Zu wenig Holz und Stahl - Schweizer Baustellen droht wegen Materialknappheit die Schliessung

Publiziert

Zu wenig Holz und StahlSchweizer Baustellen droht wegen Materialknappheit die Schliessung

Die Nachfrage nach Baustoffen explodiert. Den hohen Bedarf können die Lieferanten nicht decken. Jetzt fürchten hiesige Firmen gar den Baustopp.

Bauunternehmen machen Baumaterial-Lieferschwierigkeiten zu schaffen.
Lieferprobleme gibt es bei Produkten, deren Rohstoffe auf Stahl und Erdöl basieren. Dazu zählen etwa Armierungseisen oder Kunststoffrohre.
Die Bauunternehmen müssen fürs Baumaterial mehr bezahlen und bekommen es deutlich später geliefert.
1 / 8

Bauunternehmen machen Baumaterial-Lieferschwierigkeiten zu schaffen.

20min/Marvin Ancian

Darum gehts

  • In der Pandemie standen Produktionsbetriebe still.

  • Nun fehlt Baustellen das Baumaterial.

  • Bauunternehmen befürchten, dass sich die Situation noch verschärft.

Trotz Pandemie blieben die Baustellen in der Schweiz im vergangenen Jahr grösstenteils in Betrieb. Sie konnten weiterarbeiten und brauchten Baumaterial. Doch die Produktion des Baumaterials setzte in der Krise aus, die Hochöfen zur Stahlproduktion wurden heruntergefahren. Nun gerät die Lieferkette ins Stocken.

«Vieles, was weltweit für den Bau gehandelt wird, ist momentan knapp. Das sind die Spätfolgen von Corona», sagt Michael Meuter, Sprecher der Holzwirtschaft Schweiz Lignum, zu 20 Minuten.

«China und die USA saugen den Markt leer»

Die Knappheit werde noch verstärkt durch US-Präsident Bidens Konjunkturprogramm und Chinas schnellen Weg aus der Krise. In beiden Ländern bauen die Firmen nun wie wild, entsprechend herrscht dort grosser Rohstoffbedarf. «Die zwei Grossabnehmer sind wie Staubsauger, die den Markt leersaugen», so Meuter.

Lieferverzögerungen gibt es laut dem Schweizerischen Baumeisterverband derzeit bei Produkten, deren Rohstoffe auf Stahl und Erdöl basieren. Dazu gehören etwa Armierungseisen oder Kunststoffrohre und Geo-Textilien sowie Hartschaum-Isolationsmaterial, das etwa bei Flachdächern oder im Keller zum Einsatz kommt. Vor allem aber fehlt es an Holz, wo die Preise zuletzt stark zulegten (siehe Box).

Holz kostet 400 Prozent mehr

Die Preise auf dem Weltmarkt für Holz stiegen innerhalb eines Jahres um bis zu 409,4 Prozent in die Höhe. Praktisch alle Holzarten sind von steigenden Preisen betroffen, ob Fichte, Tanne, Eiche oder Buche, wie es auf Anfrage bei der Baufirma Implenia heisst.

Was bedeutet der Engpass für die Baustellen im Land? Am Beispiel Holz zeigt sich die globale Abhängigkeit. Da die Schweiz knapp ein Drittel des Holzbedarfs aus heimischer Produktion abdecken kann, müssen die hiesigen Baufirmen derzeit am Weltmarkt zu entsprechend hohen Preisen einkaufen.

Meuter ist aber zuversichtlich, dass sich die Situation in einigen Monaten wieder beruhigt, wenn der Bau-Boom in China und den USA abflacht. Auch die Kunden und Kundinnen in den Baumärkten müssten trotz der momentanen Ausnahmesituation nicht befürchten, dass sie vor leeren Gestellen stehen werden.

Anders sehen es die Baufirmen. Eine Implenia-Sprecherin befürchtet, dass sich die Situation auch in den nächsten Monaten noch nicht entspannt, sondern sich im Gegenteil kurzfristig noch verschärft. Entsprechend wichtig sei das vorausschauende Planen und rechtzeitige Handeln.

Baustopp ohne Isolationsmaterial

Es droht gar ein Baustopp auf Baustellen, sollte das Material weiterhin knapp bleiben: «Ohne Isolationsmaterial bleiben Baustellen im schlimmsten Fall zu», sagt Richard Mader, Bereichsleiter Hochbau des Bauunternehmens Marti AG. Bisher musste allerdings noch keine Baustelle wegen der derzeitigen Materialengpässe schliessen, wie es auf Anfrage beim Schweizerischen Baumeisterverband heisst.

Bei den Baustellen der Marti AG gebe es zurzeit noch genug Rohstoffe, damit der Betrieb weitergeführt werden könne. «Aber wir bekommen leider täglich Meldung von unseren Lieferanten, dass sie die Preise erhöhen müssen, weil Holz und Erdölprodukte wie Kunststoffrohre und PE-Leitungen knapp sind», so Mader.

Weil die Bauverträge schon abgeschlossen seien, zahle man nun fürs Material drauf. Deshalb muss die Firma neue Objekte in Zukunft anders kalkulieren. Fixpreise dürfe es keine mehr geben. So soll das unternehmerische Risiko mit dem Auftraggeber geteilt werden.

Drei Monate Lieferfrist statt 24 Stunden

Auch beim Bauunternehmen Bähler Bau ist der Engpass langsam zu spüren, wie Projektleiterin Jessica Byland zu 20 Minuten sagt. «Wir haben aber zum Glück frühzeitig eingekauft, deshalb kam es bis jetzt noch zu keinen grösseren Verzögerungen auf unseren Baustellen. Aber es kommt fast kein Holz mehr rein. Statt 24 Stunden haben wir jetzt Lieferfristen von bis zu drei Monaten», so Byland.

Für spezielle Dinge wie 3-Schicht-Platten, die früher auf Abruf bestellt werden konnten, gebe es nun ebenfalls eine Lieferfrist von bis zu drei Monaten. Verlässliche Liefertermine bekäme die Firma aber jeweils erst nach einer Bestellung.

My 20 Minuten

Als Mitglied wirst du Teil der 20-Minuten-Community und profitierst täglich von tollen Benefits und exklusiven Wettbewerben!

Deine Meinung zählt

251 Kommentare
Kommentarfunktion geschlossen