Ökozid: Geld- oder Gefängnisstrafen für Umweltzerstörer?

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ÖkozidSollen Umweltzerstörer künftig ins Gefängnis?

Angesichts zunehmender Umweltzerstörung wird der Ruf nach der Einführung von «Ökozid» als Straftatbestand lauter. Aber was genau ist Ökozid, und was könnte die Aufnahme ins Strafgesetz ausrichten?

Gabriella Alvarez-Hummel
von
Gabriella Alvarez-Hummel
Ökozid bedeutet so viel wie «Mord an der Natur» – die vorsätzliche, grossflächige Zerstörung von Ökosystemen.

Ökozid bedeutet so viel wie «Mord an der Natur» – die vorsätzliche, grossflächige Zerstörung von Ökosystemen.

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Darum gehts:

  • Ökozid bezeichnet die vorsätzliche und grossflächige Zerstörung von Ökosystemen, wie Abholzung, Umwelt- und Gewässerverschmutzung.

  • Organisationen wie Stop Ecocide arbeiten daran, den Tatbestand des Ökozids in Strafgesetzen weltweit zu verankern.

  • Einige wenige Länder kennen Ökozid heute bereits als Straftatbestand. Eines davon ist Frankreich.

  • Die Schweiz hat derzeit kein spezifisches Gesetz, das Ökozid als Verbrechen definiert und strafrechtlich verfolgt.

Könnte die Zerstörung der Umwelt bald ein internationales Verbrechen sein? Der 29. März 2023 war ein wichtiger Tag für die Organisationen, die sich seit Jahren für die Einführung von Ökozid als Straftatbestand einsetzen: Das Europäische Parlament hat sich dafür ausgesprochen, Ökozid als Verbrechen in die überarbeitete Umweltrichtlinie der EU aufzunehmen. Nun muss die Entscheidung noch vom Europäischen Rat und der Europäischen Kommission bestätigt werden.

Doch was bedeutet Ökozid überhaupt – und warum soll er seinen Weg ins Strafgesetz finden?

Definition: Was ist Ökozid?

Ökozid bezeichnet die vorsätzliche, grossflächige Zerstörung von Ökosystemen – also quasi den «Mord an der Natur». Beispiele dafür sind die Abholzung von Wäldern, die Verschmutzung von Gewässern oder die Ausbeutung natürlicher Ressourcen wie etwa Erdöl. Diese Aktivitäten haben oft schädliche Auswirkungen auf das Klima und die Lebensräume von Menschen und Tieren.

Verantwortlichkeit: Wer wird zur Rechenschaft gezogen?

Ein Gesetz, das Ökozid als Verbrechen anerkennt, würde Regierungen, Unternehmen und Einzelpersonen haftbar machen, die sich an der Zerstörung von Ökosystemen beteiligen. Dies könnte dazu beitragen, den Schutz der Umwelt zu verbessern und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Befürworterinnen und Befürworter argumentieren, dass ein solches Gesetz auch dazu beitragen würde, die Auswirkungen des Klimawandels zu reduzieren.

Organisationen wie «Stop Ecocide» setzen sich dafür ein, dass Ökozid Einzug in die Strafgesetzbücher findet.
Welche Fälle von Umweltzerstörung genau unter ein Ökozid-Gesetz fallen würden, ist offen.
In Frankreich wurden gewisse Kurzstreckenflüge im Zuge der Ökozid-Debatten verboten.
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Organisationen wie «Stop Ecocide» setzen sich dafür ein, dass Ökozid Einzug in die Strafgesetzbücher findet.

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Kritik: Unklarheit bei Grenzziehung

Wer die Natur zerstört, soll bestraft werden. Klingt einleuchtend, oder? Nicht für alle. Kritikerinnen und Kritiker befürchten, dass Unternehmen versuchen würden, Ökozid-Gesetze zu umgehen, indem sie ihre Aktivitäten in Länder verlegen, in denen Ökozid nicht verboten ist. Zudem: Inwiefern lässt sich Ökozid tatsächlich messen und wie können unterschiedliche Länder eine gemeinsame Definition finden? Wo zieht man die Grenze zwischen legalen wirtschaftlichen Aktivitäten und kriminellen Umweltverbrechen?

Schweiz: Ökozid im Ständerat

In der Schweiz hat sich zuletzt im Jahr 2021 der Ständerat explizit mit dem Begriff des Ökozids auseinandergesetzt. Laut Stellungnahme sah er zu jener Zeit keinen konkreten Handlungsbedarf.

Internationaler Kontext: Bewegungen zur Anerkennung von Ökozid

Frankreich hat als eines der ersten Länder ein Gesetz gegen Ökozid eingeführt. Andere Länder diskutieren ebenfalls über die Einführung entsprechender Gesetze. In der Ukraine sammelt eine Landschaftsökologin Beweise für russische Kriegsverbrechen an der Natur, um die Verantwortlichen in Zukunft möglicherweise nicht nur für gesellschaftliche Verbrechen, sondern auch für Ökozid zur Rechenschaft zu ziehen.

Zukunft: Noch unklar

Tatsache ist: Die Anerkennung von Ökozid als Straftat könnte eine bedeutende Rolle bei der Bekämpfung von Umweltzerstörung und Klimakrise spielen. Die neuesten Entwicklungen auf EU-Ebene würden eine Person ganz besonders freuen: «Stop Ecocide»-Mitgründerin Polly Higgins widmete die letzten Jahre ihres Lebens dem Kampf gegen die Umweltzerstörung. Kurz vor ihrem Tod im Jahr 2019 im Alter von nur 50 Jahren zeigte sich Higgins optimistisch, dass ihr Engagement durch ihr Team weitergeführt würde. Es deutet alles darauf hin, dass sie recht behält.  

Soll es ein Gesetz gegen Ökozid geben?

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