ObergerichtSohn der Freundin zu Tode geschüttelt: 15 Jahre Gefängnis
Ein Hilfsarbeiter (29) wurde 2023 vom Bezirksgericht Winterthur zu zwölf Jahren Haft verurteilt, weil er den 20 Monate alten Sohn seiner Freundin zu Tode schüttelte. Nun wurde der Fall vor dem Zürcher Obergericht verhandelt.
Darum gehts
Ein 29-jähriger Deutscher aus Winterthur ist wegen vorsätzlicher Tötung angeklagt.
Er soll im Frühjahr 2021 den 20-monatigen Sohn seiner Freundin zu Tode geschüttelt haben.
Das Bezirksgericht Winterthur verurteilte ihn 2023 zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und einem Landesverweis von elf Jahren.
Sein Verteidiger forderte einen Freispruch mangels Beweisen und gelangte ans Obergericht.
Um 18 Uhr ist das Urteil des Obergerichts gefallen: Es hat die Freiheitsstrafe auf 15 Jahre erhöht. Den Eltern muss der Mann 130’000 Franken Genugtuung bezahlen.
Der heute 29-jährige Deutsche aus Winterthur, der seit seiner Kindheit in der Schweiz lebt, ist der vorsätzlichen Tötung und weiterer Delikte angeklagt. In der Anklageschrift sind mehrere Vorfälle von Körperverletzungen durch heftige Schläge und Misshandlungen aufgelistet.
Am 3. Juni 2021 kam es dann zum schwersten Fall: Der Beschuldigte hat damals das Kind seiner Freundin, das durch die früheren Angriffe bereits geschwächt war, am Oberkörper gepackt und es gewaltsam hin- und hergeschüttelt. Der Knabe starb neun Tage später an einem irreversiblen Funktionsausfall des Gehirns im Spital.
Erste Instanz verurteilte ihn zu zwölf Jahren
Das Bezirksgericht Winterthur verurteilte den Mann im September 2023 wegen vorsätzlicher Tötung zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und verwies ihn für elf Jahre des Landes. Der Mann habe den Tod des Kindes nicht direkt angestrebt, aber in Kauf genommen.
Mit dem Urteil waren sowohl der Beschuldigte, als auch der Staatsanwalt nicht einverstanden und zogen ans Obergericht. Der Anwalt des Deutschen hatte einen Freispruch mangels Beweisen verlangt. Der Staatsanwalt forderte damals noch wegen Mordes eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren und eine ebenso lange Landesverweisung.
Vater von zwei Söhnen mit zwei Frauen
Bei der Befragung vor dem Obergericht am heutigen Donnerstag sagte der Mann, dass er momentan nicht arbeite und vom Sozialamt lebe. Er ist Vater von zwei Söhnen von zwei Frauen aus früheren Beziehungen und lebt bei seinen Eltern. Er hat für seine Kinder noch nie Unterhalt bezahlt, die Frauen erhalten Alimentenbevorschussung. Eine Lehre hat er nicht abgeschlossen, in der Schule hatte er Probleme gehabt.
Der Mann ist nicht vorbestraft und hat sich von Drogen distanziert. Über die Höhe seiner Schulden will er keine Auskunft geben. Der Deutsche ist mit zwölf Jahren in die Schweiz gekommen: «Hier ist meine Heimat», sagte er. Zu Deutschland habe er keine Beziehung.
Bei der Befragung zum Vorfall erwähnte der Richter, dass das Kind sich vom Freund der Mutter distanziert habe – zum Zeitpunkt, als es im Frühjahr 2021 geschlagen und geschüttelt wurde. Laut medizinischem Gutachten waren die Verletzungen durch Misshandlungen erfolgt und nicht durch Unfälle.
«Ich war niemals gewalttätig»
Der Richter sagte, die Mutter vermutete, dass ihr Freund den 20 Monate alten Sohn geschlagen habe. «Stimmt nicht, ich war niemals gewalttätig. Ich habe mit all dem nichts zu tun», sagte der Beschuldigte. Ob er gesehen habe, dass jemand anders das Kind geschlagen habe, will der Richter wissen. «Nein, es ist mir niemand aufgefallen.»
Weiter fragt der Richter, ob er eine Erklärung für die tödlichen Verletzungen des Buben habe. «Nein», lautete die Antwort des 29-Jährigen.
Auch Kindsmutter sass in U-Haft
Sein Anwalt forderte einen Freispruch und den Verzicht auf eine Landesverweisung. «Auch die Kindsmutter könnte die Täterin sein.» Die Freundin des Beschuldigten galt anfänglich auch als Tatverdächtige und sass drei Monate in Untersuchungshaft. «Der Staatsanwalt hat dann in der Anklage den ‹Stiefvater› als Beschuldigten aufgeführt, weil dies plausibler war», kritisierte der Verteidiger. Man könne auch Verletzungen in der Kinderkrippe nicht ausschliessen.
Fazit des Verteidigers: «Der Vorfall ist tragisch und erschütternd, aber es gibt keine Beweise gegen meinen Mandanten.» Deshalb müsse es einen Freispruch geben.
Der Staatsanwalt plädierte im heutigen Prozess nicht mehr wegen Mordes, sondern wegen vorsätzlicher Tötung. Er verlangte nun eine reduzierte Freiheitsstrafe von 14 Jahren und eine Landesverweisung von 13 Jahren. Zwar gebe es keine direkten Beweise, aber Indizien. «Es gibt keine Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten.» Das Kind sei ihm in der Beziehung zu seiner Freundin lästig geworden.
Freiheitsstrafe auf 15 Jahre erhöht
Der Beschuldigte soll wegen Fluchtgefahr umgehend in Sicherheitshaft gesetzt werden, forderte der Staatsanwalt weiter. Der Deutsche befand sich Ende August 2021 bis anfangs April 2022 sieben Monate in Untersuchungshaft, seitdem ist er auf freiem Fuss.
Das Obergericht hat den Beschuldigten der vorsätzlichen Tötung und weiterer Delikte schuldig gesprochen. Es verurteilte ihn zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Jahren und zu einer Landesverweisung von 13 Jahren. Zudem muss er den Eltern des Kindes insgesamt 130’000 Franken Genugtuung bezahlen.
Damit hat das Obergericht die Strafe gegenüber der Vorinstanz deutlich erhöht. «Der nicht einmal zwei Jahre alte Knabe ist über Wochen hinweg misshandelt worden», sagte der Richter und sprach von einem Martyrium.
Die Aussagen des Beschuldigten seien oft nicht glaubhaft oder vage gewesen, zudem habe er sich an vieles nicht mehr erinnern können. Das Kind habe in jener Zeit Angst vor dem Beschuldigten gehabt. «Weil die Gewaltvorwürfe zutreffen», wie der Richter begründete. Das Kind sei ihm völlig schutz- und wehrlos ausgeliefert gewesen. Ein eigentliches Motiv kann das Gericht nicht erkennen. Der Antrag des Staatsanwaltes auf sofortige Verhaftung wies das Obergericht ab. Anhaltspunkte für eine mögliche Flucht würden nicht vorliegen.
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