Personal in der Schweiz am Limit: Das bedeutet es für die Unternehmen

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SchweizÜberarbeitete Mitarbeiter: Das sind die Folgen

In der Schweiz sind viele Arbeitnehmer am Anschlag. Zwei Experten sprechen über die Folgen und nennen Lösungsansätze.

Erfahrungsberichte aus der 20-Minuten-Community zeigen: Die Schweiz ist überarbeitet. (Symbolbild)
Wie Wirtschaftspsychologe Christian Fichter aus seiner täglichen Arbeit mit unterschiedlichen Unternehmen weiss, sei die hohe Arbeitsbelastung in manchen Betrieben hauptsächlich auf den Mangel an qualifiziertem und motiviertem Personal zurückzuführen.
Die aktuelle Lage mit vielen erkältungsbedingten Ausfällen verschärfe diese Situation. (Symbolbild)
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Erfahrungsberichte aus der 20-Minuten-Community zeigen: Die Schweiz ist überarbeitet. (Symbolbild)

20min/Matthias Spicher

Darum gehts

  • Die Schweiz ist überarbeitet. Das zeigen unter anderem Erfahrungsberichte aus der 20-Minuten-Community

  • Zwei Experten nennen die Gründe und sagen, was nun geschehen muss.

Egal, ob im Gesundheitswesen, im ÖV, bei der Post oder in der Autobranche: Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in der Schweiz laufen am Limit. Das zeigen Erfahrungen von Betroffenen (20 Minuten berichtete). Dass die Schweiz überarbeitet ist, bestätigt auch Wirtschaftspsychologe Christian Fichter.

Wie Fichter aus seiner täglichen Arbeit mit unterschiedlichen Unternehmen weiss, ist die hohe Arbeitsbelastung in manchen Betrieben hauptsächlich auf den Mangel an qualifiziertem und motiviertem Personal zurückzuführen. «Verstärkt wird dies durch die Zunahme von Bullshit-Jobs, die keinen Nutzen für Kunden oder Unternehmen bieten, aber Arbeitsaufwand verursachen.» 

Die aktuelle Lage mit vielen erkältungsbedingten Ausfällen verschärfe diese Situation. «Auch wenn die Kollegen für die Erkrankten einspringen müssen, gibt es Grenzen», findet Fichter. Besser sei es, man schränke das Leistungsangebot ein, als dass man die verbleibenden Mitarbeiter bis zum Umfallen arbeiten lässt: «Sonst werden diese auch noch krank.» 

Das sagt der Arbeitgeberverband

«Auf Dauer müssen wir den Fachkräftemangel beseitigen»

Die Risiken einer anhaltend hohen Arbeitsbelastung umfassen gemäss Fichter unter anderem eine Zunahme von Fehlern, gesundheitliche Probleme, Burnout und eine höhere Mitarbeiterfluktuation: «Wenn Mitarbeiter dauerhaft überlastet werden, erhöht dies das Risiko, dass auch sie ausfallen, was eine Spirale der Überlastung weiterer Mitarbeiter nach sich ziehen kann.» 

Als kurzfristige Lösung schlägt Fichter eine realistische Personalplanung, die Förderung von Work-Life-Balance, eine bewusste Entscheidung, das Leistungsangebot bei Personalknappheit anzupassen sowie die Einführung von Unterstützungsangeboten zur Entlastung der Mitarbeiter vor, wie unter anderem flexible Arbeitszeiten oder Angebote zur Förderung der körperlichen Gesundheit. «Auf Dauer müssen wir aber den Fachkräftemangel beseitigen. Das ist das Einzige, was langfristig hilft», so Fichter.

Mehr gestresste Arbeitnehmer

«Kultur und Unternehmensziele müssen angepasst werden»

Laut Nicola Jacobshagen, Arbeitspsychologin an der Universität Bern, sind die Zeiten, in denen man trotz weniger Personal mehr und schnellere Arbeit verlangen kann, vorbei. «Die Idee, dass die Mitarbeitenden, die verbleiben, für Personen, die ausfallen, übernehmen müssen, ist nicht nachhaltig.» Wenn sie unter chronischem Stress leiden, führe das langfristig zu Krankheiten, damit verbundenen Absenzen und zu Fehlern, die Unternehmen teuer zu stehen kommen können.

Stattdessen bräuchten Arbeitnehmende aktive Phasen der Erholung, in denen sie nicht nur frei haben, sondern auch nicht ständig an die Arbeit denken müssen. Hier sieht die Psychologin die Firmen in der Pflicht. Wegen fehlender Ressourcen und Marktdruck sei das jedoch anspruchsvoll. «In Produktionsbetrieben können, wenn nötig, Fristen verlängert werden.» In Dienstleistungsbetrieben und vor allem bei Unternehmen, die 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche arbeiten – so zum Beispiel Spitäler – sei das hingegen nicht möglich. «Hier müssen die Kultur und die Unternehmensziele angepasst werden.»

Die Psychologin empfiehlt: «Zum einen müssen die Unternehmen ihre Führungskräfte im Gesundheitsmanagement schulen. Zum anderen ist es sehr wichtig, dass die Chefs ihre Verantwortung wahrnehmen und selbst bei Krankheit zu Hause bleiben. Denn: Wenn sie zur Arbeit erscheinen, fühlt sich das Team in der Pflicht, dies auch zu tun.»  Für die Unternehmen sei das jedoch kein Gewinn, sondern könne sehr teuer enden. «Diese Personen können andere anstecken, ziehen ihre eigene Genesung hinaus und fallen deshalb langfristig viel länger aus.»

Bist du auch überarbeitet? 

Hast du oder hat jemand, den du kennst, Probleme mit dem Job?

Hier findest du Hilfe:

Arbeit.swiss, Informationen und Adressen für Stellensuchende

Lohnforderung.ch, Rechte bei fristloser Kündigung

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Hast du oder hat jemand, den du kennst, eine psychische Erkrankung?

Hier findest du Hilfe:

Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858

Kinderseele Schweiz, Beratung für psychisch belastete Eltern und ihre Angehörigen

Verein Postpartale Depression, Tel. 044 720 25 55

Angehörige.ch, Beratung und Anlaufstellen

VASK, regionale Vereine für Angehörige

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

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