Herzschäden nach Covid-19«Mit Blick auf die vielen symptomlos Infizierten macht mir das Angst»
Sars-CoV-2 greift den gesamten Körper an. Laut deutschen Forschern auch häufig das Herz. Das auch dann, wenn die Covid-Erkrankung selbst milde verlaufen ist. Über die Langfristigkeit der Folgen gehen die Meinungen auseinander.
Darum gehts
- Laut einer Studie aus Deutschland weisen rund drei Viertel aller Covid-19-Genesenen nach zwei Monaten noch Herzschädigungen auf.
- Dies ist laut den Forschern auch dann der Fall, wenn die Infektion selbst milde oder symptomlos war.
- Ob die beobachteten Veränderungen dauerhaft sind, darüber gehen die Meinungen der Experten auseinander.
Welche Langzeitfolgen eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus haben kann, lässt sich noch nicht abschätzen. Dafür kennen wir das Virus schlichtweg noch nicht lang genug. Forscher des Universitätsklinikums Frankfurt geben nun einen Ausblick darauf, was genesene Covid-19-Patienten erwarten könnte.
Wie das Team um Valentina Puntmann im Fachjournal «Jama Cardiology» schreibt, konnte bei einem Grossteil der untersuchten Ex-Covid-Patienten Schädigungen am Herzen nachgewiesen werden.
Dauerhafte Herzschäden?
Für die Studie hatten Puntmann und ihre Kollegen die Magnetresonanzaufnahmen der Herzen von insgesamt 100 Patienten ausgewertet, welche sich bereits von der Infektion mit Sars-CoV-2 erholten – entweder zu Hause (⅔) oder im Spital (⅓). Die Aufnahmen waren etwa zwei Monate nach einer akuten Corona-Infektion gemacht worden.
Ergebnis: Bei 78 der insgesamt 100 Teilnehmer zwischen 45 und 53 Jahre stellten die Wissenschaftler entzündliche Veränderungen des Herzmuskels oder des Herzbeutels fest. Dies auch bei jenen Patienten, die einen nur milden Verlauf hinter sich hatten oder deren Erkrankung symptomlos war und die zuvor gesund und sportlich gewesen waren. Bei keinem waren die Symptome bereits während der Erkrankung aufgetreten.
Weil bei 71 Patienten zudem der Marker Troponin im Blut gefunden wurde, der Herzmuskelschäden anzeigt, befürchtet das Team um Puntmann, dass die Herzschäden zum Teil auch dauerhaft sein könnten.
«Keine Hinweise auf Herzprobleme gefunden»
Erhöhte Troponinwerte wurden auch schon bei Covid-19-Patienten in der Schweiz festgestellt, sagte Franz Eberli, Chefarzt der Klinik für Kardiologie am Stadtspital Waid und Triemli, bereits Anfang April zu 20 Minuten. Damals wie heute geht er jedoch davon aus, dass die Herzschädigungen in den meisten Fällen nur vorübergehender Natur sind.
In der akuten Phase der Erkrankung seien diese absolut ernst zu nehmen. «Aber wenn man diese überstanden hat, stehen die Chancen gut, dass das Herz ohne dauerhaften Schaden aus dem Ganzen hervorgeht», so Eberli. Seine Kollegen und er hätten einige ihrer Patienten drei Monate nach der Genesung noch einmal untersucht, «aber keine Hinweise auf Herzprobleme gefunden».

Franz Eberli ist Chefarzt der Klinik für Kardiologie am Stadtspital Waid und Triemli.
Lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen als Folge
Ganz anders lautet die Einschätzung von Carsten W. Israel, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Kardiologie am Evangelischen Klinikum Bethel im deutschen Bielefeld. Er bezeichnet das Ergebnis gegenüber dem «Haller Kreisblatt» als «besorgniserregend».
Aus seiner Sicht zeigt die Studie, «dass eine Infektion mit dem Coronavirus offenbar unabhängig von der Schwere der Infektion und bestehender Vorerkrankungen langfristig das Herz schaden kann. Mit Blick auf die hohe Zahl der Infizierten, die keine oder kaum Symptome haben, macht mir das Angst.» Er befürchtet, dass das Virus Stück für Stück Zellen zerstören und so eine Herzschwäche verursachen könnte. «Möglich können als Folge auch lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen sein.»
Zu solchen ist es auch schon am Universitätsspital Zürich gekommen: Ebenfalls im April berichtete Peter Steiger, stellvertretender Direktor des Instituts für Intensivmedizin, von einer schwer erkrankten Covid-19-Patientin, die zunächst einen Herzinfarkt mitsamt Herzrhythmusstörungen entwickelt habe und schliesslich verstorben sei. Ob dies eine traurige Ausnahme war oder die Regel ist, wird sich erst noch zeigen, ist sich Kardiologe Eberli sicher: «Wir wissen noch nicht genau, was da passiert.»
Kinder- und Erwachsenen-Herzen reagieren unterschiedlich
Ebenso offen wie die Frage nach den Langzeitschäden von Covid-19 ist auch die nach dem Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen. So sei nach wie vor unklar, warum Erstere zwar in der Regel einen leichten Verlauf erleben, in der Folge aber ein sogenanntes Kawasaki-Like-Syndrom auftreten kann, in dessen Zusammenhang es zu einem Herzversagen kommen kann und die Betroffenen manchmal sogar an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen werden müssen. «Zwar sind weltweit nur etwa 600 solcher Fälle beschrieben», so Kardiologe Franz Eberli. «Aber bei erwachsenen Covid-19-Patienten ist bis jetzt nur ein einziger Fall bekannt.»
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