Muttenz BL: Familie kämpft mit Schmetterlingskrankheit

Publiziert

Muttenz BLSevin lebt mit Schmetterlings-Krankheit: «Schauen Tag für Tag»

Die Schmetterlingskrankheit von Sevin (19) prägt den Alltag der Familie Öcal. Trotzdem ist sie voller Zuversicht. 20 Minuten besucht die Familie Zuhause in Muttenz BL.

Die Schmetterlingskrankheit von Sevin (19) gehört zur Familie Öcal dazu. Unterstützung erhalten sie unter anderem von Priska.
Priska arbeitet freiwillig für die Stiftung Pro Pallium und entlastet Familien mit schwerkranken Kindern. Sie betreut vor allem die kleine Schwester Avsin (6).
Eine Unterstützung ist vor allem notwendig, weil die Mutter sich rund um die Uhr um Sevin kümmert. Sie weiss am besten, wie mit den Wunden am Körper der 19-Jährigen umzugehen ist.
1 / 4

Die Schmetterlingskrankheit von Sevin (19) gehört zur Familie Öcal dazu. Unterstützung erhalten sie unter anderem von Priska.

20min/Nora Weber

Darum gehts

  • Sevin (19) leidet an der unheilbaren Krankheit Epidermolysis bullosa, auch bekannt als Schmetterlingskrankheit.

  • Ihre Mutter pflegt die 19-Jährige rund um die Uhr. Eine Freiwillige der Stiftung Pro Pallium kümmert sich deshalb um Sevins kleine Schwester Avsin (6).

  • 20 Minuten besucht die Familie Zuhause in Muttenz BL.

«Kommt, wir setzen uns ins Wohnzimmer, das ist direkt neben Sevins Zimmer», sagt die Mutter zu 20 Minuten und ihrer Familie in Muttenz BL. Papa, Mama, Schwester Avsin (6) und Priska, die die Familie freiwillig unterstützt, nehmen mit der 20 Minuten Reporterin auf den beiden Sofas Platz. Sevin ist noch in ihrem Zimmer.

Es sind Schulferien, deswegen ist Priska, die sich für die Stiftung Pro Pallium als Freiwillige engagiert, öfter hier. «Wir brauchen jeden Tag jemanden für Avsin, weil ich mit der Pflege von Sevin beschäftigt bin und mein Mann arbeitet», sagt die Mutter. Die 19-jährige Sevin leidet seit Geburt an einer schweren Form von Epidermolysis bullosa, der sogenannten Schmetterlingskrankheit. Die Haut von Betroffenen ist brüchig, jeder Kontakt mit der Haut schmerzt.

Ob Avsin sich denn freue, wenn Priska kommt: «Ja», kommt es wie aus der Kanone geschossen, die Sechsjährige strahlt. «Das ist das Schöne hier», sagt Priska, «ich fühle mich wie ein Teil der Familie.»

«Ich kann nichts mehr alleine machen.»

Sevin (19)

Lange konnte Sevin ein ziemlich normales Leben führen. «Ich konnte noch ganz normal in Spielgruppe, Kindergarten und in die Schule bis in die Sek», ruft es aus dem Zimmer nebenan, Sevin will auch mitreden.

Die Mutter rollt die 19-Jährige auf ihrem Bürostuhl mit Rädchen ins Wohnzimmer, Sevin hat eine Decke um sich gewickelt. Sie ist gleich voll präsent und lächelt, trotz der schwierigen Thematik. «Jetzt kann ich nichts mehr alleine machen und habe rund um die Uhr Schmerzen.» Vor vier Jahren verschlechterte sich ihr Zustand drastisch. «Sevin war entweder im Spital oder im Bett, jetzt geht es ihr wieder besser», sagt die Mutter.

Mutter betreut Tochter rund um die Uhr

Sie betreut ihre Tochter 24 Stunden, sieben Tage die Woche. «Am Morgen mache ich zuerst Avsin für den Kindsgi parat.» Dann legt sie die Medikamente und den Verband für Sevin bereit, die Spitex kommt ihr jeweils zur Hilfe. «Gemeinsam wechseln wir dann jeden Tag den Verband, das dauert ungefähr drei Stunden.» Jede Berührung schmerzt. «Es ist der schlimmste Teil des Tages», sagt Sevin. Alle drei Stunden nimmt die 19-Jährige Schmerzmittel zu sich.

Epidermolysis bullosa (Schmetterlingskrankheit)

Epidermolysis bullosa (EB) ist eine genetisch bedingte, bisher unheilbare Hauterkrankung. Die einzelnen Hautschichten sind aufgrund eines Gendefekts nicht richtig miteinander verbunden, was bei Belastung zu Rissen und Blasen führt. Betroffene leiden unter Einschränkungen und Schmerzen. Weil die Haut verletzlich ist, wie die Flügel eines Schmetterlings, wird die Krankheit auch Schmetterlingskrankheit genannt.

«Und dann ist auch schon Mittag und Avsin kommt nach Hause», sagt die Mutter. Die Sechsjährige gehe nach dem Kindergarten immer zuerst zu ihrer Schwester und erzählt ihr, was sie erlebt hat. Auch heute quasseln die beiden temperamentvollen Schwestern viel miteinander. Die Ältere muss immer wieder gebremst werden. «Langsam Sevin, nicht so schnell.» Man merkt: Da ist viel Energie und Leben in dem stark gezeichneten Körper der 19-Jährigen.

«Mal geht es besser, mal geht es schlechter.»

Mutter von Sevin

«Manchmal liege ich den ganzen Tag, manchmal sitze ich am Schreibtisch.» In der Wohnung ist sie mit dem Rollator unterwegs, draussen mit dem Elektrorollstuhl. An zwei Nachmittagen ist Sevin in der Tagessonderschule in Münchenstein. Aber: «Wir schauen Tag für Tag, mal geht es besser, mal schlechter.» Die Mutter lässt Sevin maximal eine halbe Stunde alleine Zuhause. «Wenn ich kurz die Wohnung verlasse, bleibe ich immer in der Nähe.»

Besonders gerne ist Sevin auf Instagram: «Ich liebe es, Videos zu machen», sagt die 19-Jährige und lacht.

Manchmal assistiert Priska die 19-Jährige beim Basteln. «Ich mag es, mit ganz feinen Sachen zu arbeiten, zum Beispiel mit ‹Krälleli›», sagt Sevin. Weil sie ihre Finger nicht bewegen kann, benutzt sie dann eine Pinzette. Meistens kommt Priska aber für Avsin vorbei. Zusammen gehen sie auf den Spielplatz oder auch zu Priska nach Hause. «Ich schaue, dass Avsin aus der Wohnung kommt und dass sie am Morgen, wenn der Verband von Sevin gewechselt wird, nicht zu Hause sein muss.»

«Morgen lässt du den Kindersitz zu Hause», sagt Avsin zu ihrem Vater, «dann können wir mit Priskas Auto fahren.» Die Sechsjährige schmiedet bereits euphorisch Pläne für den nächsten Ausflug. Und auch der Rest der Familie schaut nach vorn: «An Ostern fahren wir in die Ferien». Drei Tage will die Familie im ersten Kinderhospiz der Schweiz in Bern verbringen, «das probieren wir jetzt mal aus», sagt die Mutter, sie schaut zu ihren Kindern und lächelt.

Sevin ist langsam müde und verabschiedet sich. «Heute war ein guter Tag», sagt sie, «aber jetzt muss ich mich hinlegen».

Pro Pallium

Die Stiftung Pro Pallium begleitet über 100 Familien mit schwerstkranken Kindern in der Schweiz. Rund 120 Freiwillige entlasten derzeit betroffene Familien in ihrem Alltag. Sie verbringen zum Beispiel Zeit mit den erkrankten Kindern oder den gesunden Geschwisterkindern und verschaffen Betroffenen so Momente zum Durchatmen. Alle werden professionell geschult und intensiv auf ihre Einsätze vorbereitet. Ihre Dienstleistungen sind kostenlos, die Stiftung ist auf Spenden angewiesen.

Darum wurde das Kommentarfeld deaktiviert

  • Wir wissen, wie wichtig es ist, eure Meinung zu teilen. Leider müssen wir die Kommentarspalte bei diesem Artikel geschlossen lassen. Es gibt Themen, bei denen wir wiederholt Hasskommentare und Beleidigungen erhalten. Trotz intensivem Aufwand findet in diesen Kommentarspalten kein konstruktiver Austausch statt. Das bedauern wir sehr. Bei Storys rund um Todesfälle, Verbrechen und Unglücke verzichten wir ebenfalls auf die Kommentarfunktion.

  • Uns ist der Austausch mit euch enorm wichtig – er ist ein zentraler Bestandteil unserer Plattform und ein wesentlicher Baustein einer lebendigen Demokratie. Deshalb versuchen wir die Kommentarspalten so oft wie möglich offenzuhalten.

  • Ihr habt es selbst in der Hand: Mit respektvollen, konstruktiven und freundlichen Kommentaren tragt ihr dazu bei, dass der Dialog offen und wertschätzend bleibt. Wir freuen uns auf einen spannenden Austausch in der nächsten Kommentarspalte!

Folgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?

Eine Newsübersicht am Morgen und zum Feierabend, überraschende Storys und Breaking News: Abonniere den Whatsapp-Kanal von 20 Minuten und du bekommst regelmässige Updates mit unseren besten Storys direkt auf dein Handy.

Deine Meinung zählt