DatenklauSchweizer Hackerin wird von den USA angeklagt
Die USA klagt gegen die Hackerin Tillie Kottmann aus Luzern. Im Fall einer Verurteilung drohen der 21-Jährigen bis zu 20 Jahre Haft.
Darum gehts
Die Schweizerin Tillie Kottmann wird in mehreren Punkten von den USA angeklagt.
Unter anderem wird ihr die Hack-Aktion von 150’000 Überwachungskameras angelastet.
In der Schweiz wären einige der Anklagepunkte nicht mal strafbar.
Der in Luzern wohnhaften Tillie Kottmann wird Verschwörung, Telekommunikationsbetrug und schwerer Identitätsdiebstahl vorgeworfen. Vergangenes Jahr wurde Kottmann, auch unter Hackernamen wie >deletescape< und >tillie crimew< bekannt, erstmals angeklagt. Nun folgten weitere Anschuldigungen. Vorgeworfen wird der 21-Jährigen, sich Zugang zu verschiedenen Firmen verschafft, dort Daten gestohlen und diese via Twitter und auf ihrer Webseite publiziert zu haben, schreibt der «Spiegel».
150’000 Kameras wurden gehackt
Bei der Firma Intel wurden im Sommer 2020 Bauanleitungen für Computerprozessoren gestohlen, insgesamt Datenmengen von zwanzig Gigabyte. Dieser Hack, der Kottmann angelastet wird, ist der wohl schwerwiegendste Vorwurf. Auch wird sich die Schweizerin wohl für die gehackten Kameras von Verkada verantworten müssen. Angeblich wurden 150’000 Überwachungskameras von Hackern angezapft, darunter Spitäler, Gefängnisse und Polizeireviere. Die Kameras werden ebenfalls vom Autohersteller Tesla genutzt. Kottmann gab gegenüber dem TV-Sender CBS bekannt, ihre Hackergruppe, die sich als APT-69420 bezeichnet, hätte diese Daten über einen offenen, übers Internet zugänglichen Server erreicht. Tillie, wie sich Kottmann nennt, liess dem Sender mehrere Gigabyte an Videoaufzeichnungen dieser Kameras zukommen.
«Wir haben gezeigt, wie schlecht wir heutzutage geschützt sind»
«Die Artikel in den Medien, auch über meine Aktionen, sind häufig positiv und das ist sicherlich ein Problem für die Amerikaner oder das kapitalistische System», sagt Tillie Kottmann zu Republik. Man werde immer abhängiger von den Computersystemen und sie würden diese Missstände aufdecken und den Menschen einen Einblick gewähren, wie diese Mechanismen funktionieren. Am Beispiel von Verkada erklärt Kottmann, wie überwacht wir schon seien und wie schlecht diese Informationen geschützt seien. Ihr wird jedoch vorgeworfen, nicht aus idealistischen Gründen gehandelt zu haben, wie sie selber angibt, sondern mit der Absicht, sich zu bereichern. Auf Twitter antwortet Tillie auf die Frage, ob sie denn nicht besorgt sei: «Vielleicht sollte ich etwas paranoider sein, aber gleichzeitig, was würde es ändern?»
Kottmann, die als Frau lebt und sich als queer und non binär bezeichnet, gab gegenüber dem CBS-Reporter an, dass es ihr bei solchen Aktionen nicht ums Geld gehe, sondern um eine bessere Welt, und dass sie «Spass dabei haben will, dafür zu kämpfen». Zwei Tage nach diesen Aussagen wurde bei Kottmann eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Laut Bloomberg wurden mehrere elektronische Geräte eingezogen.
Es droht eine Höchststrafe von zwanzig Jahren
Würde Kottmann in der Schweiz für diese Vergehen vor Gericht stehen, würden im schlimmsten Fall viereinhalb Jahre Gefängnis auf sie zukommen. «In den USA stehen hingegen allein schon auf den einen Vorwurf des Wire Fraud (Verbrechen, die mit Telekommunikationsmitteln begannen werden) zwanzig Jahre als Höchststrafe. Bei einer Verurteilung wegen schwerwiegenden Identitätsdiebstahls beträgt die Mindeststrafe zwei Jahre, unabhängig von weiteren Tatvorwürfen», sagt Martin Steiger, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt IT-Recht.
«Allerdings wäre vieles von dem, was Tillie Kottmann getan hat, in der Schweiz nicht strafbar», sagt Computerlinguist Hernâni Marques. Die Veröffentlichung der Intel-Daten im Sommer vergangenen Jahres werden aber wohl nicht verschwinden können, wenn sie einmal klar Tillie Kottmann angelastet werden. Marques ruft zu «Solidarität mit Tillie Kottmann auf».
Hausarrest in der Schweiz
Ein Prozess in der Schweiz wäre Kottmanns kleinstes Problem. Das Grössere wäre ein Gerichtsprozess in den USA. Zwar liefert die Schweiz keine Staatsangehörigen an andere Länder aus. Damit verbunden ist aber das Risiko für Kottmann, sich nicht mehr ausserhalb der Schweiz aufhalten zu können.
Für ihren Prozess sammelte Kottmann Geld im Internet. Ihr Go-Fund-Me-Account wurde jedoch, beim Stand von fünftausend Dollar, geschlossen.
Brauchst du oder braucht jemand, den du kennst, eine Rechtsberatung?
Hier findest du Hilfe:
Rechtsauskunftsstellen nach Region
Reklamationszentrale, Hilfe bei rechtlichen Fragen
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Cybercrime betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Meldestellen:
Polizei nach Kanton
Aufklärung:
My 20 Minuten

Als Mitglied wirst du Teil der 20-Minuten-Community und profitierst täglich von tollen Benefits und exklusiven Wettbewerben!