Nordmazedonien«Tragisch, doch das Land ist zu korrupt für echte Veränderung»
Nordmazedonier in der Schweiz eint nach der Club-Katastrophe in Kochani die Sorge um Angehörige. Und die Wut auf eine korrupte Regierung.
20-Minuten-Reporter Mikko Stamm ist in Kochani in Nordmazedonien.
20minDarum gehts
Bei einem Brand in einem Club im nordmazedonischen Kochani kamen mindestens 59 junge Menschen ums Leben.
Nordmazedonier in der Schweiz bangen um ihre Verwandten und Bekannten.
Sie sind schockiert – und wütend auf ein Land, das zu korrupt sei für echte Veränderung.
Bei einem verheerenden Brand in einem Club sind in Kochani in Nordmazedonien mindestens 59 Menschen ums Leben gekommen, Dutzende weitere sind verletzt. Daniel Conev stammt selber aus Kochani, ist 1993 im Alter von neun Jahren in die Schweiz gekommen. «Seit wir heute Morgen aufgewacht sind und die Nachrichten gesehen haben, versuchen wir herauszufinden, wie es unseren Verwandten und Bekannten geht. Doch die Lage ist unübersichtlich, auch fast zwölf Stunden nach Ausbruch des Brandes haben wir noch nicht von allen gehört», sagt er zu 20 Minuten.
So sei etwa der Sohn einer Cousine von Conev in der Nacht im Club gewesen. «Seither haben wir nichts mehr gehört. Wir wissen nicht, ob er unter den Opfern ist oder ob er früher nach Hause gegangen ist und wo er jetzt ist.» Conev hänge schon den ganzen Tag am Telefon, verfolge die Nachrichten und Social Media. «Alle 15 Minuten oder so werden neue Bilder gepostet von jungen Menschen, bei denen tragische Gewissheit herrscht, dass sie im Feuer umgekommen sind.» Conev geht davon aus, dass die Opferzahl noch steigen wird: «Viele befinden sich in kritischem Zustand und das Spital in Kochani ist eine Katastrophe. In jedem schlechten Horrorfilm sieht das Spital besser aus als das in Kochani.»
Der Moment, in dem die Funken des pyrotechnischen Materials den Brand auslösen.
20min«Ich liebe Nordmazedonien, doch es ist ein korruptes Drecksloch»
Auch I.E.* stammt aus der Gegend bei Kochani. «Ich war erst vor einem Monat noch in dem Club, der jetzt abgebrannt ist. Als gelernter Elektrokontrolleur konnte ich nur den Kopf schütteln und mir einen Platz nahe dem Notausgang sichern.» Ein Cousin von E.* habe Verbrennungen erlitten, ansonsten gehe es ihm gut. «Wir sind schon den ganzen Tag am Telefon. Meine Frau ist Nordmazedonierin und wir haben beide Familie dort. Es ist ein Riesenchaos, einige Verwandte suchen immer noch nach ihren Kindern.»
In die Trauer um die jungen Menschen, die im Feuer gestorben sind, mischt sich beim 47-Jährigen Wut: «Ich liebe mein Land, aber Nordmazedonien ist ein korruptes Drecksloch, ich kann es leider nicht anders sagen», sagt er zu 20 Minuten. «Jetzt ist etwas passiert, es gibt einen Aufschrei, weil das auch über die Landesgrenzen hinausgeht. Doch ändern wird sich gar nichts.»
«Die Menschen jammern, aber niemand tut etwas»
Das liege teils an der Korruption: «Dem Clubbesitzer wird es einfach zu teuer gewesen sein, für den Brandschutz zu sorgen. Stattdessen schmiert er lieber jemanden von der Aufsicht, damit die wegsehen. So läuft das leider in diesem Land.» Für E.* kein Wunder, dass es mit seiner Heimatstadt den Bach runtergehe: «Ich kenne 40 Familien aus der Gegend, die in den letzten zwei Jahren das Land verlassen haben. Der Durchschnittslohn beträgt 300 oder 400 Euro, alle gut bezahlten Jobs sind in der Hauptstadt, der Rest versinkt in Korruption und Behördenversagen. Es ist tragisch, das mitansehen zu müssen.»
Doch auch die Menschen, die dort leben, tragen für E.* eine Verantwortung: «Ich bin oft da, und jedes Mal höre ich sie jammern über die Regierung. Doch es tut niemand etwas. Sie feiern es als Freiheit, wenn sie ihre Dreijährigen ohne Kindersitz ins Auto setzen können. Das ist einfach die Mentalität da unten, darum wird sich wohl auch nichts ändern. Ich hoffe sehr, dass der Vorfall der Tropfen ist, der das Fass zum Überlaufen bringt, dass die Menschen auf die Strasse gehen und sich gegen die korrupte Regierung wehren. Aber leider kann ich nicht wirklich daran glauben.»
«Ein schwarzer Tag, doch ändern wird sich nichts»
Auch Daniel Conev hat wenig Hoffnung auf Veränderung: «Es gab während Corona einen Fall in einem Spital, wo wegen Fehler Menschen gestorben sind. Da musste sich noch nicht einmal jemand vom Spital verantworten. Das ganze Land ist leider zu korrupt. Das hat man auch bei diesem Club gesehen, es war bekannt, dass da Drogen konsumiert wurden und Minderjährige da sind, mehrere Menschen haben das gemeldet – passiert ist nie etwas.»
Die beiden sind sich einig: «Es ist ein schwarzer Tag für Kochani, für das Land Mazedonien und alle Menschen, die in diesem Feuer jemanden verloren haben. Doch leider wird das nicht ausreichen für echte Veränderungen in dem Land, das wir lieben.»
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