Politikwissenschaftler«Eine Figur wie Höcke gibt es bei der SVP nicht»
Die Parteiprogramme ähneln sich zwar – doch zwischen AfD und SVP gibt es trotzdem wesentliche Unterschiede. Politikwissenschaftler Simon Bornschier erklärt, in welchen Punkten sich die Parteien nicht vergleichen lassen.
Darum gehts
Die Parteiprogramme der SVP und der AfD ähneln sich teilweise stark.
Doch daraus zu schliessen, dass die Parteien identisch sind, wäre falsch.
Denn ausserhalb der Parteiprogramme gebe es wesentliche Unterschiede zwischen den beiden rechten Parteien.
Politikwissenschaftler Simon Bornschier erklärt, bei welchen Punkten sich die Parteien differenzieren.
Ein Blick in die Parteiprogramme der AfD und SVP zeigt: In vielen Punkten ähneln sich die Parteien – oder sie fordern gar Gleiches. Unterschiede lassen sich hingegen im Verhalten der Parteien und deren Exponenten festhalten. Politikwissenschaftler Simon Bornschier von der Universität Zürich erklärt.

Simon Bornschier ist Politikwissenschaftler an der Universität Zürich.
zvgÄhnliche Parteiprogramme
Im Parteiprogramm zeige sich die SVP im Vergleich zur AfD kaum gemässigter, sagt Bornschier. «Während es bezüglich der Haltung zur Demokratie unter dem Strich durchaus Unterschiede gibt zwischen den Parteien, ist das bei inhaltlichen Fragen wie der Migrationspolitik nicht so klar der Fall», erklärt er. «Dass die SVP in Migrationsfragen nicht gemässigt ist, zeigte auch die Kampagne der ‹schwarzen Schafe› in den 2010ern, mit deren Symbolik sie eine europaweite Vorreiterin der radikalen Rechten wurde.» Unterschiede gibt es laut Bornschier dennoch im Hinblick auf die Wirtschaftspolitik: «Die SVP ist marktliberaler als die meisten anderen Parteien der als radikalen populistischen Rechten kategorisierten Parteifamilie.»
Problem für die Demokratie
«Die SVP stellt die demokratische Grundordnung nicht infrage, auch wenn sie ein stärker plebiszitäres Demokratiemodell vertritt als der Mainstream», sagt Bornschier. «Das heisst, dass Mehrheitsentscheidungen der Stimmbevölkerung Vorrang haben sollen vor den Entscheidungen von Gerichten und dem Parlament.» Parteien der RPR stellten damit häufig die Gewaltenteilung infrage. «Die SVP gibt sich aber sicherlich verfassungskonformer als die AfD, etwa auch bezüglich der Medienfreiheit.»

Björn Höcke hat angekündigt, Medienstaatsverträge zu kündigen und den Verfassungsschutz umzukrempeln, sollte er Ministerpräsident in Thüringen werden.
Hannes P. Albert/dpaAnders ist das bei der AfD: «Ich halte die Partei für demokratiefeindlich», sagt Politologin Marianne Kneuer von der Technischen Universität Dresden. Immer wieder gebe es Äusserungen aus den Reihen der AfD, die sich gegen die Gewaltenteilung, Pressefreiheit oder die Menschenwürde richte. «Björn Höcke hat zum Beispiel angekündigt, die Medienstaatsverträge in Thüringen aufzukündigen und den Verfassungsschutz umzukrempeln, wenn er Ministerpräsident würde.» Zuletzt wurden am Wahlsonntag alle Medien von der Wahlparty der AfD-Thüringen ausgeschlossen.
AfD teils gesichert rechtsextrem – SVP nicht
Laut Bornschier gehören sowohl die SVP als auch die AfD zu den radikalen populistischen Rechten. Dennoch gebe es da klare Unterschiede: «Einige ostdeutsche Landesverbände der AfD gelten laut dem deutschen Verfassungsschutz als «gesichert rechtsextrem». Das kann über die SVP sicherlich nicht gesagt werden», sagt er. Kriterium in der deutschen Unterscheidung zwischen rechtsradikal und rechtsextrem sei ausschliesslich die Verfassungstreue – also ob Parteien die freiheitlich-demokratische Ordnung respektierten, erklärt Bornschier.

SVP und AfD grenzen sich beide nicht vollständig vom rechtsextremen Milieu ab. Im Gegensatz zu Teilen der AfD gilt die SVP selber aber sicherlich nicht als «gesichert rechtsextrem».
Getty ImagesAber: «Auch wenn die SVP keine rechtsextremen Äusserungen macht, hat sie sich nie völlig vom rechtsextremen Milieu distanziert», sagt Bornschier. Wie dem französischen Rassemblement National sei es der SVP gelungen, dieses Milieu an sich zu binden, indem sie sich zwar nie ausdrücklich mit diesen Kräften solidarisiert, sich umgekehrt aber auch nie klar von ihnen abgegrenzt hätte, erklärt er.
Extremistische Parteimitglieder
Nicht nur einige Landesverbände der AfD, sondern auch Parteiexponenten wie Björn Höcke gelten gemäss dem Verfassungsschutz als «gesichert rechtsextrem». Erst in diesem Sommer wurde Höcke verurteilt, weil er die Parole der nationalsozialistischen SA «Alles für Deutschland» an einer Veranstaltung äusserte.
Auch in der SVP kam es zu Skandalen, weil Mitglieder sich rechtsextremistischen Kreisen annäherten. Etwa, als bekannt wurde, dass der damalige Vizepräsident der Partei, Oskar Freysinger, eine Reichsflagge in seinem Büro aufgehängt hatte. Oder als kürzlich die Zusammenarbeit zwischen der damaligen Winterthurer SVP-Präsidentin Maria Wegelin und Aktivisten der «Jungen Tat» bekannt wurde.

Oskar Freysinger sorgte für einen Skandal, als bekannt wurde, dass er in seinem Büro eine Reichsflagge aufgehängt hatte.
imago/Manuel WinterbergerTrotzdem unterscheide sich die SVP hier von der AfD: «Es gibt keine mit Höcke vergleichbaren Vertreterinnen oder Vertreter bei der SVP, die hohe Ämter innehaben», erklärt Bornschier. «Aber Freysinger und die genannte Winterthurer Exponentin sind sicherlich radikaler einzustufen als der Mainstream der SVP.»
Zudem hat die SVP bereits mehrmals Mitglieder aus der Partei ausgeschlossen, nachdem sie wegen extremistischem Gedankengut aufgefallen waren. Das hat auch die AfD schon getan. Für Bornschier gibt es jedoch einen offensichtlichen Unterschied: «Die AfD hat sich jeweils nur von rechtsextremen Exponenten distanziert, wenn ein Parteiverbotsverfahren drohte.» Vertreter wie Tino Chrupalla oder Björn Höcke, die ebenfalls als sehr radikal oder extremistisch eingestuft würden, seien deshalb nicht ausgeschlossen worden.
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Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
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