Drohende vierte Welle - Spitäler schlagen wegen steigender Zahl von Covid-Patienten Alarm

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Drohende vierte WelleSpitäler schlagen wegen steigender Zahl von Covid-Patienten Alarm

In den Spitälern liegen wieder mehr Corona-Patientinnen und -Patienten. Innert Tagen könne die Situation zum Problem werden, warnt ein Spital.

Zurzeit sind die Intensivstationen mit über 140 Covid-19-Patienten und einer Auslastung von 16 Prozent belegt, womit sich die Zahl der Intensivpatienten seit Anfang (rund 20) versechsfacht hat.
Taskforce-Chefin Tanja Stadler wies darauf hin, dass sich die Zahl der täglich neuen Spitaleinweisungen innerhalb eines Monats dreimal verdoppelt hat.
«Seit einer Woche verzeichnen wir einen relativ starken Anstieg von Covid-Patienten», sagt Pierre Hagmann, Leiter Kommunikation und Marketing der Spital Simmental-Thun-Saanenland AG .
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Zurzeit sind die Intensivstationen mit über 140 Covid-19-Patienten und einer Auslastung von 16 Prozent belegt, womit sich die Zahl der Intensivpatienten seit Anfang (rund 20) versechsfacht hat.

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Darum gehts

  • Immer mehr Covid-Infizierte liegen auf Schweizer Intensivstationen – in einigen Spitälern ist die Situation bereits dramatisch.

  • «Wenn die Auslastung der Intensivbetten weiter so schnell steigt, haben wir sehr bald ein Problem», heisst es beim Kantonsspital St. Gallen: «Wir reden dann nicht von Wochen, sondern von Tagen.»

  • Ein grosses Risiko sehen Spitäler beim fehlenden Fachpersonal.

  • Auch für den Verband der Pflegefachpersonen ist klar: «Die Konsequenzen der vierten Welle tragen die Patienten und das Gesundheitspersonal.»

Rund eine Woche nach der eingeläuteten Normalisierungsphase erfährt die Schweiz auf dem Weg aus der Pandemie einen Rückschlag. Am Dienstag und am Mittwoch knackte die Zahl der neuen Corona-Fälle die 3000er-Marke (siehe Box).

Taskforce-Chefin Tanja Stadler wies am Dienstag darauf hin, dass sich die Zahl der täglich neuen Spitaleinweisungen innerhalb eines Monats dreimal verdoppelt habe. Erfolgten nochmals drei Verdoppelungen, werde eine Auslastung wie zum Höhepunkt der zweiten Welle erreicht. Infizierten sich alle Ungeimpften in den nächsten sechs Monaten, käme auf das Gesundheitssystem eine mindestens so hohe Belastung wie während der zweiten Welle zu. Diese würde jedoch um einiges länger andauern.

«Der jüngste Patient ist unter 30 Jahre alt»

In einigen Spitälern steigt die Corona-Auslastung. «Seit einer Woche verzeichnen wir einen relativ starken Anstieg von Covid-Patientinnen und -Patienten», sagt Pierre Hagmann, Leiter Kommunikation und Marketing der Spital Simmental-Thun-Saanenland AG . Noch bis am Dienstag vor einer Woche hätten sie keine Covid-Patienten im Haus gehabt. Ungeimpfte und Ferienrückkehrer spielten dabei eine grosse Rolle, was auch andere Spitäler bestätigen.

Aktuell verzeichneten die Spitäler Thun und Zweisimmen 20 Covid-Patienten, sagt Hagmann. Von total acht Intensivbetten in Thun seien sieben belegt, davon zwei mit Covid-Patienten. «Diese müssen beatmet werden.» Bei Bedarf könne das Spital die IPS noch um einige Plätze erweitern.

Auch Philipp Lutz, Sprecher des Kantonsspital St. Gallen sagt: «Die Corona-Situation hat sich in den letzten Tagen drastisch zugespitzt.» Im Moment seien allein zehn von aktuell betriebenen 32 Intensivbetten mit Coronafällen belegt. Zudem würden die Patienten im Vergleich zu den vorangegangenen Wellen immer jünger: «Der jüngste Covid-Infizierte auf unserer Intensivstation ist unter 30 Jahre alt.»

Besuchsstopp sei beschlossen

Man bekomme bereits Anfragen aus anderen Kantonen für Übernahmen von Intensivpatienten, sagt der Sprecher. Im Moment sei das in St. Gallen aber kein Thema: «Wenn die Auslastung der Intensivbetten weiter so schnell steigt, haben wir sehr bald selber ein Problem. Wir reden dann nicht von Wochen, sondern von Tagen.» Ein genereller Besuchsstopp im Spital ab nächster Woche sei schon beschlossen, denkbar sei auch das Verschieben von Operationen. «Das wollen wir natürlich nicht, aber wir bewegen uns auf sehr dünnem Eis», so Lutz.

Ähnlich sieht es im Spital Schwyz aus. Die zunehmenden Covid-Fallzahlen seien spürbar, sagt Didier Naon, Chefarzt Anästhesie und Leiter Intensivbettenstation des Spitals Schwyz. Die im Normalbetrieb für Covid reservierten Intensivbettenplätze seien belegt. «Eine weitere Steigerung der Covid-Hospitalisationen auf der Intensivbettenstation würde zu einer Einschränkung des normalen Operationsbetriebs führen. Verschiebungen von geplanten Operationen wären dann wieder die Folge.»

«Konsequenzen trägt das Personal»

Ein grosses Risiko sehen Spitäler beim fehlenden Fachpersonal: «Der Mangel an Intensivpflegenden hat sich in der Pandemie schweizweit weiter verschärft», sagt etwa Philipp Lutz vom Kantonsspital St. Gallen. «Irgendwann kann auch unser Personal nicht mehr.» Und auch beim Inselspital Bern heisst es: «Die Ausbaumöglichkeiten der Intensivstationen sind wegen des hochspezialisierten Personals limitiert.» Im Juli meldeten Spitäler, dass sich das Pflegepersonal von der zweiten Welle noch nicht erholt habe.

Für Yvonne Ribi, Geschäftsführerin des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und -männer, ist klar: «Die Konsequenzen der vierten Welle tragen die Patienten und das Gesundheitspersonal.» Wichtig sei, dass die Politik auf die Pfleginstitutionen höre und die Warnungen ernst nehme. «Nun sind alle gefordert, eine vierte Welle mit der Impfung und dem konsequenten Einhalten der Massnahmen zu verhindern.»

Zusammenspiel von Bund und Kantonen sei gefordert

In seinem Drei-Phasen-Modell kündigte der Bundesrat an, bei drohender Überlastung des Gesundheitssystems Massnahmen zu ergreifen. «Wir werden uns mit unseren Partnern absprechen und schauen, ob es rasch entsprechende Forderungen gegenüber der Politik braucht», sagt Yvonne Ribi, Geschäftsführerin des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK).

Auch die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) sieht Handlungsbedarf. «Derzeit entwickelt sich die epidemiologische Lage schweizweit ungünstig, weshalb ein Zusammenspiel von Bund und Kantonen angezeigt ist», sagt Kommunikationsverantwortlicher Tobias Bär.

Achtmal so viele Patienten wie Anfang August

Neben den täglichen Corona-Fallzahlen nahmen auch die Hospitalisationen rasant zu. Innerhalb eines Tages stiegen sie von rund 60 auf 90. Zurzeit sind die Intensivstationen mit über 140 Covid-19-Patienten und einer Auslastung von 16 Prozent belegt, womit sich die Zahl der Intensivpatienten seit Anfang (rund 20) versechsfacht hat. Im Spital liegen wegen Corona aktuell über 570 Patienten – achtmal so viele wie noch Anfang August (70).

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