Club-InfernoDemonstration eskaliert: Café von Clubbesitzer wird zerstört
Bei einem Brand in einem Club in Nordmazedonien sind mindestens 59 junge Menschen ums Leben gekommen. 20 Minuten ist vor Ort und hält dich im Ticker auf dem Laufenden.
20-Minuten-Reporter Mikko Stamm ist in Kochani.
20minDarum gehts
Gegen drei Uhr morgens in der Nacht auf Sonntag brach im Club «Pulse» im nordmazedonischen Kochani ein Brand aus.
Mindestens 59 Menschen im Alter von 14 bis 25 sind dabei ums Leben gekommen.
20-Minuten-Reporter Mikko Stamm ist vor Ort.
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Demonstration eskaliert: Café von Clubbesitzer wird gestürmt
Am Montagnachmittag kam es am Rande einer Demonstration in Kochani zu Ausschreitungen: 20-Minuten-Reporter Mikko Stamm war dabei, als mehrere Personen die Scheiben eines Cafés einschlugen. Danach drangen mehrere junge Männer ins Lokal ein und zerstörten das Inventar.

Zahlreiche Männer verschafften sich gewaltsam Zugang zum Café.
20minBei dem Besitzer handelt es sich – laut dem anwesenden Polizisten – um die gleiche Person, die auch den Club «Pulse» betreibt, in dem sich in der Nacht auf Sonntag die Brand-Katastrophe ereignete. Die Polizei habe die Demonstranten nicht davon abgehalten, das Café zu stürmen, beobachtet Mikko.
Laut dem 20-Minuten-Reporter sind Hunderte Menschen vor Ort, die sich am Protest beteiligten. Zunächst sei die Demonstration allerdings friedlich verlaufen.
Schlange, um Kondolenzbuch zu unterzeichnen
Im Zentrum der Stadt finden sich auch am Tag nach der Tragödie viele Menschen ein, um zu trauern. Sie stehen in der Schlange, um etwas ins Kondolenzbuch zu schreiben und Kerzen anzuzünden.

Dutzende Menschen stehen Schlange, um das Kondolenzbuch zu unterschreiben.
20 Minuten
Die Stimmung in Kochani ist gedrückt.
20 MinutenEDA: Bislang keine Schweizer unter den Opfern
Laut dem Eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) sind bislang keine Schweizer unter den Toten oder Verletzten – so der Stand am Montagmittag. Dies sagte Pressesprecher Jonas Montani gegenüber 20 Minuten. Die Schweizer Vertretung in Skopje stünde allerdings in Kontakt mit den zuständigen Behörden vor Ort. (eve)
Trauer und Wut: «Diese Menschen wurden getötet»
Saša (52) ist Englischlehrer in Kochani. Auf die Frage, wie es ihm geht, atmet erst einmal tief durch. «Mir geht es mittlerweile etwas besser. Aber heute Morgen und den ganzen Tag durch… Ich weiss nicht… Ich habe sehr gemischte Gefühle», sagt er. Er spüre Aufruhr und Wut. Aber auch Erleichterung. «Meine Tochter lebt. Ich kann meine Gefühle kontrollieren. Aber ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie es all den Eltern gehen muss, die ihre Kinder verloren haben.»
«Wir weisen den Verstorbenen den Weg in den Himmel»
Er sei an diesem Abend zur Versammlung der Trauernden gekommen, weil er orthodoxer Christ und ein gläubiger Mensch sei. Die nächsten Worte drohen in Sašas Tränen zu ersticken, er muss mehrfach ansetzen: «Unserem Glauben nach weist du den Verstorbenen den Weg in den Himmel, indem du eine Kerze für sie anzündest. Das verdienen sie.»

Saša (52) ist Englischlehrer in Kochani.
20min/Mikko Stamm«Das war Mord»
Saša hat eine klare Meinung, wer für den Tod all der jungen Menschen verantwortlich ist: «Wenn du einen Ort hast, der nicht für 1500 Menschen ausgelegt ist, und du steckst trotzdem 1500 Menschen da rein. Wenn du da ein Konzert veranstaltest, ohne irgendwelche Sicherheitsstandards einzuhalten oder Fluchtwege zu haben. Wenn dann ein Feuer ausbricht und die Menschen nicht fliehen können. Dann ist das Mord.»
Saša ist überzeugt, dass in Kochani nie wieder etwas sein wird wie zuvor: «Wir warten darauf, dass die Toten begraben werden. Dann wird es hier Proteste geben, eine Revolte.»
«Meine Tochter hat Dinge gesehen, die niemand sehen sollte»
Zuvor schilderte Saša, wie es seiner Tochter ergangen war, die ebenfalls im Club war in der verhängnisvollen Nacht: «Sie ging dahin, wir warteten zu Hause auf sie, dann schlief ich ein. Meine Frau weckte mich, weil unsere Tochter angerufen hatte. Sie bat darum, sie an der Tankstelle abzuholen, weil im Club ein Feuer ausgebrochen sei.» Von seiner Terrasse aus habe er die Flammen meterhoch in den Himmel steigen sehen. «Doch ich hätte mir das Ausmass dieser Katastrophe niemals vorstellen können. Ich dachte, die Menschen seien entkommen und das Feuer werde gelöscht.»
Seine Tochter stehe immer noch unter Schock, könne nicht mehr schlafen und nehme Beruhigungsmittel. «Sie hat Freunde verloren da drin und Dinge gesehen, die niemand sehen sollte, schon gar nicht in ihrem Alter.»
Luka (20): «Das waren noch Kinder»
Am Ort, wo die Menschen sich zum Trauern eingefunden haben, trifft der 20-Minuten-Reporter auf Luka (20). Luka lebte 13 Jahre lang in Deutschland, ging dann aber zurück nach Mazedonien, um seine Fussballkarriere voranzutreiben. «Ich will hier etwas erreichen. Doch jetzt gehen mir natürlich gerade ganz andere Gedanken durch den Kopf.»

Luka (20) trauert um einen guten Freund, den er seit Kindestagen kannte, sie spielten zusammen Fussball in Kochani.
20min/Mikko Stamm«Sonst wäre ich womöglich auch in den Club»
Luka sagt, er habe Glück gehabt, dass er nicht selber im Club war. «Wir hätten eigentlich gestern ein Spiel gehabt, das auf heute verschoben worden ist. Wer weiss, was sonst geschehen wäre.»
Trotzdem trauert Luka: «Ich habe beim Clubbrand einen guten Freund verloren, er ist in der Nacht gestorben. Wir kannten uns von klein auf und haben zusammen Fussball gespielt. Ich kann das noch gar nicht in Worte fassen, es ist so surreal. Natürlich verspüre ich Trauer, aber ich kann noch nicht wirklich realisieren, dass all die jungen Menschen, die in dem Feuer ums Leben gekommen sind, einfach nicht mehr da sein werden.»
«Es gibt wohl nicht Schlimmeres für Eltern, also ihr Kind zu verlieren»
Gerade in schwierigen Tagen wie diesen müssten die Menschen zusammenstehen. «Kochani ist eine relativ kleine Stadt, die allermeisten kennen sich hier oder haben sich zumindest schon einmal gesehen. Dass jetzt alle hier zusammenkommen, um gemeinsam zu trauern und die Mütter und Väter zu unterstützen, die ein Kind verloren haben, ist ein schönes Zeichen. Es gibt wohl nicht viel Schlimmeres für Eltern, als ein Kind zu verlieren. Gerade, wenn sie noch so jung sind. Viele dieser Kinder hatten gerade erst richtig angefangen, zu leben. Jetzt sind sie tot.»
In die Trauer mische sich bei Luca auch eine leise Wut: «Natürlich fragt man sich, wieso das passieren musste. Wir haben erfahren, dass der Club gar keine Lizenz mehr hatte und man fragt sich, wieso die Security Minderjährige reinliessen. Das Gefühl, ob alles anders gekommen wäre, ist natürlich da. Doch erst geht es jetzt einmal darum, zu trauern und den Menschen beizustehen, die jemanden verloren haben.»
In Kochani kommen die Menschen zusammen, um gemeinsam um die jungen Erwachsenen und Jugendlichen zu trauern, die beim Clubbrand ums Leben gekommen sind.
20min/Mikko StammKerzen zum Trauern
Im Zentrum von Kochani haben sich viele junge Menschen versammelt, um den Opfern des Club-Infernos zu gedenken. Sie sind bei einer Promenade entlang des Flusses zum Trauern zusammengekommen, berichtet der 20-Minuten-Reporter vor Ort. «Es hat hier eine extrem lange Schlange, um Kerzen für die Opfer anzuzünden. Es scheint, als sei fast die ganze Kleinstadt hier erschienen, um zusammen zu trauern.»
«Die Situation wird immer angespannter»
«Die Situation vor dem Spital wird immer angespannter», erzählt unser Reporter vor Ort. Der Eingang des Spitals wird von mehreren Polizisten bewacht, um sicherzugehen, dass keine Eltern ins Spital hereingehen, wo die Toten liegen.
Eine Person erzählt unserem Reporter, in diesem Spital lägen nur die Toten. Die Verletzten seien ins Spital in Skopje und in ausländische Einrichtungen gebracht worden.
Wut und Trauer
Die Emotionen kochen immer wieder hoch, berichtet der 20-Minuten-Reporter vor Ort: «Es ist ziemlich chaotisch hier. Sehr viele Menschen sind zum Spital gekommen und stehen jetzt hier herum. Hin und wieder wird es laut und alle strömen an einen Ort, einige brechen in Tränen aus oder schreien laut herum.»
Aufgeladene Stimmung
Die Stimmung vor dem Spital in Kochani wird immer aufgeheizter, berichtet der 20-Minuten-Reporter vor Ort. «Ein Vater hat sein einziges Kind im Brand verloren. Er versteht nicht, wieso die Leiche nach Skopje gebracht werden muss.» Mehrfach habe der Mann gesagt: «Wir wissen, dass unsere Kinder im Feuer gestorben sind. Das muss man nicht in Skopje herausfinden.» Es werde mittlerweile auch viel gestritten, der Unmut sei gross.
Dany (27): «Sie sind hier gestorben, sie sollten hier bleiben»
Dany (27) aus Kochani ist aus Protest vor dem Spital: «Ich und viele andere stören uns daran, dass sie die Leichen für die Obduktion nach Skopje bringen. Sie sind hier gestorben, sie sollten hier bleiben.» Die Schuld für die Tragödie sieht er klar beim Club und dessen Betreiber: «Eigentlich sollte der Eintritt ab 18 Jahren sein. Doch sie haben Minderjährige reingelassen, weil sie mehr Geld machen wollen.» Auch die Lüftung im Club sei schlecht, er sei selber schon ein paar Mal im Club gewesen.
Dany kenne mehrere der Opfer. «Eine Kollegin von mir arbeitete an der Bar, auch ein Fussballspieler ist gestorben. Ich bin traurig und fassungslos. Es waren tolle junge Menschen, meine Gedanken sind bei ihren Familien.»

Dany (27) ist aus Protest vor dem Spital in Kochani.
20min/Mikko StammMenschen weinen vor dem Spital
Vor dem Spital in Kochani haben sich viele Menschen versammelt, darunter Angehörige von Opfern des Brandes. «Es herrscht eine traurige und angespannte Stimmung», schildert der 20-Minuten-Reporter vor Ort. Einige Angehörige weinten lauthals und müssten von Care-Teams betreut werden.
Bilder von Opfern kursieren auf Social Media
Auf Social Media kursieren immer mehr Bilder von Opfern des Brandes. Laut Cenov sind etwa zwei Fussballspieler verstorben, und auch mehrere Mitglieder der Band DNK, die in dieser Nacht ein Konzert gegeben hatte, sollen unter den Opfern sein. Diese Angaben liessen sich zunächst nicht überprüfen.
Nordmazedonier in der Schweiz entsetzt
Während Mikko Stamm sich vor Ort ein Bild macht, sprach 20 Minuten mit Nordmazedoniern in der Schweiz. «Es ist ein schwarzer Tag für unser Land», sagt Daniel Conev. Er sei den ganzen Morgen damit beschäftigt gewesen, herauszufinden, ob es Verwandten und Bekannten in Nordmazedonien gut gehe.
Auch I.E.* stammt aus der Gegend bei Kochani. «Ich war erst vor einem Monat noch in dem Club, der jetzt abgebrannt ist. Als gelernter Elektrokontrolleur konnte ich nur den Kopf schütteln und mir einen Platz nahe dem Notausgang sichern.»

Daniel Conev stammt aus Nordmazedonien und kam mit acht Jahren in die Schweiz.
privatDie beiden sind sich einig: «Was passiert ist, ist tragisch. Doch leider wird sich nichts ändern, dazu ist das Land zu korrupt.» Den ganzen Artikel kannst du hier nachlesen.
Strasse abgesperrt
20-Minuten-Reporter Mikko Stamm ist in Skopje gelandet und mit dem Auto rund 1,5 Stunden nach Kochani gefahren. An einer Polizeiabsperrung nahe des Clubs, in dem der Brand ausgebrochen war, wurde er aufgehalten. «Die Strasse ist abgesperrt, näher lassen sie Journalisten nicht an den Club», berichtet er. Noch immer seine viele Einsatzfahrzeuge der Sanität und vom Roten Kreuz unterwegs.
Derweil versammeln sich offenbar viele Angehörige vor den Krankenhäusern der Stadt, um mehr Informationen über ihre Angehörigen zu bekommen. Der 20-Minuten-Reporter macht sich darum jetzt auf den Weg dorthin.
Das ist passiert
In einem Club in Kochani, Nordmazedonien, sind 59 Menschen bei einem Brand ums Leben gekommen. Die Verstorbenen des verheerenden Brandes, der am Sonntagmorgen in einem Club in Kochani ausbrach, waren offenbar zwischen 14 und 25 Jahre alt. Das erklärte die Direktorin des Spitals in Kochani, Dr. Kristina Serafimova, gegenüber lokalen Medien.
Nach ersten Ermittlungen soll eine für Lichteffekte eingesetzte Funkenmaschine den Brand ausgelöst haben. Die Funken hätten die Deckenkonstruktion aus leicht entflammbarem Material in Brand gesetzt.
Nachbarländer bieten Hilfe an
Der serbische Präsident Aleksandar Vucic hat Helikopter und Ärzte zur Verfügung gestellt. Auch der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis hat seine Unterstützung angeboten. Der nordmazedonische Gesundheitsminister Arben Taravari hat angekündigt, dass rund 20 Patientinnen und Patienten zur weiteren Behandlung ins Ausland gebracht werden sollen. Auch aus Albanien gab es Hilfsangebote, ebenso aus den Niederlanden.
Das nordmazedonische Gesundheitsministerium teilte weiter mit, dass insgesamt rund 150 Patientinnen und Patienten in verschiedenen Gesundheitseinrichtungen des Landes untergebracht sind. 18 befänden sich in kritischem Zustand.
Club hatte offenbar keine gültige Lizenz
Der Sender TV21 berichtet, dass der Club Pulse seit einem Jahr keine Lizenz des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit mehr besessen habe. Die letzte Lizenz sei am 13. März 2023 mit einer Laufzeit von einem Jahr erteilt worden.
Eltern suchten mit Fotos nach ihren Kindern
Zum Zeitpunkt der Katastrophe sollen sich rund 1500 vor allem junge Menschen in der Diskothek aufgehalten haben. Medien in Nordmazedonien berichteten von dramatischen Szenen: Verzweifelte Eltern suchten in sozialen Netzwerken mit Fotos nach ihren Kindern. Bürger unterstützten die Rettungskräfte, indem sie Verletzte mit eigenen Autos transportierten oder den Krankenwagen folgten.