Krank im Homeoffice – Nothelferkurse für psychische Probleme boomen bei Firmen

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Krank im HomeofficeNothelferkurse für psychische Probleme boomen bei Firmen

Unternehmen bieten Mitarbeitenden immer öfters Kurse für psychische Nothilfe an. So sollen Angestellte mentale Probleme frühzeitig erkennen können.

Angestellte fühlen sich in der Corona-Krise zunehmend überlastet.
Darum setzen nun immer mehr Schweizer Firmen auf Nothelferkurse für psychische Gesundheit.
Für Firmen zahlt es sich aus, Warnsignale frühzeitig zu erkennen.
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Angestellte fühlen sich in der Corona-Krise zunehmend überlastet.

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Darum gehts

Überarbeitet und erschöpft: Viele Schweizer Angestellte fühlen sich in der Corona-Krise überlastet. Denn in der Pandemie wird vermehrt zuhause gearbeitet. Arbeitsnehmende verbringen dadurch mehr Zeit vor dem Bildschirm und bewegen sich weniger.

Darum setzen nun immer mehr Schweizer Firmen auf Nothelferkurse für psychische Gesundheit, so etwa die Swisscom, Novartis und Swiss Re. Dort lernen Angestellte und Chefs, wie sie mentale Probleme bei Mitarbeitenden frühzeitig erkennen, wie die «Sonntagszeitung» schreibt.

Teilnehmerzahl hat sich vervierfacht

So bietet etwa die Stiftung Pro Mente Sana eine solche Ausbildung in «Mental Health First Aid» seit 2019 an. Diese dauert vier halbe Tage. Während vor Corona rund 1000 Personen den Kurs besuchten, waren es 2021 bereits 4000 Teilnehmende.

Für Firmen zahlt es sich aus, Warnsignale frühzeitig zu erkennen: Laut einer Studie aus Grossbritannien erhält ein Unternehmen pro investiertem Pfund in die mentale Gesundheit der Angestellten, fünf Pfund zurück – weil Krankheitstage durch Depressionen, Angstzustände und Stress wegfallen.

So kannst du mit psychischen Belastungen umgehen

Denn, obwohl viele Angestellte sehr gerne zuhause arbeiten, kann Homeoffice je nach Lebensumstände bereits vorhandene Schwierigkeiten verstärken, heisst es weiter. Im Erste-Hilfe-Kurs lernen die Mitarbeitenden, Alarmsignale zu erkennen. Zum Beispiel, wenn sich das Verhalten eines Teamkollegen plötzlich ändert (siehe Box unten).

Psychische Probleme wegen Homeoffice

Dass Arbeitnehmende vermehrt mit psychischen Problemen kämpfen, habe direkt mit dem Homeoffice zu tun, sagt Personalexperte Werner Raschle, Inhaber und CEO des Personalvermittlers Consult & Pepper, zu 20 Minuten: «Es gibt Leute, die nicht zurechtkommen mit dem Arbeiten zuhause.»

Denn oft fehle im Homeoffice die direkte Betreuung und die Anforderungen seien unklar. Das führe zu Stress bei einigen Personen. «Insbesondere Menschen, die nicht besonders selbstsicher sind, leiden darunter», so Raschle.

Schweizer holen sich oft zu spät Hilfe

Es lohne sich auf jeden Fall, wenn Firmen sich für die mentale Gesundheit der Angestellten einsetzen. Denn in der Schweiz werde die psychische Gesundheit gerne vernachlässigt: «Viele Schweizerinnen und Schweizer holen sich erst professionelle Hilfe, wenn es schon sehr schlimm ist», sagt Raschle.

Wichtig bei den Kursen zur mentalen Gesundheit sei, dass diese freiwillig sind, erklärt Arbeitspsychologin Nicola Jacobshagen: «Die Sensibilisierung ist wichtig, aber man darf die Angestellten auch nicht überfordern.» Zudem mache es Sinn, wenn Unternehmen auf externe Angebote zurückgreifen.

Gerade kleinere Firmen können sich interne Anlaufstellen nämlich nicht leisten. Auch haben viele Angestellte Hemmungen, sich an jemanden in der Firma zu wenden bei psychologischen Problemen. «Viele fürchten, dass so etwas in ihrer Personalakte vermerkt wird», erklärt Jacobshagen.

Laut Personalexperte Raschle sollten Angestellte auch nicht zusammen mit den Chefs in die Kurse geschickt werden. Sonst seien Mitarbeitende gehemmt und sprechen nicht offen: «Oft kommt es nämlich zu psychischen Problemen bei der Arbeit, weil die Führungspersonen nicht früh genug reagiert haben», erklärt Raschle.

Hast du oder hat jemand, den du kennst, eine psychische Erkrankung?

Hier findest du Hilfe:

Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858

Kinderseele Schweiz, Beratung für psychisch belastete Eltern und ihre Angehörigen

Verein Postpartale Depression, Tel. 044 720 25 55

Angehörige.ch, Beratung und Anlaufstellen

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

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