Santésuisse prognostiziert weitere Prämienerhöhungen.

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Steigende Gesundheitskosten«Viele Leistungserbringer finden es prima, wenn die Kosten steigen»

Santésuisse prognostiziert weitere Prämienerhöhungen. Neue, teure Medikamente und häufigere Arztbesuche treiben die Kosten in die Höhe, erklärt der Verband. Ein Wirtschaftsexperte ist anderer Ansicht.

Im ersten Halbjahr 2024 sind die Kosten für medizinische Behandlungen, Medikamente, Spitalaufenthalte und andere Gesundheitsdienstleistungen um rund eine Milliarde Franken im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. (Symbolbild)
Eine Zunahme um rund 5,1 Prozent im landesweiten Durchschnitt – wobei zu beachten ist, dass die Kostensteigerungen zwischen den Kantonen stark variieren. (Symbolbild)
Die Hauptursachen für das Kostenwachstum sind laut Santésuisse – der Dachverband der Schweizer Krankenversicherer – ambulante Arzt- und Spitalbehandlungen, Pflegeleistungen sowie steigende Ausgaben in Apotheken und Labors. (Symbolbild)
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Im ersten Halbjahr 2024 sind die Kosten für medizinische Behandlungen, Medikamente, Spitalaufenthalte und andere Gesundheitsdienstleistungen um rund eine Milliarde Franken im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. (Symbolbild)

20Min/Carole Alkabes

Darum gehts

  • Die Krankenkassenprämien steigen 2024 um 8,7 Prozent auf 359 Franken pro Monat.

  • Jetzt warnt Santésuisse vor weiteren Prämienerhöhungen aufgrund steigender Gesundheitskosten im laufenden Jahr.

  • Die Hauptgründe für das Kostenwachstum sind laut Santésuisse ambulante Arzt- und Spitalleistungen, Pflegeleistungen sowie steigende Kosten in Apotheken und Labors.

  • Ökonom Reiner Eichenberger sieht strukturelle Probleme und fehlende Anreize zur Kostensenkung am Ursprung der Kostenspirale.

Mit einem Anstieg um 8,7 Prozent im Jahr 2024 auf 359 Franken pro Monat belasten die Krankenkassenprämien weiterhin das Budget von Schweizerinnen und Schweizern. Jetzt wird gar befürchtet, dass 2025 ein weiterer Prämienschock droht: Denn die Kosten im Gesundheitswesen steigen weiter an.

Santésuisse warnt vor weiteren Prämienerhöhungen

Der Dachverband der Schweizer Krankenversicherer warnt deshalb vor weiteren Prämienerhöhungen. «Anfang des Jahres war ich noch optimistisch, dass die Krankenversicherer nach zwei Jahren mit hohem Prämienwachstum eine Verschnaufpause ermöglichen könnten. Leider ist das angesichts des hohen Wachstums unrealistisch», sagt Christoph Kilchenmann, stellvertretender Direktor von Santésuisse. Die Krankenversicherer müssen die Kosten durch die Prämien decken. Er betont jedoch, dass Krankenkassen keine Gewinne machen: «Das dürfen sie gar nicht.»

Einen Grund für das stetige Kostenwachstum sieht er in der Alterung der Bevölkerung, aber nicht nur. «Hinzu kommen neue, teure Medikamente, zusätzliche Laboranalysen und häufigere Arztbesuche – das kostet die Versicherten alles sehr viel Geld.» Auch die Pflegekosten seien stark gestiegen: «Die Pflege zeigt derzeit ein unglaublich starkes Wachstum, obwohl die Beiträge der Krankenversicherer hier eigentlich gedeckelt sind», erklärt Kilchenmann.

Überhöhte Preise für Medikamente senken

Er schlägt konkrete Massnahmen vor, um die Situation zu verbessern: «Man sollte endlich aufhören, ständig neue Leistungen in den Katalog aufzunehmen. Oft wird behauptet, dass dies langfristig Kosten spart, aber in der Regel entstehen einfach zusätzliche Kosten.» Ausserdem müsse man überhöhte Preise, zum Beispiel für Medikamente oder Laboranalysen, senken. «Immer öfter erreicht alleine ein einzelnes Medikament einen Umsatz von über 100 Millionen Franken pro Jahr – hier braucht es jährliche Rabattrunden.» Drittens brauche es bessere Tarife, die nicht dazu verleiten, immer mehr Leistungen abzurechnen. «Auch im ambulanten Bereich sollte viel mehr pauschal abgerechnet werden. So wird nicht belohnt, wer möglichst viel macht.»

Immer öfter soll alleine ein einzelnes Medikament einen Umsatz von über 100 Millionen Franken pro Jahr verursachen.

Immer öfter soll alleine ein einzelnes Medikament einen Umsatz von über 100 Millionen Franken pro Jahr verursachen.

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Ökonom Reiner Eichenberger ist anderer Ansicht: «Die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen sind nicht überraschend – während der Covid-Pandemie wurden die Leistungen und Kosten künstlich tief gehalten.» Der beobachtete Anstieg sei als Resultat davon zu verstehen, erklärt Eichenberger. «Die höhere Inflation, das enorme Bevölkerungswachstum und das veränderte Konsumverhalten kommen erschwerend hinzu – die Alterung hingegen ist weniger wichtig.»

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Wichtige Akteure an niedrigen Kosten nicht interessiert

«Langfristig haben die Kostensteigerungen andere Ursachen, die wir endlich angehen müssen», betont Eichenberger. Das Problem sei, dass die Krankenkassen zwar die finanziellen Kosten übernehmen, aber die Versicherten und ihre Ärzte weiterhin die Zeitkosten, Risiken und Nebenwirkungen der Behandlungen tragen, so Eichenberger.

Deshalb ziele der technische Fortschritt in der Medizin nur wenig auf die Senkung der Zeitkosten, Risiken und Nebenwirkungen. «Als Folge dessen wollen die einzelnen Versicherten immer mehr Leistungen, was stark steigende finanzielle Kosten – uns so auch höhere Prämien für alle bringt.»

Das Ziel «kluger Politik» sei aber nicht, ein möglichst billiges Gesundheitssystem – sondern eines mit einem optimalen Verhältnis zwischen Leistung und Preis.

«Wie man das System reformieren muss, ist klar», fügt er hinzu. «Man muss die Anreize für Konsumenten und Leistungserbringer so gestalten, dass sie sparsam mit den Ressourcen umgehen. Dafür gibt es verschiedene gute Massnahmen.» Das zentrale Problem sei jedoch, dass die politisch wichtigen Akteure im System nicht alle an niedrigen Kosten interessiert seien.

«Viele Leistungserbringer, Ärzte, Spitäler, Pharmafirmen und Versicherer finden es prima, wenn die Kosten und Leistungen steigen.» Das gelte sogar für die politisch relevanten Konsumenten und Konsumentinnen, erklärt Eichenberger. Das Problem sei, dass im politischen Prozess nicht die Prämienzahler wichtig seien, sondern die Patientenverbände, die mehr Leistungen verlangen. Darum sei es zentral, das Gewicht der Prämienzahler im politischen Prozess zu erhöhen.

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