Nötigung und HausfriedensbruchStaatsanwaltschaft erlässt Strafbefehl gegen Blausee-Besitzer
Bei seinen Nachforschungen im Umweltskandal soll Stefan Linder zu weit gegangen sein. Dieser bestreitet die Vorwürfe und hat Einsprache gegen den Strafbefehl erhoben.
Darum gehts
Die Berner Staatsanwaltschaft hat Blausee-Besitzer Stefan Linder unter anderem wegen Hausfriedensbruch und Nötigung für schuldig erklärt.
Bei seinen Ermittlungen auf eigene Faust soll er die Grenze des Legalen überschritten haben.
Linder bestreitet die Anschuldigungen und zieht das Urteil weiter.
Im Zusammenhang mit dem massenhaften Forellensterben in der Fischzucht Blausee läuft seit bald vier Jahren eine Strafuntersuchung. Die Besitzer rund um Unternehmer Stefan Linder sind überzeugt, dass illegal abgelagerter Abfall im nahe gelegenen Steinbruch schuld an dem Fischsterben ist (s. Box unten). Sie wollen daher die Steinbruchbetreiberin SHB zur Rechenschaft ziehen.
In der Affäre stellte Linder auch eigene Nachforschungen an – und überschritt dabei womöglich die Grenze des Legalen. Dieser Ansicht ist zumindest die Berner Staatsanwaltschaft: Sie erklärt den Gründer des Swiss Economic Forums des mehrfachen Hausfriedensbruchs, der mehrfachen Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs sowie der Nötigung für schuldig, wie der «SonntagsBlick» unter Berufung auf einen Strafbefehl vom 4. März 2024 berichtet.
Überwachungskamera und Drohnenflüge
Demnach habe Linder zwischen Juni und November 2020 widerrechtlich das Areal der SHB betreten und dort illegal eine Überwachungskamera installiert. «Linder wusste um die Unrechtmässigkeit seines Eindringens», schreibt die Staatsanwaltschaft. Zudem soll der Beschuldigte mindestens sechsmal Drohnenaufnahmen auf dem Firmengelände gemacht haben.
Weiter soll Linder versucht haben, eine Lastwagenchauffeurin «zu einer Kooperation in seinem Sinn mit den Strafverfolgungsbehörden zu bewegen». Dabei habe er vorgegeben, «jahrelang in einer Sondereinheit» gewesen «und in Polizeikreisen bestens vernetzt» zu sein. Eine andere Nachricht habe die Frau «als Drohung» aufgefasst, sie bei der Polizei anzuzeigen. Die Staatsanwaltschaft betrachtet dies als Nötigung.
Sie belegt Linder mit einer bedingten Geldstrafe von 51'680 Franken sowie einer Verbindungsbusse von 12'920 Franken. Die erwähnte Überwachungskamera wird «zur Vernichtung eingezogen».
Bei seinen Einsätzen hatte der Blausee-Chef auch seinen Sohn dabei. Auch dieser wurde wegen Hausfriedensbruchs und Privatsphärenverletzung schuldig gesprochen.
Einsprache gegen Strafbefehl
Linder bestreitet die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft. Wie sein Anwalt gegenüber dem «SonntagsBlick» festhält, habe Linder das Areal nicht betreten, sondern «die Fotos und Videos der illegalen Vorgänge im Steinbruchgelände von einem privaten Nachbargrundstück aus erstellt» und «unverzüglich der Kantonspolizei und den Behörden» weitergegeben. Die Drohnenflüge hätten sich im Rahmen des Erlaubten bewegt. Und die Chauffeurin habe gegenüber der Polizei «mehrfach bestätigt», dass sie von Linder weder bedroht noch genötigt worden sei.
Linder und sein Sohn haben Einsprache gegen den Strafbefehl erhoben. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig. Für beide gilt die Unschuldsvermutung.
Was bisher bekannt war
Berichte eines Zürcher Labors, die auch 20 Minuten vorliegen, zeigen massiv überhöhte Werte von Arsen, Blei, Kadmium, Kupfer, Mangan, Quecksilber, Zink, Nickel, Chrom und Aluminium im Blausee-Wasser. Experten und Expertinnen vermuten, dass dafür Baupfusch bei der Sanierung des Lötschberg-Scheiteltunnels (nicht zu verwechseln mit dem Basistunnel, der 2007 fertiggestellt wurde) verantwortlich ist. Ein Strafverfahren läuft.
Im Steinbruch & Hartschotterwerk Blausee-Mitholz (SHB) wurde, so zeigen Berichte, jahrelang giftiger Gleisschotter abgelagert. Das ist problematisch, weil der Steinbruch keine Deponie und deshalb nicht gegen Gifte gesichert ist. Zudem befindet er sich nahe am Grundwasser und der Kander, die am Blausee vorbei und schliesslich in den Thunersee fliesst. Kanton und Bund hatten den Transport von giftigen Substanzen genehmigt, obwohl sie das eigentlich nicht hätten tun dürfen. Weder das Berner Amt für Abwasser und Abfall (AWA) noch das Bundesamt für Verkehr (BAV) wollen jedoch die Verantwortung für den Fehler übernehmen.
Die französische Firma Vigier, der Mutterkonzern von SHB, bestreitet, dass die giftigen Stoffe im See aus dem Steinbruch stammten. Seit November 2020 (also über ein halbes Jahr nach dem grossen Fischsterben) würden stetig Proben entnommen. Sie seien alle unbedenklich gewesen.
Ein Untersuchungsbericht des Kantons Bern, der im Mai 2021 publik wurde, kam zum Ergebnis, dass es «keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung des Grundwassers mit Schadstoffen» gegeben habe.
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