim BAG heisst es zu Booster-Impfungen: «Die Eidgenössische Kommission für Impffragen und das BAG beobachten laufend die Datenlage vom Hersteller, aus wissenschaftlichen Publikationen und Überwachungsdaten in der Schweiz bezüglich Impfschutz und können, wenn angebracht, die Empfehlung zur Auffrischimpfung rasch anpassen.»

Hast du oder hat jemand, den du kennst, Mühe mit der Coronazeit?

Hier findest du Hilfe:

BAG-Infoline Coronavirus, Tel. 058 463 00 00

BAG-Infoline Covid-19-Impfung, Tel. 058 377 88 92

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Safezone.ch, anonyme Onlineberatung bei Suchtfragen

Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

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