AfghanistanMehrere Verletzte bei Bombenanschlag auf Fahrzeug mit Taliban-Kämpfern
Der letzte US-Soldat hat Afghanistan verlassen. Die Taliban haben die Macht im Land übernommen. Alle News im Ticker.

Zusammenfassung:
Am 31. August hat der letzte US-Soldat Afghanistan verlassen.
Rebellen verschanzen sich im Panjshir-Tal und werden von den Taliban belagert.
Die Taliban betonen, dass sie gute Beziehungen mit den USA wollen.
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Bombenanschlag auf Taliban-Fahrzeug
In der afghanischen Stadt Dschalalabad sind bei einem Bombenanschlag auf ein Fahrzeug mit Taliban-Kämpfern mehrere Menschen verletzt worden. Verletzte Taliban-Kämpfer seien in Krankenhäuser gebracht worden, berichteten örtliche Medien am Sonntag. Nach Angaben eines Reporters ereignete sich der Anschlag in der Nähe eines Verkehrsknotenpunkts in der östlichen Stadt nahe der Grenze zu Pakistan.
Erst am Vortag waren in Dschalalabad bei den ersten tödlichen Anschlägen seit dem Abzug der US-Truppen Ende August in Dschalalabad mindestens zwei Menschen getötet worden. Die Stadt im Osten des Landes ist die Hauptstadt der Provinz Nangarhar, wo sich der afghanische Ableger der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) formiert hat.
Die Taliban und der IS bekämpfen sich, obwohl es sich bei beiden Gruppen um radikale sunnitische Milizen handelt. Der Ableger Islamischer Staat Provinz Chorasan (IS-K) tötete Ende August während der westlichen Evakuierungsflüge bei einem Anschlag am Flughafen von Kabul über Hundert Menschen, darunter 13 US-Soldaten. AFP/roa

Bei einem Bombenanschlag auf ein Fahrzeug wurden in Dschalalabad mehrere Taliban-Kämpfer verletzt.
AFPWeitere Evakuierungen aus Kabul
Mit den ersten Passagierflügen aus Kabul seit Ende der chaotisch verlaufenen militärischen Evakuierungsflüge haben mehr als 250 Ausländer Afghanistan verlassen können. Binnen drei Tagen seien mehr als 250 ausländische Staatsbürger – darunter Dutzende US-Amerikaner – ausgeflogen worden, teilte der US-Sondergesandte für Afghanistan, Zalmay Khalilzad, am Samstag auf Twitter mit. (DPA)
Nato leitet Untersuchung ein
Die Nato hat nach Angaben von Generalsekretär Jens Stoltenberg «eine umfassende Untersuchung» zum desaströs geendeten Afghanistan-Einsatz eingeleitet. «Die Ereignisse der letzten Wochen waren tragisch für die Afghanen und erschütternd für alle, die sie unterstützen», schrieb Stoltenberg in einem Gastbeitrag für die «Welt am Sonntag». Es gebe viele schwierige Fragen bezüglich des Nato-Engagements, die man sich nun ehrlich stellen müsse. «Wir müssen Lehren daraus ziehen.»
Zugleich machte Stoltenberg deutlich, dass sich das Militärbündnis nicht vollständig zurückziehen will. «Afghanistan wird nicht die letzte Krise sein, in der Nordamerika und Europa gemeinsam, mithilfe der Nato, handeln müssen», erklärte der frühere norwegische Regierungschef. «Es wird immer jemanden geben, der uns schaden will. Das haben wir am 11. September (2001) und seitdem noch bei vielen anderen Terroranschlägen gesehen.» (DPA)
Masern-Fälle bei ausgeflogenen Afghanen
Nach dem Auftreten mehrerer Masern-Fälle lässt die US-Regierung die aus Afghanistan ausgeflogenen Menschen vorerst nicht ins Land. Bei den kürzlich angekommenen Afghanen seien vier Fälle von Masern festgestellt worden, sagte die Sprecherin des Weissen Hauses, Jen Psaki, am Freitag in Washington. Die Betroffenen seien in Quarantäne. Als «Vorsichtsmassnahme» und auf Empfehlung der Gesundheitsbehörden seien die Flüge mit den Afghanen in die USA vorerst ausgesetzt worden.
«Alle jetzt ankommenden Afghanen werden gebeten, sich gegen Masern impfen zu lassen», fügte Psaki hinzu. Afghanische Flüchtlinge, die auf Militärstützpunkten in den USA eingetroffen seien, würden nun unter anderem gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft.
Die US-Regierung prüft laut Psaki zudem die Möglichkeit, auch jene zu impfen, die sich noch auf Militärstützpunkten in anderen Ländern befinden. Die USA nutzen unter anderem den US-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz als Transitort für tausende Afghanen, die nach der Evakuierungsmission am Hindukusch in die USA umgesiedelt werden sollen. (AFP)
UN-Generalsekretär für Dialog mit Taliban zum Wohle der afghanischen Bevölkerung
UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat sich für Gespräche mit den radikalislamischen Taliban nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan ausgesprochen. «Wir müssen einen Dialog mit den Taliban führen, in dem wir unsere Grundsätze auf direktem Wege bekräftigen», sagte Guterres im Interview mit AFP. Es gehe dabei um die «Solidarität mit dem afghanischen Volk».
Auf alle Fälle müsse ein wirtschaftlicher Kollaps Afghanistans verhindert werden. Die Bevölkerung leide jetzt bereits enorm, «Millionen und Abermillionen sind vom Hungertod bedroht», warnte der Portugiese.
Er sprach sich nicht explizit für die Rücknahme internationaler Sanktionen gegen die Taliban-Herrschaft oder die Freigabe eingefrorener afghanischer Staatsgelder im Ausland aus. Aber gewisse «Finanzinstrumente» könnten dazu beitragen, das Land über Wasser zu halten und der Wirtschaft «Luft zu verschaffen».
Land soll in Frieden und Stabilität regiert werden
«Wir wollen, dass das Land in Frieden und Stabilität regiert wird und die Rechte des Volkes respektiert werden», sagte Guterres im AFP-Interview weiter. Die Taliban ihrerseits «wollen anerkannt werden, wollen die Aufhebung der Sanktionen, wollen finanzielle Unterstützung, und das gibt der internationalen Gemeinschaft ein gewisses Druckmittel».
Mit Sorge blickt der UN-Chef auch auf die Sahel-Zone. «Es gibt eine wirkliche Gefahr, terroristisch Gruppen dort könnten sich durch das, was (in Afghanistan) passiert ist, bestärkt fühlen.»
200 Ausländer sollen ausgeflogen werden
Erstmals nach dem endgültigen Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan sollen Ausländer aus Kabul ausgeflogen werden. Der Flug bringe rund 200 Ausländer, darunter auch US-Bürger, nach Doha, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag von einer mit dem Vorgang vertrauten Quelle in der katarischen Hauptstadt.
Die nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban gestarteten Evakuierungsflüge aus Kabul waren Ende August eingestellt worden.
Taliban-Innenminister ist dem FBI 10 Millionen Dollar Kopfgeld wert
Das neue Kabinett Afghanistans besteht ausschliesslich aus Taliban – obwohl diese angekündigt hatten, man wolle eine moderate und inklusive Regierung bilden, wie der «Spiegel» schreibt. Zu den USA wollten die Taliban gemäss eigenen Angaben gute Beziehungen aufbauen, doch diese zeigten sich besorgt über die Zusammensetzung der neuen afghanischen Führung.
Besonders der designierte Innenminister Sirajuddin Haqqani ist den USA ein Dorn im Auge: Dieser fungiert auf der FBI-Terrorliste als einer der meistgesuchten Männer. Als Kopf des sogenannten Haqqani-Netzwerks, einer zentralen Organisation innerhalb des militärischen Flügels der Taliban, soll dieser für mehrere blutige Terroranschläge verantwortlich sein und bei der Planung zur versuchten Ermordung des früheren Präsidenten Hamid Karsai mitgewirkt haben. Auf den als «bewaffnet und gefährlich» eingestuften Haqqani ist ein Kopfgeld von 10 Millionen Dollar ausgesetzt.
Taliban schlagen Journalisten mit Peitschen und Kabeln
Die militant-islamistischen Taliban haben mindestens zwei Journalisten in der afghanischen Hauptstadt schwer misshandelt. Im Gesicht und am Kopf von zwei Mitarbeitern der Tageszeitung «Etilatrus» seien Dutzende Abdrücke von Kabeln und Peitschen zu sehen, schrieb Herausgeber Saki Darjabai am Mittwoch auf Twitter. Man habe die Kollegen schwach und in einem Zustand der Lethargie ins Büro gebracht.
Er teilte zudem ein Bild, auf dem ein Rücken mit schweren Verletzungen zu sehen ist und kommentierte es mit den Worten: «Das ist nur ein kleiner Teil dessen, was Taliban Journalisten von Etilatrus antaten.»
Auf einem Video ist zu sehen, dass ein Journalist nicht mehr selbst laufen kann, auf einem anderen ein weiterer, der zwar alleine steht, aber kaum sprechen kann.
Rund zwei Stunden davor hatte Darjabi auf Twitter mitgeteilt, dass fünf seiner Mitarbeiter, darunter der Chefredakteur, von den Taliban festgenommen worden seien, als sie in den nebeneinander liegenden Stadtteilen Pul-e Sorch und Kart-e Tschar über einen Frauenprotest berichten wollten.
Taliban-Regierung
Die militant-islamistischen Taliban haben Teile eines Übergangskabinetts für Afghanistan vorgestellt. Demnach wird der öffentlich wenig bekannte Mullah Mohammed Hassan Achund amtierender Vorsitzender des Ministerrats, was dem Amt eines Premierministers gleichkommt. Das erklärte Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Kabul.
Die Ernennung Achunds als Regierungschef gilt als Überraschung. Er ist eines der Gründungsmitglieder der Taliban, war zuletzt im Führungsrat, der Rahbari Schura, und gilt als enger Vertrauter des Taliban-Führers Haibatullah Achundsada. Achund, der in Afghanistan Mullah Hassan genannt wird, hielt bereits während der ersten Taliban-Herrschaft wichtige Posten: UN-Angaben zufolge war er Aussenminister und Gouverneur der Provinz Kandahar, aus der er stammt. Achund gilt als gemässigt. Seit 2001 steht er im Zusammenhang mit den Handlungen und Aktivitäten der Taliban auf einer UN-Sanktionsliste.
Die Taliban hatten nach massiven militärischen Gebietsgewinnen Mitte August die Macht in Afghanistan übernommen. Der bisherige Präsident Aschraf Ghani war kurz davor aus dem Land geflohen. Seit ihrer Machtübernahme bemühen sich die Islamisten um eine gemässigtere Aussendarstellung als zu Zeiten ihrer Schreckensherrschaft zwischen 1996 und 2001. Es besteht dennoch weiter die Sorge, dass die militante Gruppe ihre Herrschaft auf Unterdrückung und drakonischen Strafen gründen könnte.
Taliban-Sprecher Mudschahid sagte, man habe sich darauf geeinigt, ein Übergangskabinett zu ernennen und bekanntzugeben, «um die notwendigen Regierungsarbeiten durchführen zu können». Insgesamt besetzten die Taliban 33 Posten. Die Besetzung der verbleibenden Führungspositionen von Ministerien und Institutionen werde man sukzessive bekanntgeben, sagte Mudschahid weiter.
Zu einem von zwei Stellvertretern Achunds wurde Mullah Abdul Ghani Baradar ernannt, der bisherige Vizechef der Taliban. Er wurde nach seiner Freilassung aus pakistanischer Haft im Jahr 2018 das öffentliche Gesicht der Islamisten und unterzeichnete 2020 für die Taliban das Abkommen mit den USA unter anderem über ein Ende des US-geführten Militäreinsatzes in Afghanistan. Er telefonierte auch mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump.
Die Ernennung von Achund zeige, «wie wenig wir im Westen über die Taliban wissen und ihre Entscheidungen voraussagen können», sagte der Afghanistan-Experte Thomas Ruttig von der Kabuler Denkfabrik Afghanistan Analysts Network. Vor der Bekanntgabe waren die allermeisten Beobachter davon ausgegangen, dass Mullah Baradar Regierungschef wird.
Andere Personalien sind weniger überraschend. Mullah Jakub, der älteste Sohn des langjährigen, verstorbenen Taliban-Chefs Mullah Omar, wird Verteidigungsminister. Er soll etwa Mitte 30 sein und als Taliban-Vizechef die Milizen gesteuert haben. Siradschuddin Hakkani, der dritte Vizechef der Taliban und Chef des berüchtigten Hakkani-Netzwerkes, wird Innenminister. Das Hakkani-Netzwerk wird für einige der grausamsten Anschläge in Afghanistan verantwortlich gemacht. Die USA suchen den etwa Mitte-40-jährigen Hakkani mit einem siebenstelligen Kopfgeld.
Als Aufsteiger innerhalb der Taliban-Reihen sehen Beobachter Amir Chan Motaki. Er war Bildungs- und Informationsminister während der Taliban-Herrschaft 1996 bis 2001 und wird nun Aussenminister. Er gilt als eine der versöhnlichsten Figuren innerhalb der Bewegung und leitete bislang die Aussöhnungskommission der Taliban. Mit Abdul Hak Wasik wird ein ehemaliger Guantánamo-Häftling Chef des Geheimdienstes.
Ein Frauenministerium findet sich bisher nicht auf der veröffentlichten Liste. Dafür wurde ein Ministerium für «Einladung, Führung, Laster und Tugend» eingeführt, das die Afghanen vom Namen her an das Ministerium «für die Förderung der Tugend und die Verhütung des Lasters» erinnern dürfte. Diese Behörde hatte während der ersten Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001 Menschen zum Gebet gezwungen oder Männer dafür bestraft, wenn sie keinen Bart trugen.
Kritik an der Zusammensetzung des Kabinetts folgte prompt. Die Islamisten hatten zuletzt immer wieder betont, eine «inklusive Regierung» ernennen zu wollen. Kurz nach ihrer Machtübernahme hatten sie regelmässig andere Politiker des Landes wie etwa den Ex-Präsidenten Hamid Karsai oder den bisherigen Leiter des Hohen Versöhnungsrates, Abdullah Abdullah, zu Gesprächen getroffen. Ihrer Ankündigung wurden sie nun aber nicht gerecht: Bei allen bisher bekannten Besetzungen handelt es sich um Taliban-Mitglieder.
Auch ethnisch geht es bisher einseitig zu. Der Afghanistan-Experte der Denkfabrik International Crisis Group, Ibraheem Bahiss, schrieb auf Twitter, soweit er dies beurteilen könne, seien bis auf zwei Tadschiken und einen Usbeken alle Postenträger Paschtunen. Mitglieder der Minderheit der Hasara etwa fehlen völlig.
Die Frage der Inklusivität ist relevant, da viele westliche Regierungen davon abhängig machen, ob sie die künftige Regierung anerkennen und das Land, das massiv von ausländischen Hilfsgeldern abhängig ist, unterstützen werden. «Mit so einem Taliban-Kabinett wird die Welt Afghanistan nicht mal mit einem Dollar helfen», schrieb ein afghanischer Journalist auf Twitter.
Der ehemalige Gouverneur von Balch, Mohammed Atta Nur, kritisierte die Zusammensetzung unter anderem für einen Mangel an Professionalität und Frauen. Sie widerspreche zudem dem Geist der gültigen Verfassung des Landes. (dpa)
Taliban geben Warnschüsse ab, um Demo aufzulösen
Bei einer Protestkundgebung in Kabul mit vielen Frauen unter den Teilnehmenden haben Kämpfer der radikalislamischen Taliban am Dienstag Warnschüsse abgegeben. Wie Journalisten und Journalistinnen der Nachrichtenagentur AFP berichteten, hatten sich in der afghanischen Hauptstadt etwa 70 Menschen, vornehmlich Frauen, versammelt, um gegen Pakistans Einmischung in afghanische Belange zu protestieren. Um die Menge vor der pakistanischen Botschaft auseinanderzutreiben, gaben Taliban-Kämpfer Warnschüsse ab.

Der Regierung in Islamabad wird eine Nähe zu den Taliban vorgeworfen, die Mitte August die Macht in Afghanistan übernommen hatten. Westliche Länder sorgen sich seither insbesondere um die Frauenrechte. In den vergangenen Tagen gingen wiederholt Dutzende Frauen in Kabul und anderen Orten des Landes für ihre Rechte auf die Strasse. Die EU hat die Achtung der Rechte von Frauen und Mädchen zu einer der Bedingungen für weitere Hilfszahlungen an Afghanistan gemacht. (AFP)
Widerstands-Anführer meldet sich zu Wort
Nachdem die Taliban die Eroberung des Pandjshir-Tal bekannt gegeben haben, ist auf Twitter eine vermeintliche Wortmeldung des Anführers der Nationalen Widerstandsfront (NRF), Ahmad Massoud, aufgetaucht. «Ich bin in Sicherheit, mein Freund. Sorge dich nicht» heisst es auf einem Twitter-Account mit dem Namen des bekannten Politikers, der allerdings nicht von der Plattform verifiziert ist.
Pandjshir-Tal gefallen?
Sabihullah Mudschahid hat am frühen Montagmorgen (Schweizer Zeit) auf Twitter mitgeteilt, dass Truppen der Taliban das Pandjshir-Tal eingenommen haben. Der Sprecher der neuen Herrscher Afghanistans erklärte, man habe das Gebiet «vollständig» unter Kontrolle bringen können. «Mit diesem Sieg ist unser Land vollständig aus dem Sumpf des Krieges befreit.»
Im Tal im Nordosten Afghanistans hatte sich in den vergangenen Wochen der Widerstand gegen die Taliban formiert. Unter der Leitung Ahmed Massouds, dem Sohn eines ehemaligen Kriegsherrn, kämpften Truppen gegen die Taliban.
Widerstandsführer zu Verhandlungen bereit
Die Widerstandskämpfer im Panjshir-Tal in Afghanistan haben nach schweren Gefechten mit den Taliban in den vergangenen Tagen einen Waffenstillstand vorgeschlagen. In der Nacht zum Montag erklärte die Nationale Widerstandsfront (NRF), sie schlage vor, dass die Taliban ihre «Militäroperationen im Panjshir-Tal stoppen» und sich zurückziehen sollten. «Im Gegenzug werden wir unsere Kräfte anweisen, von Militäraktionen abzusehen». Unterdessen machten die Taliban laut UN-Angaben Sicherheitsgarantien für humanitäre Helfer.
Taliban garantieren Sicherheit von humanitären Helfern
Die Taliban haben sich nach Uno-Angaben verpflichtet, für die Sicherheit von humanitären Helfern in Afghanistan zu sorgen. Die Islamisten hätten in Gesprächen zugesichert, dass Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sich im Land frei und sicher bewegen könnten, erklärte ein Uno-Sprecher am Sonntag.
Nach der Machtübernahme durch die radikalislamischen Taliban ist Afghanistan nach Einschätzung der UNO von einer humanitären Katastrophe bedroht. Afghanistan war bereits zuvor in hohem Masse von humanitärer Hilfe abhängig. Rund 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden aus dem Ausland finanziert.
Von den 38 Millionen Einwohnern Afghanistans sind nach Uno-Angaben 18 Millionen Menschen akut von einer humanitären Katastrophe bedroht. (AFP)
Taliban stoppen Evakuierungsflüge aus Masar-i-Scharif
Die Taliban haben in den vergangenen Tagen mindestens vier Charterflüge aufgehalten, mit denen mehrere Hundert Menschen ausser Landes gebracht werden sollten. Ein Vertreter des Flughafens in Masar-i-Scharif erklärte am Sonntag, bei den Menschen handele es sich um Afghanen, von denen viele keine Pässe oder Visa hätten und die daher das Land nicht verlassen könnten. Sie hätten den Flughafen verlassen, während die Situation geklärt werde.
Der republikanische Abgeordnete Michael McCaul, Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten im US-Repräsentantenhaus, erklärte dagegen, unter den Ausreisewilligen seien auch US-Amerikaner. Amerikanische Staatsbürger und afghanische Dolmetscher sässen bereits in sechs Flugzeugen, aber die Taliban würden einen Start verhindern und hätten sie praktisch als Geiseln genommen, so McCaul.
Der afghanische Flughafenvertreter, der anonym bleiben wollte, sprach von vier Flugzeugen, die nach Doha in Katar fliegen sollten. Deren Passagiere seien in Hotels untergebracht worden, während die Behörden prüften, ob sie das Land verlassen könnten.
Es war nicht klar, wer die Flugzeuge charterte und warum sie in Masar-i-Scharif im Norden des Landes warteten. Die Massenevakuierungen liefen alle über den Flughafen von Kabul.
Ehemalige Polizistin soll von den Taliban erschossen worden sein
Kämpfer der militant-islamistischen Taliban sollen Berichten zufolge eine ehemalige Polizistin in der zentralafghanischen Provinz Ghor getötet haben. Negarah, die vor der Machtübernahme der Islamisten ihren Dienst in einem Gefängnis in der Provinz verrichtet haben soll, sei in der Nacht am Samstag vor den Augen ihres Ehemannes und Sohnes von den Taliban getötet worden, sagte Hassan Hakimi, ein aus Ghor stammender Aktivist der deutschen Presse-Agentur am Sonntag. Die Frau sei zudem schwanger gewesen.

In einem in den sozialen Medien geteilten Video sagt ein junger Mann, der angibt, der Sohn der Getöteten zu sein, die Männer hätten sich als «Mudschahedin» bezeichnet, als sie in ihr Haus gekommen seien.
Die Taliban nennen sich selbst Mudschahedin. Seine Mutter sei im achten Monat schwanger gewesen, sagte er in dem Video weiter. «Die Regierung müsse herausfinden, ob sie Taliban waren, oder Daesh, oder wer auch immer». Der Begriff Daesh wird in Afghanistan für die Terrormiliz Islamischer Staat verwendet, die auch im Land aktiv ist. Das Video und die Angaben konnten nicht von unabhängiger Seite überprüft werden. Vonseiten der Taliban gab es zunächst keinen Kommentar zu dem Vorfall. (dpa)
Tote wegen Freudenschüssen der Taliban in Kabul
Wegen Schüssen, die Taliban in der afghanischen Hauptstadt Kabul abgaben, wurden nach Krankenhausangaben zwei Menschen getötet und zwölf verletzt. Bei den islamistischen Kämpfern ist es üblich, zur Feier von Kampferfolgen gegen ihre Gegner Schüsse in die Luft abzugeben. Am Freitagabend sollen Siege in der Provinz Pandschir gefeiert worden sein.
Bei den Schüssen wurden offenbar zwei Menschen von Kugeln tödlich verletzt. Es ist nicht klar ob von Kugeln, die aus der Luft wieder heruntergefallen waren, oder von Querschüssen.
Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid kritisierte danach auf Twitter die Praxis, dass in die Luft geschossen werde. Er rief Taliban-Kämpfer auf, das ab sofort zu unterlassen. (DPA)
Berichte über schwere Kämpfe im Panjshir-Tal
Die radikalislamischen Taliban haben sich am Freitag Berichten zufolge im Panjshir-Tal heftige Gefechte mit ihren verbleibenden Gegnern geliefert. Ein Sprecher der Widerstandsbewegung gegen die Islamisten sagte, die Truppen unter dem Taliban-Gegner Ahmed Massud seien in «schwere» Kämpfe mit den Taliban verwickelt.
In Kabul waren am Freitagabend Freudenschüsse zu hören, als sich das Gerücht verbreitete, die Taliban hätten das Panjshir-Tal erobert. Ein Bewohner des Tals dementierte dies gegenüber AFP telefonisch.
Auf Taliban-treuen Twitter-Accounts wurden Videos verbreitet, die offenbar durch die Taliban eroberte Panzer und anderes schweres militärisches Gerät in dem Tal zeigten. Beide Seiten berichteten auf Twitter, der wichtige Bezirk Parjan sei vorübergehend von den Taliban eingenommen worden. Von unabhängiger Seite liessen sich diese Berichte nicht überprüfen.
Widerstandsbewegung
Das Panjshir-Tal war in den 90er Jahren eine Hochburg des Widerstands gegen die Taliban und fiel nie unter die Kontrolle der Islamisten. Nach der neuerlichen Machtergreifung der Taliban vor drei Wochen formierte sich in dem Tal erneut eine Widerstandsbewegung unter Führung des Sohnes des legendären afghanischen Kriegsherrn und Taliban-Gegners Ahmed Schah Massud.
Ahmed Massuds Vater hatte in den 80er-Jahren gegen die sowjetische Besatzung Afghanistans gekämpft, während der Taliban-Herrschaft zwischen 1996 bis 2001 bekämpfte er die Islamisten. Am 9. September 2001 wurde er von zwei Selbstmordattentätern des Terrornetzwerks Al-Kaida getötet – zwei Tage vor den Anschlägen in den USA, die zu dem internationalen Militäreinsatz in Afghanistan führten.
(afp)
Biden besucht verwundete Soldaten
Drei Tage nach dem Abzug der letzten US-Truppen aus Afghanistan hat Präsident Joe Biden verwundete US-Soldaten im Walter-Reed-Militärkrankenhaus bei Washington besucht. Der Präsident wurde bei der Visite am Donnerstagabend von First Lady Jill Biden begleitet, wie das Weisse Haus mitteilte. Biden hatte den umstrittenen Abzug der USA aus Afghanistan unter anderem damit begründet, dass er nicht weitere Generationen von Amerikanerinnen und Amerikanern dorthin in den Krieg schicken wolle.
Biden hat eine besondere Beziehung zu Soldaten und dem Militär. Sein Sohn Beau war 2008/2009 als Offizier im Irak im Einsatz, starb schliesslich 2015 an einem Hirntumor. Als Biden im April den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan ankündigte, sagte er: «Ich bin der erste Präsident seit 40 Jahren, der weiss, was es bedeutet, ein Kind zu haben, das in einem Kriegsgebiet dient.»

Bidens Fahrt in das Militärkrankenhaus in Bethesda – einem Vorort von Washington – stand nicht auf seinem öffentlichen Terminkalender. Das Weisse Haus informierte über den Besuch erst mit der Ankunft. (DPA)
UNO nehmen humanitären Flugdienst in Afghanistan wieder auf
Nach der Machtübernahme der Taliban hat der Flugdienst der Vereinten Nationen wieder Flüge in Afghanistan aufgenommen. UN-Sprecher Stéphane Dujarric sagte am Donnerstag in New York, Passagierflugzeuge des Humanitären Flugdienstes (Unhas) verbänden derzeit die pakistanische Hauptstadt Islamabad mit Masar-i-Scharif im Norden und Kandahar im Süden Afghanistans. Zusätzlich werde eine Luftbrücke für Fracht wie beispielsweise medizinische und andere Hilfsgüter eingerichtet.
Dujarric sagte, sobald es die Sicherheits- und die Finanzierungslage erlaubten, wolle der vom Welternährungsprogramm WFP betriebene Flugdienst wieder mehr als 20 Ziele in Afghanistan anfliegen – wie in der Vergangenheit. Mit den Unhas-Verbindungen solle mehr als 160 Hilfsorganisationen ermöglicht werden, ihre lebensrettenden Aktivitäten in den afghanischen Provinzen fortzusetzen.
(dpa)
Ortskräfte entpuppten sich als Attentäter
«Wir bemühen uns weiterhin, vor allem den Afghanen zum Verlassen des Landes zu verhelfen, die Deutschland als Ortskräfte (...) zur Seite gestanden haben» - die Einstellung der Bundeskanzlerin Angela Merkel während der Evakuierungsmission aus Kabul bezeichnet der deutsche Oberst a.D. Thomas Sarholz gegenüber der «Bild»-Zeitung als naiv.
Sarholz selbst diente 2005 bis 2006 in Afghanistan und weiss: «Wir haben Ortskräfte erlebt, vor allem bei anderen Staaten, die sich als Selbstmordattentäter entpuppt haben.» Andere die als Wachen eingesetzt wurden, «die dann von Wachtürmen aus, wenn Konvois das Camp verlassen haben, dies nach draussen gemeldet haben.»
Dass die Bundeswehr es nur mit Afghanen zu tun gehabt habe, die westliche Werte teilen, hält Sarholz für blauäugig. «Menschen, die wir besser dort gelassen hätten, haben sich aufgrund rein ihrer physischen Stärke dort in die Flugzeuge hineingedrängt», meint Oberst Sarholz.
USA schliessen Absprachen mit den Taliban nicht aus
Das US-Militär schliesst nach dem Abzug seiner Truppen aus Afghanistan nicht aus, sich auch künftig mit den Taliban abzusprechen – etwa für Angriffe gegen den Islamischen Staat. Das hat Mark Milley gegenüber US-Medien gesagt. Es sei schwer abzuschätzen, wie sich die Taliban nun verhalten würden, so der Generalstabschef.
Milley bezeichnete die Taliban zudem als skrupellose Gruppe. Man werde sehen, «ob sie sich ändern oder nicht». Wie wird das Verhältnis der USA zu den Taliban also künftig aussehen? Verteidigungsminister Lloyd Austin wollte dazu keine Vorhersagen machen.
(DPA/mur)
Hilferuf an Biden
Ein früherer Dolmetscher von US-Präsident Joe Biden sitzt einem Medienbericht zufolge in Afghanistan fest. Der Afghane, der 2008 an einer Rettungsmission für Biden und zwei weitere US-Politiker teilgenommen hatte, habe keine rechtzeitige Ausreisegenehmigung bekommen, berichtete das «Wall Street Journal». Aus Angst vor Vergeltung der Taliban sei er nun gemeinsam mit seiner Familie untergetaucht und hoffe auf Hilfe aus Washington.
«Hallo Herr Präsident: Retten Sie mich und meine Familie», sagte der Übersetzer der Zeitung in einem an Biden gerichteten Hilferuf. «Vergessen Sie mich hier nicht.»
Der Mann, den das «Wall Street Journal» aus Sicherheitsgründen lediglich Mohammed nennt, hatte demnach regelmässig für das US-Militär gearbeitet und Soldaten auf Kampfeinsätzen begleitet. 2008 gehörte er zu einer kleinen Eingreiftruppe, die den damaligen Senator Biden und zwei weitere US-Politiker rettete, nachdem ihr Hubschrauber wegen eines Schneesturms in abgelegenem Gebiet notlanden musste, wie ein ehemaliger Soldat der Zeitung sagte. (AFP)
Trump greift Biden an
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump (75) mischt sich in die Politik zu Afghanistan ein. Trump fordert in einem Statement an die US-Medien, es solle verlangt werden, dass die Taliban sämtliche Waffen unverzüglich zurückgeben, «passiere dies nicht, sollten wir entweder mit unzweideutiger militärischer Gewalt vorgehen und sie holen oder das Land zumindest bis zur Hölle bombardieren», fordert Trump.
Seinen Nachfolger Joe Biden will er wissen lassen: «Niemand hätte je für möglich gehalten, dass eine solche Dummheit wie dieser schwachsinnige Rückzug möglich ist.» Der Ex-Präsident fährt fort: «Noch nie in der Geschichte wurde ein Rückzug aus einem Krieg so schlecht oder inkompetent gehandhabt wie der Rückzug der Biden-Administration aus Afghanistan.»