Schattentanker-FlotteSo umgeht Russland Öl-Sanktionen – und gefährdet den globalen Handel
Im Dezember 2022 sanktionierten die EU und die USA den Import von russischem Öl. Mit einem Trick verkauft der Kreml den Rohstoff aber weiterhin weltweit – und nimmt dafür grosse Risiken in Kauf.
Darum gehts
Mit eigenen Transportschiffen umgeht Russland offenbar die Öl-Sanktionen des Westens.
Die meisten Schiffe dieser «Schattenflotte» sind aber ältere Tanker, die meist nicht versichert sind.
Experten warnen daher vor den Folgen eines Unfalls.
Seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 zielt der Westen mit diversen Sanktionen darauf ab, die Bewegungsfreiheit von Oligarchen zu unterbinden und den russischen Handel einzuschränken. Dafür haben die EU und die USA auch den Handel diverser Rohstoffe, die Russland in grossen Mengen exportiert, sanktioniert – im Dezember 2022 verhängte Brüssel etwa Regeln zum Import von Rohöl, im Februar 2023 dann auch für Erdölerzeugnisse.
Das Ölembargo hat nun aber unvorhergesehene Folgen. So ist es Moskau und seinen Verbündeten offenbar rasch gelungen, eine Tankerflotte aufzustellen, um den Handelsfluss aufrechtzuerhalten. Diese Flotte, die weiter wächst, stellt laut einer kürzlich veröffentlichten Studie des Versicherers Allianz eine erhebliche Bedrohung für die weltweite Schifffahrt dar.
Schiff explodiert – doch wer ist der Betreiber?
Anfang Mai ereignete sich vor den Gewässern Malaysias ein aufsehenerregender Zwischenfall, als der unter gabunischer Flagge registrierte Tanker «Pablo» explodierte. Die Explosion, bei der drei der 28 Besatzungsmitglieder ums Leben kamen und die wohl durch Schweissarbeiten am Deck verursacht wurde, riss das Deck vom Rumpf und sorgte für eine Ölpest östlich der indonesischen Insel Batam. Wer für die Transport- und Reparaturkosten des Wracks aufkommt, bleibt ungewiss, da das Schiff nicht versichert war.
Rund 90 Prozent des Welthandels werden über den Seeverkehr abgewickelt werden – wie weitreichende Folgen ein Unfall am falschen Ort haben kann, zeigte die Suez-Blockade durch die «Ever Given» im Jahre 2021. Während in der Schifffahrt im Allgemeinen in den letzten Jahrzehnten grosse Fortschritte in puncto Sicherheit gemacht wurden, stellt das Wachstum der sogenannten Schattenflotte jedoch eine Bedrohung für diesen Fortschritt dar. Diese Flotte, die sanktionierte Rohstoffe gewisser Länder transportiert, hat sich in den letzten 15 Monaten deutlich vergrössert und umfasst nach Schätzungen der Experten von Tankertrackers mehr als 600 Schiffe.
«Schwerer Unfall könnte Menschenleben gefährden»
«Es ist wahrscheinlich, dass die Flotte aus älteren Schiffen besteht, die unter Flaggen von Ländern mit niedrigeren Standards fahren», erklärt Justus Heinrich, Leiter der Transportversicherung bei Allianz, gegenüber «Focus online». «Diese wachsende Flotte sollte uns Sorgen bereiten, denn sie gefährdet die Seeschifffahrt weltweit und die Umwelt. Ein schwerer Unfall könnte Menschenleben gefährden, Umweltschäden verursachen oder zu unversicherten Schäden führen.»
Nach Angaben der «Financial Times» hat allein Russland in den letzten Monaten über 100 marode Tanker aus dem Iran und Venezuela für seine Schattenflotte erworben. Diese Schiffe und ihre Kapitäne und Auftraggeber operieren diskret, verbergen ihre Daten, verzichten auf Versicherungsschutz und sind im internationalen Seeverkehr schwer zu identifizieren und zu lokalisieren, was die damit verbundenen Zahlungsströme widerspiegelt.
Öltanker sind immer häufiger ohne Ortungssystem unterwegs
Die britische Zeitung «The Guardian» berichtet, dass immer häufiger Tanker, die mit Russland in Verbindung stehen, ihre Ortungssysteme im Südatlantik deaktivieren. Nachforschungen legen nahe, dass diese Schattentanker darauf abzielen, sich in internationalen Gewässern mit anderen Tankern zu treffen, die keine Verbindung zu Russland haben, um ihre Ölladung umzuladen. In der Folge wird es für vermeintlich «saubere» Tanker im Zielhafen schwierig festzustellen, ob sie unwissentlich sanktioniertes russisches Öl geladen haben. Laut dem Schifffahrtsunternehmen Windward hat Russland bei der Umgehung von Ölsanktionen wohl vom Iran und von Nordkorea gelernt.
Keine News mehr verpassen
Mit dem täglichen Update bleibst du über deine Lieblingsthemen informiert und verpasst keine News über das aktuelle Weltgeschehen mehr.
Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.