Millionär bezahlt in allen Kantonen die Nikab-Bussen

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Rachid NekkazMillionär bezahlt in allen Kantonen die Nikab-Bussen

Er kam bereits für die Bussen von Nikab-Trägerinnen im Tessin und St. Gallen auf. Jetzt will es der französisch-algerische Aktivist Rachid Nekkaz in der ganzen Schweiz tun.

War 2019 zu Besuch in Genf: Rachid Nekkaz (M.).
Nekkaz kämpft seit über zehn Jahren gegen die Verhüllungsverbote in Europa.
Nekkaz sagt, er fühle sich verpflichtet, gegen Kleidervorschriften zu kämpfen.
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War 2019 zu Besuch in Genf: Rachid Nekkaz (M.).

Tamedia/Laurent Guiraud

Darum gehts

  • Ein Aktivist mischt sich in die Debatte um die Burka-Initiative ein. Er will dafür sorgen, dass Frauen den Nikab weiterhin tragen.

  • Die Bussen bezahlt er nun in acht europäischen Ländern.

  • «Anmassend» findet das Islam-Kennerin Saïda Keller-Messahli.

Mit 51,2 Prozent Ja stimmte die Schweiz am Wochenende für die Burka-Initiative. Die Kantone müssen jetzt innert zweier Jahre ihre Gesetze anpassen. Während erste Nikab-Trägerinnen bereits auswandern wollen, springt ihnen nun der algerische Politiker und Geschäftsmann Rachid Nekkaz zur Seite.

Dieser kündigt an, dass seine Organisation «Verteidigung der Freiheit» alle Bussen von Frauen bezahlen wird, die den Nikab freiwillig tragen. Nekkaz bezahlt bereits die Nikab-Bussen in den Kantonen Tessin und St. Gallen sowie in zahlreichen europäischen Ländern, darunter Frankreich und Belgien. Nach eigenen Angaben hat er, der unter anderem mit Immobilien zu Geld gekommen ist und schon für die algerische Präsidentschaft kandidiert hat, eine Million Euro bereitgestellt – und europaweit schon über 1000 Bussen bezahlt.

«Bekleidungsfreiheit verteidigen»

Nekkaz, der auch den umstrittenen Genfer Professor Tariq Ramadan bewundert, sagt, der Entscheid des Schweizer Stimmvolks sei zu akzeptieren. «Ich halte aber an meinem Engagement fest, die Religions- und Bekleidungsfreiheit zu verteidigen. Ich tue dies für diejenigen, die den Nikab in Europa in acht Ländern (Frankreich, Belgien, Niederlande, Österreich, Deutschland, Dänemark, Bulgarien und Schweiz) frei tragen wollen, als auch für diejenigen, die den Schleier in der muslimischen Welt nicht tragen wollen, zum Beispiel im Sudan und im Iran.»

Er betont, zwischen der Burka und dem Nikab zu unterscheiden. Letzterer sei ein leichter Schleier. Hingegen sehe auch er in der Burka, dem Netzschleier, wie ihn die Taliban vorschrieben, ein Symbol der Unterdrückung der Frau. Eine solche Busse würde er niemals bezahlen: «Meine Frau, eine Amerikanerin, trägt im Übrigen weder Kopftuch, noch Nikab, noch Burkini.»

«Das ist anmassend»

Saïda Keller-Messahli, die sich für das Verhüllungsverbot eingesetzt hat, schüttelt den Kopf: «Er hat das Gefühl, dass er mit seinem Geld den Abstimmungsentscheid ungeschehen machen kann. Mit seiner Aktion sagt er einer Mehrheit des Schweizer Volkes, dass es falsch abgestimmt habe.» Das sei anmassend.

Nachdem bereits der radikale Islamische Zentralrat der Schweiz (IZRS) Geld für die Burka-Bussen sammle, sei für die Frauen auf jeden Fall gesorgt. «Machen kann man dagegen nicht viel, ausser ihm kein Einreisevisum zu erteilen. Wenn er Lust hat, sein Geld so auszugeben, dann soll er es tun.»

Bussen bis 10’000 Franken im Tessin

Dass er die Bussen in der Schweiz bezahle, sei in keiner Weise eine Provokation, findet dagegen Nekkaz. Vielmehr bewege er sich im Rahmen des Gesetzes und kämpfe für die Religionsfreiheit, welche die Verfassung und die Menschenrechtserklärung garantierten.

Wie hoch die einzelnen Kantone die Busse ansetzen, ist unklar. Im Kanton Tessin sind im Wiederholungsfall Bussen bis zu 10’000 Franken möglich. Nekkaz hofft, dass andere Kantone tiefere Bussen ansetzen werden: «Die Gesetzgeber im Kanton Tessin haben unverantwortlichen und kindischen Übereifer an den Tag gelegt, um mich persönlich von der Zahlung der Bussgelder abzuhalten.» Da eine solch hohe Busse unverhältnismässig sei, glaubt er, dass sie auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kassiert werden könnte. In den Fällen aus Frankreich und Belgien, in denen das Gericht 2014 und 2017 Beschwerden abgeschmettert hatte, sei die maximale Busse viel tiefer gewesen.

51,2 Prozent sagten Ja

Die Stimmbevölkerung hat das Verhüllungsverbot mit 51,21 Prozent Ja-Anteil angenommen. Die Stimmbeteiligung lag bei 51,4 Prozent. Damit ist es künftig in allen Kantonen verboten, sich an öffentlich zugänglichen Orten das Gesicht zu verhüllen. Ausnahmen sind etwa für religiöse Stätten oder einheimisches Brauchtum vorgesehen. Da die Polizeihoheit bei den Kantonen liegt, sind sie grösstenteils für die Umsetzung zuständig.

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