Stromversorgung«Wohlstand gefährdet» – Economiesuisse warnt vor Strommangel
Der Wirtschaftsdachverband warnt in einem neuen Bulletin davor, dass die Schweiz bis 2050 nicht genügend Strom haben wird. Sogar die Grünen pflichten der Analyse bei – holen aber auch zur Kritik aus.
Stromversorgung: Darum gehts
Economiesuisse warnt in ihrem neuen Energie-Bulletin auf Stufe 4 von 5.
Ohne neue Rahmenbedingungen sei die Stromversorgung bis 2050 nicht sichergestellt.
Der Wirtschaftsverband fordert mehrere Massnahmen für einen raschen Ausbau der Schweizer Stromproduktion.
Grünen-Präsident Balthasar Glättli stimmt gewissen Teilen der Analyse zu – kritisiert jedoch einige der Forderungen.
Hat die Schweiz bis 2050 genügend Strom? Nein, meint der Schweizer Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. In einem neuen «Energie-Bulletin» stellt er die Warnstufe auf 4 von 5.
Der Verband kritisiert: Wolle die Schweiz ihre Klimaziele erreichen, müssten dringend neue Rahmenbedingungen her, um die Stromversorgungssicherheit sicherzustellen.
Das fordert Economiesuisse
Economiesuisse will etwa, dass die Stromerzeugung gegenüber Interessen wie dem Landschaftsschutz stärker priorisiert oder der Strommarkt geöffnet werden soll.
Auch die Sicherstellung von Stromimporten aus Europa ist Thema – der Verband kämpft für ein institutionelles Abkommen mit der EU. Alexander Keberle, Leiter Umwelt, Energie und Infrastruktur bei Economiesuisse, sieht drei zentrale Punkte.
Dort investieren, wo es am meisten bringt
«Momentan wird dort ausgebaut und investiert, wo die Interessengruppen am lautesten sind», sagt Keberle. In der Schweiz herrsche ein Subventions-Wildwuchs. «Projekte sollten stattdessen ausgeschrieben und dann nach dem besten Stromertrag ausgewählt werden – nicht aufgrund von Politik oder Lobbys.» Priorisiert werden soll der Winterstrom.
Verfahren beschleunigen
«Der Bau eines Windparks dauert derzeit rund 20 Jahre – 19 davon werden für die Bewilligung gebraucht», so Keberle. «So kommen wir nirgends hin.»
Kein Technologie- und Denkverbot
Man müsse auch in Sachen Nukleartechnologie weiterforschen. «Es wird viel von allem brauchen – wir können es uns nicht leisten, auf eine Technologie zu verzichten», sagt der Economiesuisse-Mann.

Der Wirtschaftsverband kommt in seiner Analyse auf Warnstufe 4.
EconomiesuisseWirtschaftsverband fürchtet Wohlstandsverlust
Zwar habe das Parlament mit dem Solar-Express, dem Wind-Express und dem Mantelerlass Strom (siehe Box) bereits wichtige Schritte unternommen. Der geplante Ausbau sei aber zu gering, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und die Klimaziele zu erreichen, so Economiesuisse.
Was, wenn keine neuen Rahmenbedingungen geschaffen werden? Der Wirtschaftsverband sieht zwei grosse Herausforderungen: Einerseits würden die Klimaziele nicht erreicht und eine Netto-Null unmöglich, andererseits würde der Schweizer Wohlstand massiv geschädigt.
Mantelerlass wird in der Herbstsession zum Thema
Um eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien sicherzustellen, sollen das Energie- und das Stromversorgungsgesetz geändert werden. National- und Ständerat suchen bereits seit 2021 nach einem Kompromiss – bisher ist dies nicht geglückt. In der Herbstsession sollen nochmals Differenzen bereinigt werden. Bereits im vergangenen März hatte Rösti davor gewarnt, die Vorlage zu überladen: «Es gibt keinen Plan B, wenn dieses Gesetz scheitern sollte.»
Für die SVP gibt es eine klare Lösung
SVP-Nationalrat Imark teilt die Warnungen der Wirtschaft. Er stellt aber die Atom-Lösung in den Mittelpunkt: «Wenn wir bei der Kernenergie nicht endlich vorwärts machen, werden wir weder die Dekarbonisierungs-Ziele erreichen, noch die Stromversorgung sicherstellen», so Imark.
Das kritisieren die Grünen
Die Forderungen des Wirtschaftsdachverbands lösen bei den Grünen gemischte Gefühle aus: «Wir haben viele Differenzen. Wo Economiesuisse recht hat: Wir sind nicht auf Kurs, um die Pariser Klimaziele zu erreichen», sagt Grünen-Präsident Balthasar Glättli.
Die Lösung liege für die Grünen in der Realisierung des Effizienzpotentials, einer intelligenten Bewirtschaftung der Speicherkapazität und einem naturverträglichen Ausbau der neuen Erneuerbaren mit Fokus auf Solar. Hierzu lancieren sie auch eine Solarinitiative: «Auf Dächern und Fassaden hat es genug geeignete Flächen, um den gesamten heutigen Strombedarf mit Solarenergie zu decken.»
Glättli kritisiert jedoch, dass Economiesuisse, statt zu helfen, die Energiewende vorwärtszubringen, im Bulletin den Ausbau der Erneuerbaren gegen den Natur- und Landschaftsschutz ausspiele. Und: «Economiesuisse holt wieder Atomkraftwerke aus der Mottenkiste – dabei haben die vielen ausgefallenen AKW in Frankreich letzten Winter gezeigt, dass Atomkraft keine Lösung, sondern eine Gefahr für die Versorgungssicherheit ist.»
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