Rorschacherberg SG«Als die Lok wegtransportiert wurde, waren meine Geschwister da»
Ungewöhnlichen Spektakel in Rorschacherberg: Eine 125 Jahre alte Lokomotive flog über die Köpfe einiger Beobachter. Das steckt dahinter.
Der Kran hebt die 125 Jahre alte Lok auf den Transporter, um sie nach Winterthur zu bringen.
PrivatDarum gehts
Patrick Kellers Vater war Dampfmaschinen-Fan und hat einige Sammlerstücke. Darunter eine 125 Jahre alte Dampflok, die bis Montag bei Keller im Garten stand.
Daniel Rutschmann hat die Lok gekauft und möchte sie wieder in Betrieb bringen.
Neben der Restauration setzt sich Rutschmann auch mit der Geschichte der Lok auseinander und fand heraus, dass diese 1898 in Berlin gebaut wurde.
Gewisse Leute sammeln Briefmarken, andere Münzen. Die Möglichkeiten des Sammelns sind schier unbegrenzt. Dabei hört man immer wieder von eher ungewöhnlichen Sammlerstücken. Eines davon hatte Patrick Keller (63) bis vor kurzem auf seinem Grundstück in Rorschacherberg SG, das er von seinem Vater übernommen hat.
Sein Vater war ein Fan von Dampfmaschinen und hatte das ein oder andere ungewöhnliche Stück zu Hause. Das aussergewöhnlichste Sammlerstück war aber die 125 Jahre alte Dampflokomotive, die er im Garten ausgestellt hatte. Genau diese hat sein Sohn nun verkauft.
Ein Angebot, das sie nicht ablehnen konnten
«Meine Frau, Geschwister und ich haben schon lange überlegt, was wir mit der Dampflok machen wollen», sagt Patrick Keller auf Anfrage von 20 Minuten. Die Entscheidung sei leichter gefallen, als der Anruf von Daniel Rutschmann folgte. «Er hat irgendwie erfahren, dass wir die Loki haben und uns dann gefragt, ob wir sie verkaufen», so Keller. Rutschmann ist Lokführer bei der SBB und hat die Familie mit seinem Know-how und seinem Vorhaben überzeugt. Der Abschied war dennoch bewegend: «Als die Lok wegtransportiert wurde, waren fast alle meiner Geschwister anwesend. Es war sehr emotional, als die Lok in die Luft gehoben wurde und weggeflogen ist», sagt Keller.
Käufer möchte Lok wieder in Betrieb bringen
«Ich möchte die Dampflokomotive wieder auf Vordermann bringen», sagt der Käufer Daniel Rutschmann (55) auf Anfrage von 20 Minuten. Das sei aber auch die Bedingung gewesen und wurde sogar vertraglich festgehalten. Rutschmann, der seit 35 Jahren als Lokführer bei der SBB tätig ist, hat fest vor, seine Lok in den nächsten zehn Jahren wieder betriebsbereit zu machen. Zwar sei die Spurbreite der Lok nicht kompatibel mit den Schienen der SBB, aber dafür mit denen des Rheinbähnle Lustenau. «Ich möchte dann beispielsweise Gastfahrten machen», so der Lok-Fan. Die Hauptsache sei, dass die betriebsbereite Lok dann auch für die Öffentlichkeit zugänglich wird.
Mit dieser Bedingung im Vertrag hat Rutschmann die Lokomotive verhältnismässig günstig erworben. Total einen mittleren fünfstelligen Betrag. Bei den Transportkosten wird der frischgebackene Dampflok-Besitzer konkreter: «15’000 Franken habe ich dafür bezahlt.» – Das, für den rund 70 Kilometer langen Weg von Rorschacherberg nach Winterthur.
«Das hat der Lok gutgetan und ihr Leben garantiert»
Mit dem Kauf einer eigenen Dampflok erfüllt sich Rutschmann einen Herzenswunsch. Der Lokführer ist seit über 30 Jahren in der historischen Eisenbahnszene tätig. In verschiedenen Vereinen hat er bereits einige Projekte erfolgreich durchgeführt und möchte nun schauen, ob er so ein kleines «Lökeli», wie er es nennt, auch schaffe. Er ist aber zuversichtlich, insbesondere weil die Dampfmaschine sich noch in ausgezeichnetem Zustand befindet.
«Es ist ein einzigartiges Phänomen, dass die Lok noch so gut erhalten ist», sagt Rutschmann. Das sei vor allem auf die gewissenhafte Pflege des Vaters von Patrick Keller zurückzuführen. «Er hat sie farbtechnisch konserviert und so aufgearbeitet, dass sie nicht rosten kann. Zudem stand sie über die Jahre immer im Trockenen. Das hat der Lok gutgetan und ihr Leben garantiert.»
Seit Montag steht die Lok in einer Werkstatt in Winterthur. Dort werde als erstes ein Begutachter die Lokomotive anschauen. Hauptaugenmerk liegt auf dem Dampfkessel. «Das ist das Kernstück der Loki», erklärt Rutschmann.
Dampflok wurde 1898 in Berlin gebaut
Neben der Restauration seiner Loki beschäftigt sich Rutschmann zudem mit der Geschichte. «Es ist schwer, alles zu rekonstruieren, aber einiges habe ich herausfinden können», sagt der Lok-Fan. So sei die Lok 1898 als dritte Maschine der Firma Orenstein und Koppel in Berlin gebaut worden. Daraufhin wurde die Maschine unter anderem in einer Zuckerfabrik in Tapiau (ehemals Ostpreussen) eingesetzt, danach wechselte sie einige Male den Besitzer, bis sie für die Firma Veba AG in Zürich am Flughafen ihre letzten Arbeiten verrichtete.
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