Corona bei Kindern«Mein Sohn (7) hatte einen mysteriösen Ausschlag»
Noch bevor der erste offizielle Corona-Fall die Schweiz erreichte, erkrankten Salomes Kinder schwer. Nora (12) brach ohnmächtig zusammen. Tim (7) hatte mysteriöse Ausschläge und hohes Fieber. Beide leiden heute unter psychischen und körperlichen Langzeitfolgen.
Darum gehts
Nora (12) steckte sich im Februar 2020 in einem Jugend-Skilager mit Corona an.
Sie fiel in Ohnmacht, hatte hohes Fieber und hatte Atemprobleme.
Auch ihr Bruder Tim (7) bekam plötzlich Symptome: Hautausschläge, schwerer Husten und Fieber.
Physisch und psychisch hat die Infektion mit SARS-CoV-2 bei den Kindern Spuren hinterlassen.
Kinder, die sich mit dem Coronavirus anstecken, kommen meistens mit einem blauen Auge davon. Schwere Verläufe und Langzeitfolgen sind selten – doch auf die leichte Schulter nehmen sollte man die Infektion nicht. Unlängst warnte etwa das Kinderspital Zürich vor heftigen Verläufen bei Heranwachsenden wie der Entzündungsreaktion PIMS (siehe Box) . Salome* weiss genau, wovor die Gesundheitsfachleute warnen: Ihre Kinder gehören zu den wohl ersten Corona-Fällen in der Schweiz. Nora* (12) steckte sich vermutlich Anfang Februar 2020 im Skilager an – der erste offizielle Fall hierzulande wurde jedoch erst am 25. Februar gemeldet. Nora erkrankte schwer und bis heute geht der sportlichen Siebtklässlerin beim Treppensteigen die Luft aus. Ihr kleiner Bruder Tim* (7) hatte so heftige Symptome, dass der ratlose Kinderarzt gar Verdacht auf Leukämie äusserte. Beide Kinder mussten ins Spital. Gegenüber 20 Minuten schildern Salome und Nora ihre Geschichten.
Nora* (12): «Ich bin mehrmals in Ohnmacht gefallen»
«Im Februar 2020, damals war ich elf Jahre alt, war ich in einem Jugend-Skilager und es hatte viele Leute. Wir sind Gondel gefahren und haben im Restaurant gegessen. Ich habe dem damals keine Bedeutung geschenkt. Aber vermutlich habe ich mich da angesteckt.
Als ich nach Hause kam, ging es mir schlecht, ich hatte Schüttelfrost. Beim Treppensteigen musste ich keuchen und um Atem ringen. Meine Mutter lief hinter mir. In meinem Zimmer brach ich vor ihren Augen zusammen und wurde ohnmächtig. Ich erinnere mich nicht mehr daran, ich war völlig plemplem vom Fieber. 40,5 Grad mass meine Mutter. Sie gab mir fiebersenkende Medikamente. Am nächsten Tag brachte sie mich ins Spital.
Die Ärztinnen und Ärzte im Spital sprachen von einer Grippe, einer Lungenentzündung. Aber eine Grippe ist nicht dasselbe, bei einer Grippe fällt eine gesunde Elfjährige doch nicht immer wieder in Ohnmacht? Meine Mutter sagt, sie hätte mich noch nie so krank gesehen.
Leider geht es mir auch heute noch nicht gut. Ich gerate rasch ausser Atem, wenn ich mich bewege, und auch meine Lunge schmerzt immer noch ab und zu. Mein Arzt hat mich vom Turnen dispensiert, und ich bin froh darum. Viele meiner Freunde aus dem Skilager sind übrigens zeitgleich mit ähnlichen Symptomen erkrankt. Die Vermutung, dass ich Corona hatte, bestätigte sich im Frühling, als ich im Spital einen Antikörper-Test machen liess. Leute, nehmt dieses Virus nicht auf die leichte Schulter!»
Tim* (7): «Mein Sohn musste mit der Ambulanz ins Spital»
«Anfang März erkrankte mein Sohn Tim, damals sechs Jahre alt, schwer. Wahrscheinlich hatte er sich bei Nora angesteckt. Tim hatte hohes Fieber und Halsschmerzen. Ich ging mit ihm zum Kinderarzt. Dieser äusserte den Verdacht auf Angina und verabreichte Antibiotika. Gegen seinen schweren Husten inhalierte Tim regelmässig Medikamente. Nach zehn Tagen ging es ihm besser und er ging zurück in den Kindergarten – allerdings nur für einen Tag, danach wurden die Schulen schweizweit geschlossen. Ich dachte, Tim sei über den Berg. Doch am 12. April 2020 hatte Tim plötzlich mysteriöse Hautausschläge, es sah aus wie Nesselfieber. Ich verabreichte ihm ein Antiallergikum. Die roten Flecken verschwanden aber nicht, sondern breiteten sich aus. Als keine Besserung eintrat, erhielt Tim vom Kinderarzt Cortison. Auch damit verschwanden die Flecken immer nur kurz, um danach noch stärker zurückzukommen.
Am 15. April hatte Tim plötzlich Fieber und Atemnot. ‹Mama, ich kriege keine Luft mehr›, sagte er. Sein Hautausschlag hatte sich verändert, die Flecken sahen aus wie Blutergüsse, waren bläulich geworden. Als Pflegehelferin vermutete ich eine Entzündung der Blutgefässe. Ich war alarmiert und meldete mich bei Medgate, diese boten umgehend Ambulanz und Notarzt auf. Der Notarzt legte Tim einen Venenzugang für eine Infusion, danach fuhren wir ins Spital. Die Behandlung war enttäuschend: Die Chefärztin vermutete eine Allergie und scherzte mit meinem verängstigten Sohn, er könne ja später eine Heldengeschichte daraus machen und behaupten, er hätte Corona. Ich dachte, ich höre falsch! Ein Blutbild oder ein Röntgenbild der Lunge wurden nicht gemacht, geschweige denn ein (damals noch rarer) Corona-Test. Die Ärztin erhöhte die Cortisondosis und schickte uns wieder nach Hause.
Zurück beim Kinderarzt machten wir verschiedene Allergietests, mein Sohn musste ständig Blut abzapfen. Alle Tests waren negativ. Weil auch ihn die blauen Flecken beunruhigten, äusserte der Kinderarzt den Verdacht auf Leukämie. Wieder musste sich Tim stechen lassen. Die Woche, bis wir das Resultat hatten, sassen wir wie auf Nadeln. Gottseidank war der Befund negativ.
Nach einer Weile ging es Tim besser. Im Mai machten wir einen Antikörper-Test und das Resultat war eindeutig: Wie Nora hatte auch Tim eine Infektion mit SARS-CoV-2 durchgemacht.
Heute ist mein Kleiner körperlich wieder fit. Psychisch aber hat die Krankheit Spuren hinterlassen: Tim ist verunsichert, braucht viel Rückhalt. Ich glaube, er hat ein Trauma: Wenn wir in der Familie über Corona sprechen, kommt es vor, dass er in Tränen ausbricht und davonläuft.»
*Name geändert
PIMS
Beim Entzündungssyndrom PIMS (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome) kommt es zu einer Überreaktion des Immunsystems auf das Coronavirus. Es können verschiedene Organe betroffen sein. Die betroffenen Kinder haben tagelang hohes Fieber, häufig begleitet von Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall und Ausschlägen. Manchmal benötigen die Kinder lebenswichtige Unterstützung auf der Intensivstation. Betroffen sind laut SRF Kinder zwischen 6 und 16 Jahren, Buben häufiger als Mädchen.
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Hier findest du Hilfe:
BAG-Infoline Coronavirus, Tel. 058 463 00 00
Dureschnufe.ch, Plattform für psychische Gesundheit rund um Corona
Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige
Hotline bei Angststörungen und Panik, 0848 801 109
Pro Juventute, Tel. 147
Dargebotene Hand, Tel. 143
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