Personalnotstand: Politik empört über Philippinen-Pflegerinnen

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Personalnotstand«Verzweiflungstat» – Politik empört über Philippinen-Pflegerinnen

Das Spital Baselland holt sich sieben Pflegekräfte aus den Philippinen als Massnahme gegen den Pflegemangel. Pflegefachleute im Nationalrat sind alarmiert.

SP-Nationalrätin Farah Rumy spricht von einer «Verzweiflungstat».  
Pflegende aus den Philippinen sollen in einem Schweizer Spital zum Einsatz kommen (Symbolbild).
Und zwar im Spital Baselland, im Bild: das Spital Liestal.
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SP-Nationalrätin Farah Rumy spricht von einer «Verzweiflungstat».  

20min/Matthias Spicher

Darum gehts

  • Das Spital Baselland steht in der Kritik, weil es Pflegende aus den Philippinen anstellt. 

  • Das sei eine «Verzweiflungstat», sagt Nationalrätin Farah Rumy.

  • Es verschärfe zudem den Mangel im Herkunftsland, ist Nationalrat Patrick Hässig überzeugt.

Liestal statt Manila heisst es schon bald für fünf Pflegerinnen und zwei Pfleger aus den Philippinen. Das Spital Baselland holt die ausgebildeten Fachleute für anderthalb Jahre in die Schweiz. Das hat das Regionaljournal von Radio SRF kürzlich aufgedeckt. Doch die Massnahme ist bei Schweizer Politikerinnen und Politikern umstritten.

Darum kommen die philippinischen Pflegefachleute in die Schweiz

Zwischen den Philippinen und der Schweiz besteht ein Praktika-Programm zum Austausch von Pflegefachkräften – aber auch von anderen interessierten Berufsfachleuten. Das entsprechende Abkommen besteht seit 2002. Voraussetzungen zur Teilnahme sind eine abgeschlossene Berufsausbildung, ein einwandfreier Leumund und die Teilnehmenden müssen zwischen 18 und 35 Jahren alt sein.

So viele Pflegende aus den Philippinen kamen bisher in die Schweiz

Seit 2014 wird erfasst, aus welchen Berufen die Menschen stammen, die das Austauschprogramm nutzen. Auf Anfrage von 20 Minuten sagt das Staatssekretariat für Migration, dass zwischen 2014 und 2023 jährlich im Durchschnitt sechs philippinische Pflegefachleute eine befristete Anstellung in der Schweiz erhalten haben, hingegen hat keine einzige Schweizer Pflegerin oder Pfleger eine Stelle in den Philippinen angenommen.

Werden die philippinischen Pflegenden ausgebeutet?

Nein. «Stagiaires sind nach orts- und branchenüblichen Normen zu entlohnen», heisst es in den Erläuterungen zum Abkommen. Gilt ein Gesamtarbeitsvertrag in der Branche, muss die Entlöhnung diesem entsprechen. Das Spital bestätigt, dass die philippinischen Pflegenden zum üblichen Schweizer Lohn beschäftigt sind.

Dürfen die philippinischen Pflegenden unbegrenzt in der Schweiz bleiben?

Die Aufenthalts- und Anstellungsdauer beträgt maximal 18 Monate, heisst es im Abkommen. «Eine Verlängerung ist nicht möglich.» Und: «Ein weiterer Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt nach 18 Monaten ist ausgeschlossen.» Doch ist die Regelung weniger explizit als sie scheint, wie das Staatssekretariat für Migration auf Nachfrage präzisiert. Denn in Ausnahmefällen kann eine Aufenthaltsbewilligung für die Pflegerin oder den Pfleger beantragt werden. Dazu müssen kriterien wie der nachgewiesene Bedarf der Fachkraft – der nicht mit Arbeitnehmenden aus der Schweiz oder der EU gedeckt werden kann – erfüllt sein. 2022 erhielten so drei Menschen das Aufenthaltsrecht in der Schweiz. Den Widerspruch erklärt das Amt aber nicht weiter.

Warst du auch schon einmal auf Pflege angewiesen?

Sicher ist: Der Import von Pflegefachleuten aus den Philippinen sorgt bei Expertinnen und Experten im Nationalrat für Kopfschütteln.

GLP-Hässig: «Man schwächt andere Länder»

So sagt Farah Rumy, Nationalrätin der SP und Fachexpertin für Pflege: «Es wirkt wie eine Verzweiflungstat, Leute von so weit weg zu holen.» Ins gleiche Horn bläst Pflegefachmann und GLP-Neu-Nationalrat Patrick Hässig. «Man schwächt andere Länder, die die Leute auch brauchen – da geht es nicht nur um die Philippinen», sagt er.

SP-Rumy: «Braucht viel Zeit und Energie des Personals»

 «Gerade zu Beginn, wenn die rekrutierten Leute frisch ankommen, braucht es vom wenigen bestehenden Personal viel Zeit und Energie, die Neuen einzuarbeiten und fit zu machen für den Arbeitsalltag», sagt Farah Rumy, welche in der Pflege-Gewerkschaft SBK aktiv ist. Und Hässig ergänzt: «Nur drei Monate Deutschkurs halte ich für heikel, das ist sehr wenig, um komplizierte Fachgespräche führen zu können.»

Kritik an Arbeitsbedingungen für Schweizer Pflegende

Um dem Pflegemangel entgegenzuwirken, brauche es vor allem bessere Arbeitsbedingungen und Massnahmen, «um die bestehenden Mitarbeitenden zu halten und zu motivieren», sagt Farah Rumy. Monatlich schmeissen rund 300 Pflegende in der Schweiz den Job hin oder wechseln von einer Festanstellung zu einer temporären, weil sie dort bessere Bedingungen haben. Dem stimmt Sarah Wyss, SP-Nationalrätin, die selbst in einem Spital arbeitet, zu: «Stimmen die Bedingungen, bleiben die Pflegenden im Job. Hier ist anzusetzen!»

Das sagt das Spital Baselland

«Der Konkurrenzkampf ist gross. Der Wettbewerb ist hoch, viele Unternehmen buhlen um Pflegefachkräfte», rechtfertigt sich eine Sprecherin des Spitals Baselland gegenüber SRF. Die Philippinischen Pflegefachkräfte erhalten eine dreimonatige Einführung inklusive Deutschkurs und seien dann einsatzbereit, ist das Spital überzeugt. Die kantonale Gesundheitsdirektion äussert sich auf Anfrage nicht und verweist auf die Stellungnahme des Spitals. 

Rumy und Hässig setzen ihre Hoffnung in die Umsetzung der vom Volk angenommenen Pflegeinitiative. Beide haben dazu bereits in ihrer ersten Session als Neugewählte Vorstösse eingereicht, um dem Bundesrat Druck zu machen.

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