Russischer Agent kaufte in Bern kistenweise Munition

Kurz vor der Bürgenstock-Konferenz enttarnten Schweizer Sicherheitsbehörden einen mutmasslichen russischen Agenten, der in Bern als Diplomat tätig war. Der Agent soll versucht haben, Waffen und gefährliche Stoffe zu beschaffen.

Wie nun bekannt wurde, hatte sich der Agent hoch spezialisierte Präzisionsmunition beschafft, die für gezielte Tötungen geeignet ist. Mindestens 1000 Patronen wurden im Herbst 2023 von einem Waffenhändler aus der Region Bern an den Agenten verkauft und in einem Parkhaus übergeben, wie Recherchen der Zeitungen der Tamedia zeigen.

Der Agent, offiziell als Diplomat an der russischen Handelsvertretung in Bern akkreditiert, stand demnach bereits unter Beobachtung des Schweizer Nachrichtendienstes. Die Bundesanwaltschaft habe aufgrund des Vorfalls Ermittlungen wegen Verstössen gegen das Kriegsmaterial- und Embargogesetz eingeleitet.

Im Laufe mehrerer Treffen in einem Parkhaus nahe dem Waffengeschäft in Bern habe der Waffenhändler dem Agenten mehrere Munitionskisten übergeben, darunter Scharfschützenmunition des Typs «Swiss P Tactical». Diese Munition ist speziell für präzise Schüsse durch schräge Glasscheiben geeignet und wird von ihrem Hersteller, einer früheren Tochterfirma des Rüstungskonzerns Ruag, entsprechend beworben.

Was die beiden nicht ahnten: Bei einem Treffen wurden sie von Beamten des Nachrichtendienstes des Bundes beobachtet. Kurz darauf fuhr der russische Agent mit seinem Dienst-Volvo zur russischen Handelsvertretung in einer ruhigen Quartierstrasse oberhalb des Berner Hauptbahnhofs, vermutlich, um dort die Munition abzulegen.

Der russische Agent, der inzwischen die Schweiz verlassen habe, sei von den Schweizer Behörden als verdeckter Agent des russischen militärischen Nachrichtendienstes (GRU) identifiziert worden.

Trotz der Ermittlungen, die auch gegen eine weitere Kontaktperson des Agenten laufen würden, halte die Bundesanwaltschaft fest, dass derzeit keine Hinweise auf Attentatspläne in der Schweiz vorlägen.

Der Waffenhändler teilt den Tamedia-Zeitungen mit, dass ihm die Notwendigkeit einer Bewilligung für den Verkauf der Munition nicht bewusst gewesen sei. Er beschrieb das Geschäft als in einer «Grauzone» liegend und zeigte sich unbeeindruckt von möglichen juristischen Konsequenzen. Seine Lage sei zwar «ein bisschen unangenehm», aber «was geschehen ist, lässt sich halt nicht rückgängig machen.» Der Agent hatte demnach angegeben, die Munition als Geschenk für einen höheren Funktionär zu benötigen.

Die russische Botschaft in Bern betonte in einer Stellungnahme gegenüber den Tamedia-Zeitungen, dass ihre Mitarbeiter ausschliesslich daran arbeiten würden, die Beziehungen zwischen Russland und der Schweiz zu fördern.