Messerattacke auf Kinder: «Nationalfeiertag diente als Bühne für Gewalt»

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Nach Messerangriff«Chinesischer Nationalfeiertag diente als Bühne für Gewalt»

Am chinesischen Nationalfeiertag attackierte ein 23-jähriger Chinese Kinder mit einer Stichwaffe. Sinologe Björn Alpermann sieht in dem Vorfall eine mögliche Verbindung zur aktuellen politischen Situation in der Volksrepublik.

Laut Sinologe Björn Alpermann ist der Messerangriff kein Einzelfall: «Solche Attacken haben in China in den letzten Jahren zugenommen, insbesondere bei politischen oder nationalistischen Feierlichkeiten.»
Ein 23-jähriger Chinese griff am Dienstag eine Gruppe Kinder eines Mittagshorts an.
Der Hort wurde im Anschluss abgesperrt.
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Laut Sinologe Björn Alpermann ist der Messerangriff kein Einzelfall: «Solche Attacken haben in China in den letzten Jahren zugenommen, insbesondere bei politischen oder nationalistischen Feierlichkeiten.»

AFP

Darum gehts

  • In Zürich Oerlikon griff ein 23-jähriger Chinese eine Gruppe Kinder mit einem Messer an.

  • Der Sinologe Björn Alpermann sieht den Vorfall im Zusammenhang mit zunehmendem Nationalismus und patriotischer Indoktrination in China.

  • Kinder werden gezielt angegriffen, da sie einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert haben und solche Taten in China vermehrt vorkommen, besonders bei politischen Ereignissen.

In Zürich Oerlikon attackierte ein 23-jähriger Chinese eine Gruppe Hortkinder. Kurz vor der Tat postete er auf Instagram einen längeren Text auf Chinesisch, in dem er über sexuelle Fantasien mit einer Frau und über die Liebe zu seinem Heimatland schreibt. Der Post endete mit «Happy National Day» und Bildern von China-Flaggen, begleitet von einem Lied des «Chors der Roten Armee Chinas».

Laut Sinologe Björn Alpermann ist der Messerangriff kein Einzelfall: «Solche Attacken haben in China in den letzten Jahren zugenommen, insbesondere bei politischen Feierlichkeiten oder nationalistischen Gedenktagen.» Es sei denkbar, dass der Täter durch den Nationalfeiertag eine Bühne für seinen Angriff suchte. Proteste, die in Verbindung mit politischen Ereignissen stattfinden, lösten oft ein starkes Echo aus.

Sinologie

Sinologe ist die Wissenschaft der chinesischen Sprache, Literatur, Geschichte, Kultur und Philosophie. Sinologen erforschen auch die politische und wirtschaftliche Entwicklung Chinas, sowie dessen gesellschaftlichen Strukturen.

Der Angriff sei kein isolierter Einzelfall, sondern Teil einer Kette ähnlicher Ereignisse im Inland: So kam es im Juni in Nordostchina zu einer Messerattacke auf Amerikaner und einer weiteren auf eine japanische Mutter und ihr Kind in Suzhou. Eine Chinesin, die die Angegriffenen verteidigte, kam ums Leben. Erst im September wurde ein zehnjähriger Japaner in Südchina mit einem Messer angegriffen und verstarb. Und am Vorabend des Nationalfeiertags kam es zu einer Messerattacke in einem Supermarkt in Shanghai mit drei Toten und 15 Verletzten.

Die Polizei gab bisher keine weiteren Informationen zum mutmasslichen Täter oder seinem Tatmotiv bekannt.

Die Polizei gab bisher keine weiteren Informationen zum mutmasslichen Täter oder seinem Tatmotiv bekannt.

Rahel Zuber

Kinder werden gezielt angegriffen

Kinder würden auch bei Amokläufen in China gezielt angegriffen werden, da diese einen besonders hohen Stellenwert in der Gesellschaft hätten: «Für viele Familien dreht sich das gesamte Leben um das Wohl ihrer Kinder, mit dem Ziel, ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen – und die Renten der Eltern zu sichern. Besonders in den Städten, wo oft Einzelkinder grossgezogen werden.» Ein Kind zu verlieren, sei in jeder Kultur eine grosse Tragödie – doch in China habe dies aufgrund der gesellschaftlichen Bedeutung von Kindern eine noch grössere Tragweite. Um einen möglichst wunden Punkt zu treffen und somit für Aufsehen zu sorgen, würden deshalb Kinder angegriffen.

«Chinesische Regierung indoktriniert den Nationalismus»

In einem weiteren Beitrag kritisierte der 23-Jährige eine Veranstaltung über die Unabhängigkeit Taiwans, bezeichnete diese als «Schande» und schreibt, dass Taiwan zu China gehöre. Das von dem Täter verlinkte Lied, ein Marsch der Volksbefreiungsarmee, habe einen hohen symbolischen Wert. «In der chinesischen politischen Kultur hat dieses Lied einen starken nationalistischen Hintergrund. Dass er es in seinem Post verwendet, zeigt seine ideologische Überzeugung und die Nähe zur kommunistischen Rhetorik.»

«Unter Präsident Xi Jinping wurde diese patriotische Erziehung weiter intensiviert – den Jungen in Schulen und Universitäten indoktriniert», sagt Sinologe Björn Alpermann.

«Unter Präsident Xi Jinping wurde diese patriotische Erziehung weiter intensiviert – den Jungen in Schulen und Universitäten indoktriniert», sagt Sinologe Björn Alpermann.

AFP

Die chinesische Regierung habe in den letzten Jahren einen zunehmenden Nationalismus in der Gesellschaft aktiv vorangetrieben, sagt Alpermann: «Unter Präsident Xi Jinping wurde diese patriotische Erziehung weiter intensiviert – den Jungen in Schulen und Universitäten indoktriniert.» Ziel sei es, die Loyalität zur Nation und Regierung zu stärken – mit Erfolg. So seien junge Chinesinnen und Chinesen viel stärker vom Nationalismus geprägt als ihre Eltern.

China versuche, von innenpolitischen Spannungen abzulenken

Für Alpermann ist der Vorfall ein weiteres Zeichen dafür, dass sich in China in den letzten Jahren ein Klima entwickelt hat, das extremistische Handlungen fördert – sowohl im In- als auch im Ausland: «Die chinesische Regierung greift zunehmend auf kritische Rhetorik gegenüber den USA und Japan zurück und schiebt wirtschaftliche oder politische Herausforderungen auf diese Länder, um die eigene Bevölkerung zu besänftigen und von innenpolitischen Spannungen abzulenken.

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Polizei nach Kanton

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche

Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein

Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer

LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133

Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Beratungsstellen für gewaltausübende Personen

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