SVP-Streit um Nazi-Symbole«Es ist doch nicht nötig, das Zeugs zu verbieten»
Sollen Hitlergruss und Hakenkreuze in jedem Fall strafbar werden? Das verlangt ein Vorstoss aus der Mitte. Vor dem Entscheid im Nationalrat sind sich SVP-Vertreter uneinig.
Darum gehts
Der Nationalrat entscheidet über ein Verbot von Nazi-Symbolen in der Öffentlichkeit.
Mitte-Vertreterin Marianne Binder will damit die Einzigartigkeit der Nazi-Verbrechen im Gesetz widerspiegeln.
In der SVP ist man sich uneinig. Während Alfred Heer «eine rote Linie» ziehen will, ist Andreas Glarner gegen ein Verbot.
Wer in der Öffentlichkeit die Hand zum Hitlergruss hebt, wird in der Schweiz nicht zwingend bestraft. Während einer Corona-Demo in Bern tat dies ein Teilnehmer und erhielt einen Strafbefehl wegen unanständigen Benehmens.
Er wehrte sich und bekam recht. Für eine Verurteilung fehle die Rechtsgrundlage, argumentierte das Regionalgericht. Es gibt viele ähnliche Fälle. Denn die Nazi-Symbole sind nur unter der Antirassismusnorm strafbar, wenn damit Propaganda betrieben wird. Erst im Januar wurde an einer Militärmesse in Fribourg eine Hakenkreuz-Fahne ausgestellt.
Bundesrat will Holocaust-Denkmal – kommt nun Symbol-Verbot?
Mitte-Nationalrätin Marianne Binder will Hitlergruss und weitere Symbole der Schreckensideologie nun generell unter Strafe stellen. Die Abstimmung über die Motion ist für den Donnerstag traktandiert.
Erst letzte Woche entschied der Bundesrat, in der Stadt Bern ein nationales Mahnmal zur Erinnerung an die Opfer des Holocausts zu errichten. Das sei ein wichtiges Signal, sagt Binder. Nun sei es aber «Zeit, klarzumachen, dass Hakenkreuze und Hitlergruss in unserer Gesellschaft nichts verloren» haben.
SVP-Heer: «Schreckensherrschaft mit Millionen von Ermordeten»
Diese Ansicht teilt SVP-Nationalrat Alfred Heer. Seine Partei sei traditionell gegen solche Verbote, «weil sie die Meinungsfreiheit beschneiden». In diesem Fall befürworte er aber ein Verbot. «Es geht ausschliesslich um Symbole einer Schreckensherrschaft mit Millionen von ermordeten Juden, Behinderten und Fahrenden», so Heer.
Diese Verbrechen dürften in der Öffentlichkeit nicht mit Hakenkreuzen und Hitlergrüssen relativiert werden. «Als Gesellschaft müssen wir hier eine rote Linie ziehen», fordert der SVP-Mann. Wichtig sei aber auch die weitere Aufklärung der Leute über den Antisemitismus.
Heer sagt: «Ich werde mich in der Fraktion sicher für ein Ja einsetzen, aber jede und jeder ist natürlich frei in seinem Entscheid.» Tatsächlich braucht es womöglich noch Lobbying des langjährigen Nationalrats. Fraktionschef Thomas Aeschi will sich auf Anfrage nicht zum Thema äussern.
Andreas Glarner: «Nicht nötig, das Zeugs zu verbieten»
In der SVP gibt es aber Gegenstimmen. So sagt etwa Nationalrat Andreas Glarner. «Es ist doch nicht nötig, das Zeugs zu verbieten.» Wer mit Hakenkreuzen oder ähnlichen Symbolen an der Kleidung rumlaufe, disqualifiziert sich gesellschaftlich bereits genug.
Sollen Hitlergruss und Hakenkreuz generell strafbar werden?
«Extremes Gedankengut lässt sich nicht mit neuen Gesetzesartikeln austreiben. Wir haben definitiv wichtigere Probleme, als neue Verbote zu erlassen, die es gar nicht braucht», so der Asylchef der SVP. Ihm sei auch «nicht aufgefallen, dass sich Leute in den letzten Jahren vermehrt mit ausgestrecktem Arm grüssen».
Mitte-Binder: «Thema ist aktueller denn je»
Mitte-Frau Binder glaubt trotz der Gegenstimmen an einen Erfolg, denn das Thema sei aktueller denn je. «Es gibt Leute, die glauben, Putin bekämpfe in der Ukraine Nazis. Ich orte eine Verluderung der Begrifflichkeiten und eine Geschichtslosigkeit im Denken», so Binder.
Die heutige Situation sei «absurd», findet sie. «Mittelfinger gegen Polizisten werden – zu Recht – happig büsst, Marlboro-Schirme wegen Tabakwerbung verboten. Gleichzeitig kann ich in den Zug sitzen und mir nationalsozialistische Symbole auf die Jacke stecken und Mitmenschen mit ausgestrecktem Arm grüssen.»
Es gehe nun darum, die «Einmaligkeit der Verbrechen der Nazis» auch in Schweizer Gesetzen abzubilden. Binder hofft, dass ihr Vorstoss tatsächlich zur Abstimmung kommt. «Es wäre schmerzhaft, wenn dieser aufgrund der Geschäftslast auf die lange Bank geschoben und im Herbst gar abgeschrieben wird», sagt sie.
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