Payerne VDRassistische Schmierereien von FDP-Stadtrat mitorganisiert
Schriftzüge an Schaufenstern in Payerne sorgten letzte Woche für Diskussionen. Nun ist bekannt, dass ein Stadtrat aus Payerne diese mitorganisiert hat.
Darum gehts
Eine vermummte Gruppe beschmierte während des Karnevals in Payerne 250 Schaufenster mit rassistischen und antisemitischen Sprüchen.
Lionel Voinçon, FDP-Stadtrat in Payerne, wurde als Beteiligter identifiziert und äusserte sich überrascht über die politische Dimension des Vorfalls.
Die Sprüche wurden über Monate vorbereitet und von mehreren Personen gegengelesen, ohne dass sie zensiert wurden.
«Hunde nur in der Küche erlaubt», «Tagsüber kneifen wir die Augen zu», «bombastisches» Essen beim Libanesen und «Wir haben die Kakerlake vergast». Eine vermummte Gruppe schmierte mehrere dieser Schriftzüge an Schaufenster während der Fasnacht «Brandons de Payerne» im Kanton Waadt. Dies sorgte für Diskussionen. Nun ist der Name eines Beteiligten bekannt: Lionel Voinçon, einer der fünf Stadträte in Payerne und FDP-Mitglied, dies berichtet die NZZ. Am Montag wurde dieser für die Kandidatur fürs Stadtpräsidium bekannt.
Auf 250 Schaufenster geschmiert
Auf ein Schaufenster in der waadtländischen Kleinstadt Payerne, schrieb die Gruppe: «Liquidation totale». Übersetzt heisst dies Räumungsverkauf aber wurde hier im Zusammenhang zum Holocaust gemeint, da der Schriftzug «Sonderangebote von 39 bis 45 Prozent» hinzugefügt wurde. Die Sprüche entstanden in der Nacht vom 7. auf den 8. März. Die sogenannten «Schmierfinken» zogen zum Auftakt des Karnevalswochenendes von Payerne durch die Innenstadt und pinselten die von ihnen als satirisch wahrgenommenen Sätze auf insgesamt 250 Schaufenster.

Der Fotograf Lucien Agasse hielt die verschiedenen Schriftzüge fest und veröffentlichte sie auf Instagram. Bei einem asiatischen Laden stand: «Tagsüber kneifen wir die Augen zu.»
Lucien AgasseMehrere Tage nach dem Vorfall wurde ein Beteiligter bekannt: Lionel Voinçon, FDP-Stadtrat in Payerne und ehemaliger Mitarbeiter der Waadtländer Regierungspräsidentin Christelle Luisier. Nach seinem Wahlsieg im Februar gilt er als aussichtsreicher Kandidat für das Stadtpräsidium im April.
Antisemitische Äusserungen «mehr als unangebracht»
Der Jurist Lionel Voinçon äusserte sich in einer RTS-Sendung sowie in den Zeitungen «La Liberté» und «24 Heures» zu dem Vorfall. Er zeigte sich überrascht über die politische Dimension der Affäre. Eine linke Kantonsparlamentarierin verbreitete die Bilder online, was auch einzelne Parlamentarier kritisierten. Voinçon räumte ein, dass er und seine Mitstreiter zu weit gegangen seien, betonte jedoch, niemandem bewusst schaden gewollt zu haben. Er habe mit den «Schmierfinken» lediglich für Unterhaltung sorgen wollen. Die antisemitischen Äusserungen seien «mehr als unangebracht» gewesen, an ihnen sei er jedoch nicht beteiligt gewesen.
Kein Text wurde zensiert
Die Schmierereien sind aber nicht spontan erfolgt. Wie «24 Heures» herausfand, feilte Voinçon mit seinen Mitstreitern wie jedes Jahr mehrere Monate an den Sprüchen. Diese seien laut ihm mehrfach überarbeitet und tendenziell abgeschwächt worden. Der Präsident des Organisationskomitees des Payerner Karnevals erklärte, dass am Ende drei bis vier Leute die Texte gegenlesen. Dieses Jahr soll kein Text «zensiert» worden sein. Voinçon sei einer der Schlussleser gewesen sein, unter dem die «Schmierfinken» nicht nur antisemitische Sprüche, sondern auch «Führer» auf eine Pizzeria schmierten. Auch eine Anspielung auf angeblich Hunde kochende Asiaten auf ein Thai-Restaurant und eine Andeutung auf die israelischen Pager-Angriffe gegen die Hizbollah auf ein libanesisches Lokal. Sexismus gab es etwa in einem Satz über «Hu**n» auf einem Hotel.
Die Sprüche seien dort mehrere Tage stehen geblieben. «Vorsicht an jene, die es wagen sollten, sie zu entfernen», schrieben die Veranstalter des Karnevals auf ihrer Website.
Antisemitismus in Payerne
Nicht zum ersten Mal fällt Payerne durch Antisemitismus auf. So habe der bekannteste Mord von Nazi-Anhängern am Juden Arthur Bloch im April 1942 zum Geburtstag Hitlers stattgefunden. Der Schriftsteller Jacques Chessex, der in Payerne aufwuchs und dieses Thema in seinem 2009 veröffentlichten Roman «Un juif pour l’exemple» behandelte, wurde im selben Jahr beim Payerner Karneval verspottet. «Hier liegt Chessex begraben», stand auf einem Umzugswagen, das Doppel-s im Stil der Waffen-SS.
Von Politikern und der Stadt Payerne kam kaum Kritik. Gegenüber RTS bedauerte die Stadt manche der Schriftzüge. Vizepräsidentin Monique Picinali meinte, Satire gehöre zum Karneval, und die Angelegenheiten des FDP-Parteifreundes Voinçon seien dessen Privatsache.
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Antisemitismus betroffen?
Hier findest du Hilfe:
GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus
Jüdische Fürsorge, info@vsjf.ch
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Rassismus betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Beratungsnetz für Rassismusopfer
GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
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