SRFTagesschau verharmlost Long Covid: «Verfälschte Meinungsbildung»
Ein Beitrag des SRF zu Long Covid löst bei zahlreichen Betroffenen Unmut aus. Der Vorwurf: Die Krankheit würde verharmlost. Auch die Ombudsstelle sah das bestätigt.
Darum gehts
Die Tagesschau des «SRF» wurde wegen eines Beitrags über Long Covid von der Ombudsstelle des SRG gerügt.
Der Vorwurf: Der Beitrag verletze das Sachgerechtigkeitsgebot.
Im Beitrag kam ein Long-Covid-Betroffener zu Wort, der laut seiner Einschätzung durch Sport und Arbeit von dem Syndrom genesen sei.
Betroffene von Long Covid fühlen sich oft hilflos: Nicht nur leiden sie unter Symptomen wie Kurzatmigkeit, Müdigkeit und Muskelschmerzen, sondern auch unter den mangelnden Therapiemöglichkeiten, da das Syndrom noch relativ unerforscht ist. Viele von ihnen sind in ihrem Alltag stark eingeschränkt, manche können auch nicht mehr arbeiten.
Umso mehr stiess ein Beitrag in der Tagesschau des «SRF» vom 19. Januar 2024 über Long Covid auf grossen Unmut bei Betroffenen. Im Beitrag kommt jemand zu Wort, der ebenfalls an dem Syndrom leidet, die Person suggeriert aber, Arbeiten und etwas Sport würden ihm helfen, sich besser zu fühlen. Zuerst wird der Beitrag allerdings wie folgt eingeleitet: «Auch wenn die Hoffnung auf ein Medikament gegen Long Covid erfüllt werden sollte: Es wird wohl noch Jahre dauern. Es kann darum nicht verwundern, dass Betroffene skeptisch sind».
Arbeiten und Sport als Heilmittel gegen Long Covid?
Dann spricht besagter Betroffener, Daniel Albisetti, Inhaber eines Handwerksbetriebs. Er erzählt davon, dass er am Wochenende wieder Velofahren war und auch froh darüber sei, wieder etwas arbeiten zu können, anstatt «nur faul herumzusitzen». Dann hakt der Reporter nach: «Das ist fast wichtiger als Medikamente, haben Sie das Gefühl?», worauf Albisetti antwortet: «Ja, ich glaube es fast, ja.»
Hast du dich schon mal mit Covid infiziert?
Das Problem an dem Bericht: Weitere Betroffene kommen nicht zu Wort — sondern nur noch eine Wissenschaftsredaktorin und ein Wissenschaftler. Insgesamt 27 Personen beanstandeten daher den Bericht, die meisten von ihnen haben selbst Long Covid. Sie empfanden die Aussage von Albisetti als «stigmatisierend», «ehrverletzend», «verharmlosend» und «fachlich falsch».
Ombudsstelle gibt Beschwerdeführern recht
Die Ombudsstelle teilte diese Einschätzung und stellte deswegen eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots gemäss Art. 4 Abs. 2 des Radio- und Fernsehgesetzes fest. Im Bericht hierzu heisst es: «Die Meinungsbildung wurde durch die Auswahl des Patienten, ohne dass ein anderes Long-Covid-Opfer zu Wort gekommen wäre, unzulässig verfälscht.» Daran würde sich auch nichts ändern, dass es sich bei Albisetti um seine persönliche Erfahrung und Perspektive handelt. «Eine zweite Erfahrung und Perspektive wäre zu anderen Schlüssen gekommen und hätte eingeholt werden müssen.»
Letztlich würden die Zuschauer den Eindruck bekommen, Long Covid würde durch Sport und Arbeit bekämpft werden können. «Es gibt aber erwiesenermassen nicht wenige Erkrankte, die weder in der Lage sind, Sport zu betreiben noch wieder zu arbeiten», heisst es ausserdem.
Das sagt der SRF
Im Dossier zum Beitrag und der anschliessenden Beschwerde wird betont, dass es dort vor allem darum ging, eine «konstruktive Geschichte» zu erzählen, «die für Betroffene ein Lichtblick sein könnte».
Dass nur ein Betroffener zu Wort käme, sei auch dem Fakt geschuldet, dass der Beitrag auf drei Minuten beschränkt gewesen wäre. Ausserdem habe der Fokus im Beitrag auf etwas anderem gelegen, nämlich dem Forschungsdurchbruch. «Weitere Akteure oder Aspekte waren in dieser Anlage nicht zwingend.»
Ausserdem wird Albisettis Aussage in den Kontext gesetzt: Denn der Handwerker, der selbst wegen Covid auf der Intensivstation gelegen habe, sei nun mal der Ansicht, dass er selbst substanziell zu seiner Genesung beigetragen habe.
«Diese Aussage hat er nicht als Stigmatisierung oder Verunglimpfung anderer Betroffenen gemeint. Vielmehr wollte er damit aufzeigen, was ihm persönlich geholfen hat, nach drei Jahren Erschöpfung wieder auf die Beine zu kommen.»
SRF hat sich «aus Respekt vor den Schwerstbetroffenen deshalb entschieden, den Beitrag auf dem Player zu sperren», wie es im Schlussbericht steht.
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