Ärzte warnen: Elias (17) vergiftete sich bei Paracetamol-Challenge

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Gefährlicher TrendÄrzte warnen: Elias (17) vergiftete sich bei Paracetamol-Challenge

Vergangene Woche machten Elias* (17) und ein Freund nach eigenen Angaben bei der potenziell tödlichen Paracetamol-Challenge mit. Elias wurde ohnmächtig und musste sich übergeben. Die Gefahren blendeten sie aus – trotz Warnungen von Gesundheitsbehörden.

Der 17-jährige Elias aus Zürich machte nach eigenen Angaben bei der lebensgefährlichen Paracetamol-Challenge mit.
Dabei fordern sich Jugendliche momentan gegenseitig heraus, sehr hohe Dosen des Schmerzmittels Paracetamol einzunehmen.
Die «Paracetamol-Challenge» grassiert besonders auf Tiktok.
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Der 17-jährige Elias aus Zürich machte nach eigenen Angaben bei der lebensgefährlichen Paracetamol-Challenge mit.

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Darum gehts

  • Elias (17) sagt, er habe an der gefährlichen Paracetamol-Challenge teilgenommen und eine Überdosis geschluckt.

  • Er sei ohnmächtig geworden, nachdem er und ein Freund sich in der Challenge messen wollten.

  • Die Challenge kann zu schwerem Leberversagen führen und ist lebensgefährlich.

  • Gesundheitsbehörden warnen vor den Risiken und rufen zu erhöhter Wachsamkeit auf.

Dass Jugendliche sich mit Mutproben beweisen wollen, war vermutlich immer so. Je gefährlicher, desto besser, ist oft das Motto. Auch der neue Tiktok-Trend, die «Paracetamol-Challenge», zielt genau darauf ab: Jugendliche messen sich darin, wer die grösseren Mengen des Schmerzmittels schlucken kann.

Auch der 17-jährige Elias* aus Zürich machte bei der Challenge mit. «Vergangene Woche schickte mir ein Freund ein Video dazu auf Tiktok. Wir wollten dann testen, wer von uns beiden mehr schlucken kann», erzählt der junge Mann, der in der Kundenberatung arbeitet. Da Elias laut eigener Aussage auch sonst schon bei den kleinsten Schmerzen Paracetamol schluckt, war er sich sicher, diese Challenge zu gewinnen.

15 Minuten ohnmächtig

Um dem Ganzen noch mehr Spiel-Charakter zu geben, hätten die beiden darum gewürfelt, wer die nächste Pille schlucken muss. «Ich habe deutlich öfter verloren, also musste ich mehr nehmen», erzählt der 17-Jährige. Am Ende habe er eine Dosis genommen, die die empfohlene Tagesdosis um ein Mehrfaches übersteigt. Angst habe er dabei keine verspürt. «Irgendwann bin ich dann ohnmächtig geworden», erzählt er. «Bestimmt so für 15 Minuten.»

Auf die Frage, warum sein Kollege deswegen nicht die Ambulanz gerufen hat, antwortet er: «Er dachte wohl, ich würde schlafen.» Als Elias dann wieder zu sich kam, sei ihm sehr schlecht gewesen. «Ich habe dann alles wieder ausgekotzt.»

«Ich finds einfach lustig, mal etwas Neues auszuprobieren»

Es sei nicht die erste Tiktok-Challenge, die Elias mitgemacht hat: Bei der «Hot Chip Challenge», bei der man einen ultrascharfen Kartoffelchip essen musste, habe er sogar drei Chips aufs Mal gegessen. Der 17-Jährige relativiert das gefährliche Verhalten: «Ich finds einfach lustig, mal etwas Neues auszuprobieren.»

Weil Elias nicht zum Arzt gegangen ist, sind seine Schilderungen für 20 Minuten nicht nachprüfbar. Was er am Telefon erzählt, klingt aber plausibel, er schickt auch sofort ein Bild von den leeren Packungen. Mehrere Ärzte, die 20 Minuten angefragt hat, sagen: Die Einnahme einer solchen Menge Paracetamol sei zwar idiotisch und könne langfristig schwere Schäden hervorrufen, die Schilderungen der Menge und der Auswirkungen klängen aber plausibel.

Kantone schlagen Alarm

Klar ist: Harmlos ist die Paracetamol-Challenge nicht. Das Medikament kann zu schwerem Leberversagen und bei Überdosierung sogar zum Tod führen. Die ersten Anzeichen einer Vergiftung können teilweise erst 48 Stunden nach der Einnahme auftreten. Zu den Symptomen gehören Bauchschmerzen, Übelkeit, gelbe Haut und Koordinationsprobleme. Die Tageshöchstmenge beträgt bei Erwachsenen maximal vier Gramm, die handelsübliche Tablette enthält 500 Milligramm des Wirkstoffes.

Am vergangenen Donnerstag schlugen mehrere Westschweizer Kantone Alarm, um auf die negativen Folgen des Trends aufmerksam zu machen. Besonders die Apotheken wurden dazu aufgerufen, erhöhte Wachsamkeit walten zu lassen. Auf Anfrage von 20 Minuten sagten die Gesundheitsbehörden der Kantone Jura und Waadt, dass sie die Warnung aus präventiven Gründen herausgegeben hätten.

Was denkst du über gefährliche Challenges wie die Paracetamol-Challenge?

«Im Moment ist im Kanton Waadt kein Fall bekannt. Da wir die Resonanzfähigkeit der sozialen Netzwerke bei Jugendlichen kennen, erschien es uns wichtig, vorzubeugen und Fachleute sowie Bevölkerung zu sensibilisieren.» Ähnlich antwortete die Gesundheitsbehörde des Kantons Jura: Auch hier seien bisher keine Fälle von Hospitalisierungen bekannt.

Darum setzen sich Jugendliche dem Risiko aus

Doch was verleitet Jugendliche überhaupt zu solchen waghalsigen Aktionen, die potenziell tödlich sein könnten? Martina Gregori-Robbiani von der Nationalen Jugend- und Medienplattform des Bundesamtes für Sozialversicherungen ordnet auf Anfrage das Verhalten ein. «‹Challenges› oder ‹Mutproben› sind nichts Neues. In der Pubertät kommt es vor, dass Jugendliche sich dazu hinreissen lassen, sich einer Mutprobe zu stellen, um zum Beispiel zu einer bestimmten Gruppe zu gehören oder von anderen Gleichaltrigen respektiert zu werden.» Dazu käme, dass Jugendliche sich tendenziell risikofreudiger verhielten als Erwachsene. Gleichzeitig sei das Urteilsvermögen noch nicht ausgereift.

Dennoch gebe es bei den aktuellen Challenges eine neue Komponente: die sozialen Medien. «Sie haben die Bedeutung solcher Mutproben vergrössert und möglich gemacht, dass unzählige Jugendliche dieselbe Challenge machen.» Auch wenn viele der Challenges sehr gefährlich seien, sei oft genau dies der Reiz für die Jugendlichen. «Sie wollen etwas Neues ausprobieren und Grenzen austesten, immer mit dem Ziel, die Aufmerksamkeit und Anerkennung von Gleichaltrigen und ihren Followern auf sich zu ziehen.»

Die Plattform Jugend und Medien rät Eltern daher, mit ihren Kindern über diese Herausforderungen und insbesondere über die negativen Folgen solcher Tendenzen zu sprechen.

*Name geändert, echter Name ist der Redaktion bekannt

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