Schweiz: Migration ist ein Grund für Wohnungsnot

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Rekordtief bei LeerstandSind die Zugewanderten schuld an der Wohnungsnot?

Die Schweizer fürchten, dass die Zuwanderung die Wohnungskrise weiter verschärft. Tatsächlich gibt es immer weniger freie Wohnungen. Doch ist daran wirklich die Zuwanderung schuld? Die Fakten.

Der Wohnungsleerstand ist in der Schweiz auf einem Rekordtief.
Gleichzeitig steigen die Bevölkerungszahlen kontinuierlich an. Laut dem aktuellen Chancenbarometer fürchten viele Schweizer die Folgen der Migration.
Gleichzeitig wird bezahlbarer Wohnraum immer schwieriger zu finden. Das treibt immer wieder Menschen auf die Strasse.
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Der Wohnungsleerstand ist in der Schweiz auf einem Rekordtief.

Moritz Hager

Darum gehts

  • Laut aktuellem «Chancenbarometer» fürchten viele Schweizer, dass die Zuwanderung die Wohnungskrise weiter befeuert.

  • In den Städten Hotspots gibt es einen Zusammenhang zwischen Migration und Wohnungsnot. Aber sie ist nicht der einzige Grund.

  • Auch Faktoren wie ineffiziente Wohnungsnutzung, abnehmende Bautätigkeit verschärfen das Problem.

Die Zuwanderung beschäftigt die Schweizerinnen und Schweizer zunehmend, die Sorgen vor negativen Auswirkungen wachsen. Die grösste Sorge: Dass die Zuwanderung die Wohnungskrise weiter verschärft. Tatsächlich gibt es in der Schweiz so wenig leere Wohnungen wie seit Jahren nicht mehr: Derzeit liegt der Leerstand bei 1,08 Prozent, es ist der vierte Rückgang in Folge. Doch tragen zugewanderte Ausländer wirklich die Hauptschuld an der Wohnungskrise? Das sind die Fakten.

So viele Menschen sind zugewandert

«Die Schweiz verzeichnet seit Jahren eine im internationalen Vergleich hohe Nettozuwanderung», erklärt Stefan Legge von der Uni St. Gallen. Laut dem Bundesamt für Statistik stieg die ständige Wohnbevölkerung allein durch Migration zwischen 2020 und 2022 um über eine Viertelmillion an. Pro Jahr steigt die Bevölkerung um rund ein Prozent, aktuell leben rund neun Millionen Menschen in der Schweiz. «Es ist logisch, dass dies auch den Bedarf an Wohnraum wachsen lässt», so Legge weiter.

So viele Wohnungen wurden gebaut

Die Anzahl der Neubauten steigt nicht in gleichem Masse wie die Zuwanderung: Addiert man die Zahl der neu gebauten Wohnungen von 2022, 2021 und 2020, kommt man auf circa 141’000, wie das Bundesamt für Statistik meldet. Die Zahlen stehen im Missverhältnis zu den Einwanderungszahlen, aber sind nicht eins zu eins miteinander zu vergleichen: Nicht jede zugewanderte Personen braucht auch eine eigene Wohnung: Es ziehen auch Paare und Familien in die Schweiz, Singles wohnen auch in WGs. Ausserdem wurden in dieser Zeit nicht nur Wohnungen, sondern auch neue Einfamilienhäuser gebaut, nämlich etwa 31’000.

Wie gross ist der Einfluss der Migration auf den Wohnungsmarkt wirklich?

Kurz gesagt: Die Migration spielt bei der Wohnungsnot eine Rolle, ist laut Patrick Leisibach von der Denkfabrik «Avenir Suisse» aber nicht ihr Haupttreiber. Er hält aber fest, dass durch hochqualifizierte Zuwanderung ein etwas stärkerer Konkurrenzdruck auf dem Wohnungsmarkt entstanden ist, als das früher der Fall war. «Dieser Druck ist vor allem an den Hotspots der grossen Agglomerationen gegeben. Denn dort ist auch die Nachfrage der Einheimischen gross und gleichzeitig das Angebot stark begrenzt.»

Bist du in der letzten Zeit gezügelt und hattest Mühe, eine Wohnung zu finden?

Steigt die Nachfrage nach Wohnungen, so steigen auch die Preise. Leisibach ist überzeugt: «Am stärksten von diesem Effekt betroffen sind die Zuwanderer selbst. Sie brauchen dringend eine Bleibe, sind eher bereit, höhere Mieten zu zahlen und kennen den Wohnungsmarkt nicht.» Deswegen profitierten sie auch weniger von Genossenschaftswohnungen.

Leisibach betont weiter: «Wir haben im Baugewerbe einen Ausländeranteil von 50 Prozent. Ohne Zuwanderer würde in diesem Land kaum mehr überhaupt ein Haus gebaut.»

Welche Gründe gibt es noch für die Wohnungsnot?

Zuwanderung spielt bei der Wohnungsnot also eine Rolle, ist aber nicht ihr Haupttreiber. Laut dem Bundesamt für Wohnungswesen spielen noch folgende Faktoren eine Rolle:

Ineffiziente Nutzung von Wohnungen und Haushaltsverkleinerung : So sind Ein-Personen-Haushalte in Drei-Zimmer-Wohnungen keine Seltenheit mehr. Zeitweise waren diese Faktoren fast genauso stark wie die Auswirkungen der Migration

Rückgang beim Wohnungsbau: Seit 2018 ging er um 20 Prozent zurück. Grund dafür sind unter anderem die tiefen Zinsen, der Mangel an Bauland und hohe bürokratische Hürden.

Laut dem Bundesamt für Wohnungswesen wird derzeit versucht, anhand des Aktionsplans Wohnungsknappheit das Wohnungsangebot zu erhöhen. Dieser setzt zum Beispiel darauf, Bewilligungsprozesse zu erleichtern, missbräuchliche Einsprachen zu minimieren und mehr in die Höhe zu bauen. Bis diese Massnahmen ihre Wirkung entfalten, kann es laut Experten aber noch Jahre dauern.

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